Gegen Hass im Netz: Reform des NetzDG vom Kabinett beschlossen

Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt / Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 07.04.2020

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Um Beleidigungen, Hetze und Hasskommentare in sozialen Medien besser verfolgen zu können, hat die Bundesregierung das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) überarbeitet. Die Reform verschärft Informationspflichten für Unternehmen und will Nutzerrechte stärken. Eine Auswertung, ob das bisherige Gesetz wirksam war, wurde jedoch nicht abgewartet.

Die Bundesregierung will konsequenter gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen. Dazu sollen bestehende Gesetze, vor allem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aus dem Jahr 2017, reformiert werden. Dazu beschloss das Bundeskabinett vergangenen Mittwoch den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“. Mit dem Gesetzentwurf setzt die Regierung zudem Vorgaben aus der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD) um. Mitte Februar hatte das Kabinett bereits den Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ beschlossen. Dieses sieht unter anderem vor, dass soziale Netzwerke bestimmte strafbare Inhalte auch an das Bundeskriminalamt (BKA) melden sollen. Nach der ersten Lesung im Bundestag am 12. März steht jetzt die Beratung in den Ausschüssen des Bundestages an. Federführend ist der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.

Zentrale Inhalte der NetzDG-Novelle

Der Gesetzentwurf zur Novellierung des NetzDG soll zum einen die Rechte der Nutzer stärken, indem zum Beispiel ein Gegenvorstellungsverfahren (§ 3b) eingeführt wird. Auf Antrag eines Nutzers werden Netzwerke verpflichtet, Entscheidungen über die Löschung eines Posts zu überprüfen. Zum anderen sollen Meldewege für Nutzer vereinfacht werden, damit deutlicher wird, wo Beschwerden eingereicht werden können. Außerdem sollen Gerichte von sozialen Netzwerken leichter Daten anfordern können, um beispielsweise die Identität einer Person zu ermitteln, die beleidigende Inhalte veröffentlicht hat. Dazu wird § 14 im Telemediengesetz (TMG) geändert.

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Für Anbieter sozialer Netzwerke legt der Gesetzentwurf genauere Informationspflichten für Transparenzberichte fest, die sie zweimal im Jahr vorlegen müssen. Die Berichte sollen beispielsweise Auskunft darüber geben, ob Künstliche Intelligenz genutzt wurde, um Inhalte aufzufinden und zu löschen. Daneben sollen die Anbieter auch darüber berichten, wie viele von ihnen gelöschte Inhalte nach einer erneuten Prüfung wieder eingestellt wurden („Put-back“). Mit der Reform will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) auch die Vergleichbarkeit der Transparenzberichte verbessern. Wichtige Kennzahlen müssen die Unternehmen nun in einer Tabelle auflisten.

Zur Kontrolle der Bestimmungen des NetzDG soll das das Bundesamt für Justiz (BfJ) mehr Kompetenzen erhalten. Dazu zählt eine Aufsichts- und Anordnungsbefugnis. Damit kann das BfJ  etwa anordnen, dass bestimmte Informationen von den Betreibern sozialer Netzwerke verständlicher aufgeführt werden müssen. Bisher kann die Behörde nur nachträglich tätig werden, indem sie Ermittlungsverfahren einleitet und Bußgelder verhängt.

Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf

Ende Januar hatte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) bereits den Referentenentwurf des Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in die Länder- und Verbändeanhörung gegeben. Auf Basis der eingegangenen Stellungnahmen hat das BMJV noch einige Anpassungen am Regierungsentwurf vorgenommen. Änderungen gab es vor allem an § 2 Absatz 2. „Art, Grundzüge der Funktionsweise und Reichweite“ automatisierter Erkennung von Inhalten, die entfernt oder gesperrt werden, sollen jetzt erklärt werden müssen. Außerdem sollen Angaben zu verwendeten Trainingsdaten gemacht werden. Das Unternehmen soll auch mitteilen, inwieweit Wissenschaft und Forschung bei der Auswertung der Verfahren unterstützt werden.

