Gegen Hatespeech und Cybermobbing: Interview mit Lukas Pohland (Cybermobbing-Hilfe e.V.)

Lukas Pohland, Initiator und Vorsitzender des Cybermobbing-Hilfe e.V. | Credits: Oliver Nauditt
Lukas Pohland, Initiator und Vorsitzender des Cybermobbing-Hilfe e.V. | Credits: Oliver Nauditt
Veröffentlicht am 21.07.2023

Am 22. Juli findet der diesjährige Aktionstag der No-Hate-Speech-Bewegung statt, die junge Menschen gegen Hassreden mobilisieren und die Menschenrechte im Internet fördern möchte. Anlässlich des Aktionstages haben wir mit Lukas Pohland (Initiator und Vorsitzender des Cybermobbing-Hilfe e.V.) über die Unterschiede zwischen Hatespeech und Cybermobbing gesprochen – und was gegen die beiden Phänomene getan werden sollte.

Herr Pohland, Beschimpfungen, Beleidigungen und Angriffe sind mittlerweile Alltag im digitalen Raum betreffen sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Was sind dabei die Gemeinsamkeiten und vor allem Unterschiede zwischen Hatespeech und Cybermobbing?

Obwohl es zwischen Hatespeech und Cybermobbing einige Gemeinsamkeiten gibt, unterscheiden sich die Phänomene in einigen wichtigen Aspekten. Beide Begriffe sind negativ behaftet und spielen sich im digitalen Raum ab, wie beispielsweise sozialen Medien, Foren, Chatrooms oder Messenger-Diensten. Ebenso ermöglicht das Internet in beiden Fällen eine weitreichende Verbreitung solcher Inhalte. Bei den Betroffenen können sowohl Hatespeech als auch Cybermobbing emotionale, psychologische und soziale Schäden verursachen, darunter Angstzustände, Depressionen, Isolation und Stigmatisierung.

Unterschiede gibt es insbesondere bei den Zielen und der Motivation: Hatespeech zielt darauf ab, Hass, Vorurteile und Diskriminierung gegenüber einer bestimmten Gruppe aufgrund von Merkmalen wie Rasse, Ethnizität, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder anderen zu verbreiten. Es ist oft politisch motiviert und will die betroffene Gruppe verletzen oder herabsetzen.

Foto: iStock / Inside Creative House

Beim Cybermobbing sind es hingegen gezielte, wiederholte Angriffe auf eine oder mehrere Einzelpersonen. Es kann verschiedene Motive haben, zum Beispiel Rache, Eifersucht oder das Verlangen, andere zu schikanieren und zu erniedrigen. Im Gegensatz zu Hatespeech ist Cybermobbing in der Regel personenbezogener und weniger auf die Verbreitung von Hass gegenüber einer bestimmten Gruppe ausgerichtet.

Auch bei der Dauer der Angriffe gibt es Unterschiede. Cybermobbing ist in der Regel durch wiederholte, langfristige Angriffe gekennzeichnet. Das Opfer wird über einen längeren Zeitraum hinweg belästigt und schikaniert. Bei Hatespeech handelt es sich häufiger um ein einzelnes Ereignis bei einer Person oder Gruppe, die herabgewürdigt oder angegriffen wird.

Ich möchte betonen, dass sowohl Hatespeech als auch Cybermobbing ernsthafte Probleme darstellen, die bekämpft werden müssen, um die negativen Auswirkungen auf die Betroffenen zu minimieren.

Wie schätzen Sie den Einsatz neuer digitaler Technologien wie KI in diesem Zusammenhang ein?

Der Einsatz neuer digitaler Technologien hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Verbreitung von Mobbing und Hass. KI an sich ist nicht gut oder böse, es kommt immer darauf an, wie sie von uns Menschen eingesetzt wird.

Auf der negativen Seite kann der Einsatz von KI dazu führen, dass Mobbing und Hassinhalte mittels Algorithmen oder automatisierter Bots schneller und stärker verbreitet werden. Hassreden können so gezielter verbreitet oder bestimmte Personen oder Gruppen angegriffen werden. Außerdem erleichtert KI das Cybermobbing: Damit ist es in kürzester Zeit möglich, Deepfakes von anderen Personen zu erstellen und diese gezielt zum Mobben einzusetzen.

Auf der anderen Seite kann KI zur Bekämpfung von Cybermobbing und Hass eingesetzt werden. Zum Beispiel, um beleidigende oder bedrohliche Inhalte automatisch zu erkennen und zu entfernen. Darüber hinaus können KI-Systeme zur Identifizierung von Mobbing- und Hassmustern eingesetzt werden, um frühzeitig zu intervenieren und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Gesetzgeber, Technologieunternehmen und die Gesellschaft als Ganzes müssen zusammenarbeiten, um die Verbreitung von Mobbing und Hass im digitalen Raum einzudämmen und sicherzustellen, dass neue Technologien verantwortungsvoll eingesetzt werden, um positive Veränderungen zu bewirken. Hier bedarf es insbesondere auch gesetzlicher Rahmenbedingungen.

Sie kämpfen bereits seit vielen Jahren gegen Cybermobbing. Wie ernst ist dieses Problem mittlerweile und passiert gesellschaftlich genug dagegen?