Außerdem wurden die Bestimmungen zu Informationen über von Hass betroffene Nutzergruppen geändert. Stattdessen soll das Unternehmen nun Angaben dazu machen, inwieweit „Kreisen der Wissenschaft und Forschung im Berichtszeitraum Zugang zu Informationen“ gewährt wurden, um ihnen eine anonymisierte Auswertung zu ermöglichen. Anhand der Auswertung soll herausgefunden werden, ob bestimmte Nutzerkreise besonders betroffen sind und ob „organisierte Strukturen“ rechtswidrige Inhalte verbreiten.

In Nummer 14 werden im Regierungsentwurf genauere Angaben zu Veränderungen bei Beschwerden eingefordert. Nun sollen die Netzwerke „eine Zusammenfassung mit einer tabellarischen Übersicht“ über die Gesamtzahl der eingegangenen Beschwerden über rechtswidrige Inhalte angeben sowie welcher Anteil davon entfernt oder gesperrt wurde. Darüber hinaus soll die Anzahl der Gegenvorstellungen und die daraufhin abgeänderten Entscheidungen „für die beiden vorangegangenen Berichtszeiträume“ gegenübergestellt werden. Erhebliche Unterschiede und mögliche Gründe dafür sollen erläutert werden.

Zudem wurden die Anforderungen an das Gegenvorstellungsverfahren § 3b präzisiert. So sollen die Sozialen Netzwerke darauf hinweisen, dass Stellungnahmen von Nutzern an Beschwerdeführer und andersherum weitergegeben werden können. Die Entscheidung des jeweiligen Netzwerks muss „unverzüglich“ durch eine unabhängige Person geprüft werden, die mit der ursprünglichen Entscheidung „nicht befasst“ war. Weder die Identität des Nutzers noch des Beschwerdeführers darf in dem Verfahren öffentlich werden.

Kosten für Verwaltung und Wirtschaft

Zur Umsetzung der neuen Vorschriften rechnet die Bundesregierung mit Mehrausgaben in Höhe von 1,06 Millionen Euro für zusätzliches Personal im BMJV und im BfJ. Konkret geht es um 6,5 neue Stellen im höheren Dienst, vier im gehobenen Dienst sowie 1,5 Stellen im mittleren Dienst. Für die Justizverwaltungen der Länder wird zudem mit Mehrkosten in Höhe von 63.000 Euro jährlich gerechnet.

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Für die Wirtschaft, konkret Anbieter sozialer Netzwerke und „bestimmter Videosharingplattform-Dienste“, geht die Regierung im Gesetzentwurf von einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 284.000 Euro sowie jährlich rund 2,3 Millionen Euro aus. Eine Kompensation erfolge „aus den Entlastungen aus dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“.

Kritik am Vorgehen der Bundesregierung

Mit dem neuen Gesetz strebt die Bundesregierung eine Reform des NetzDG an, ohne auf die Evaluierung des bestehenden Gesetzes zu warten, die binnen drei Jahren nach Inkrafttreten erfolgen muss. Dies wird sowohl von der Opposition als auch von Internetverbänden verurteilt. Das Gesetz sei „als Schnellschuss“ entstanden und werde nun überhastet reformiert, kritisiert Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Internetverbandes eco.

Das BMJV rechtfertigt sich: „Dort wo bereits Erkenntnisse aus der Evaluierung ersichtlich waren, sind Schlussfolgerungen daraus ergänzend in den Gesetzesentwurf eingeflossen“, schreibt das Ministerium auf seiner Webseite. Erkenntnisse aus bisherigen Transparenzberichten und Bußgeldverfahren seien ebenfalls berücksichtigt worden. Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, will „intensiv prüfen“, ob die freiwillige Selbstkontrolle der Unternehmen durch die Reform tatsächlich gestärkt wird.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

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