Foto: iStock / lerbank

Mit dem Aufstieg der digitalen Kommunikation und sozialer Medien hat sich auch das Ausmaß und die Reichweite von Cybermobbing verstärkt. Es kann Menschen jeden Alters betreffen und sowohl langfristige psychische Auswirkungen als auch unmittelbare Konsequenzen haben.

In Bezug auf das politische und gesellschaftliche Engagement gegen Cybermobbing gibt es Fortschritte, aber es gibt auch noch viel zu tun. Plattformen und soziale Medien haben z.B. Maßnahmen ergriffen, um das Mobbing online einzudämmen und Nutzer:innen zu schützen. Länder wie Österreich haben Gesetze eingeführt, die das Cybermobbing kriminalisieren und die Täter:innen zur Verantwortung ziehen.

In Deutschland ist das Phänomen leider noch kein eigener Straftatbestand. Es fällt aktuell unter verschiedene Einzeldelikte wie Beleidigung, Nötigung oder Verleumdung. Aber es macht einen großen Unterschied, ob mich jemand auf der Straße beleidigt, was ich vermutlich schneller abhaken kann, oder ob ich über Wochen, Monate oder Jahre Cybermobbing ausgesetzt bin. Deshalb setze ich mich für die Anerkennung als eigener Straftatbestand ein.

Es ist ein herausfordernder Kampf, denn Anonymität oder das Verwenden falscher Identitäten macht es schwierig, die Täter:innen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Häufig fehlt es hier auch noch immer an der Ausbildung der Strafverfolgungsbehörden.

Insgesamt ist die Bekämpfung von Cybermobbing ein laufender Prozess, der weiterhin politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfordert. Es wurden bereits einige Schritte unternommen, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention, den Schutz der Opfer und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen.

Welche Hebel sollte die Politik aus Ihrer Sicht stärker einsetzen, um Mobbing und Hasskriminalität zu bekämpfen? Und gibt es genug Politiker:innen, die das Thema derzeit vorantreiben?

Es ist wichtig, klare Gesetze zu verabschieden, die Cybermobbing und Hasskriminalität angemessen definieren und bestrafen. Zudem müssen die notwendigen Ressourcen geschaffen werden, damit Strafverfolgungsbehörden effektiv dagegen vorgehen können.

Daneben sollten sich Politiker:innen verstärkt für die Förderung von Bildungsprogrammen an Schulen, Hochschulen und in Gemeinden einsetzen, die das Bewusstsein für Mobbing und Hasskriminalität schärfen und bei Kindern und Jugendlichen ein Bewusstsein für die Folgen solcher Handlungen schaffen.

Wir benötigen zudem mehr Unterstützungsleistungen für die Betroffenen von Cybermobbing. Dies können Hotlines, Online-Beratungsdienste, psychologische Betreuung, juristische Beratung oder Zugang zu Schutzmaßnahmen oder -programmen sein.

Es gibt sicherlich politische Entscheidungsträger:innen, die das Thema vorantreiben, aber ich persönlich wünsche mir ein größeres und breiteres Engagement, wie etwa gemeinsame Initiativen, um fundierte Strategien sowie Lösungen zu entwickeln und politischen Druck aufzubauen. Vorbild auf dem Gebiet des Strafrechts ist beispielsweise Österreich. Auch im Bereich der schulischen Prävention sind uns zahlreiche Länder voraus – darunter die Niederlande und die nordischen Länder.

Kürzlich gab es einen Entwurf für ein neues „Gesetz gegen digitale Gewalt“ – ergänzend zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz –, das unter anderem Accountsperren gegen Hater vorsieht. Wie sehen Sie dieses Vorhaben?

Mein Empfinden gegenüber dem Gesetzentwurf ist zwiespältig. Zum einen begrüße ich jedes härtere Vorgehen gegen Cybermobbing und die Stärkung der Rechte der Opfer. Gleichzeitig ist die Durchsetzung der geplanten neuen Rechtmittel mit einigem Aufwand verbunden. Betroffene müssten zunächst vor Gericht ein Auskunftsverfahren einleiten, um die Identität des Verfassers bzw. der Verfasserin zu erfahren. Auch wenn hier nach dem Willen des Justizministeriums für dieses Auskunftsverfahren keine Gerichtskosten anfallen sollen, werden sich viele Betroffene doch scheuen, diesen Weg zu gehen.

Foto: iStock / anyaberkut

Sie haben sich in den letzten Jahren politisch engagiert – wenn Sie etwas in diesem Bereich konkret gestalten könnten, was wäre das?

Ich würde eine politische Gesetzesinitiative in den Bundestag einbringen, die Cybermobbing als strafbare Handlung definiert und mit angemessenen Sanktionen belegt. Leider ist das aber nur der Bundesregierung, dem Bundesrat oder den Bundestagsmitgliedern bzw. -fraktionen vorbehalten. Daneben würde ich den Strafverfolgungsbehörden die Befugnisse und Mittel geben, effektiv gegen Täter:innen vorzugehen. Auch die Unterstützungsleistungen für Präventionsangebote in Schulen, für Eltern, Jugendliche und Lehrkräfte, würde ich durch Informationskampagnen, Schulprogramme oder Workshops deutlich erhöhen. Hier fehlt es nach wie vor an Mitteln.

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