Die Zukunft der digitalen Identität: Wie wir unser digitales „Ich“ schützen

Richard David Precht | Foto: Henrik Andree
Richard David Precht | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 14.02.2019

Foto: Henrik Andree
Wie verändern soziale Medien unser Selbstbild, wenn die digitale und analoge Realität immer mehr verschmelzen? Wer bestimmt über unsere digitale Identität? Ist unser europäisches Verständnis von Privatsphäre ein Auslaufmodell – oder Vorbild für den Rest der Wert? Über diese und andere spannende Fragen diskutierte ein hochkarätig besetztes Podium im Telefónica BASECAMP. Titel der Veranstaltung: „Wem gehört unser digitales Ich – Die Zukunft der digitalen Identität.

Wie vielschichtig das Thema Identität in der digitalen Welt ist, deutete der Philosoph und Buchautor Richard David Precht in seinem Eröffnungsvortrag an. Er unterscheidet in drei Arten von Identität, die heute das digitale Leben bestimmen: Unsere „offizielle Identität“, mit der wir uns bei Bankgeschäften oder Einkäufen identifizieren.

Richard David Precht | Foto: Henrik Andree

Das „selbstkonstruierte Ich“, mit dem wir uns möglichst vorteilhaft in sozialen Netzen präsentieren. Und als drittes die „anonyme Identität“, mit der ein Nutzer bewusst seine Privatsphäre schützt, was allerdings auch zu Hasskommentaren und unsozialem Verhalten führt. „Die Frage ist, wer sichert meine Identität?“, so Precht.

Kontrolle im Netz ist eine Illusion

Nach Ansicht von Marco Preuss, Forschungsdirektor bei Kaspersky Lab, ist es eine „Illusion“, wenn Nutzer heute glauben, dass sie Kontrolle über ihre Daten im Netz hätten. Kaum ein Anwender wisse, welche Daten das eigene Smartphone sammelt, geschweige denn was in den sozialen Medien über jeden Nutzer an Daten gespeichert ist. Der Datenmissbrauch sei bei Internetkonzernen wie Facebook und Google das „Geschäftsmodell“, kritisierte Precht.

Dr. Astrid Carolus, Markus Haas, CEO Telefónica Deutschland, Moderator Ali Aslan, Richard David Precht, Ruedi Noser und Marco Preuss | Foto: Henrik Andree

Heute sind Profile und damit digitale Identitäten meist im Besitz von Internetfirmen. Der Nutzer kann sie nicht löschen. Dabei ist ungeklärt: Was passiert mit den Millionen von Profilen und Identitäten von Toten, wenn die heutigen Nutzer in den kommenden Jahrzehnten sterben? Werden die Netzwerke voll von „verglommenen Sternen sein?“, fragte Precht. Erleben wir ein „Internet, das nie vergisst?“, ergänzte Moderator Ali Aslan.

Telefónica Deutschland setzt auf Datensouveränität

Bei vielen Menschen gebe es „den großen Wunsch nach Datenschutz und dass Anonymität funktioniert“, erklärte CEO Markus Haas. Telefónica Deutschland setzt deshalb konsequent auf Datensouveränität: Die rund 50 Millionen Kunden des Unternehmens haben jederzeit volle Transparenz und Kontrolle über die Nutzung ihrer Daten. Auch für den Einsatz von künstlicher Intelligenz hat sich das Unternehmen klare Prinzipien gegeben, die einen ethischen Einsatz der Technik sicherstellen. „Das ist mir persönlich wichtig. Ich sehe das als einen Teil unseres europäischen Wertesystems“, betonte Haas.

Richard David Precht und Telefónica Deutschland CEO Markus Haas | Foto: Henrik Andree

Nach Ansicht von Ruedi Noser, Ständerat des Kantons Zürich, muss Europa diese Werte schützen und stärken. „Es wird einen Wettbewerb der Wertemodelle geben. Als Europa haben wir hier gute Karten“, sagte Noser mit Blick auf China und die USA. Das Internet, das heute vor allem eine „Informationsplattform“ sei, werde sich wandeln. „Was dazu kommt, sind Werte und Vertrauen“, so Noser.

Paradox: User wollen Datenschutz, handeln aber nicht danach

Für die Medienpsychologin Astrid Carolus ist es ein „Paradox“: Auf einer rationalen Ebene wünsche sich jeder Nutzer Transparenz über seine Daten und den Datenschutz. Auf einer emotionalen Ebene, im täglichen Handeln, würden die meisten Nutzer aber unbedenklich alle Arten privater Informationen in den sozialen Netzwerken teilen.

Ruedi Noser, Markus Haas, CEO Telefónica Deutschland, Dr. Astrid Carolus und Richard David Precht | Foto: Henrik Andree

Erst so langsam erkennen in Gesellschaft und Politik, dass sich mit dem Internet etwas verändert.“ Deshalb sei es umso wichtiger, dass Kinder und Jugendliche schon früh in der Schule und zu Hause Medienkompetenz lernen. Denn die analoge und die digitale Welt seien gerade bei jungen Leuten „nicht mehr getrennt“, so Carolus.

Staat, Privatwirtschaft oder ein „dritter Weg“?

Keine Einigkeit herrschte unter den Diskussionsteilnehmern, welche Rolle künftig der Staat einnehmen soll, um einen Schutz von Daten und digitalen Identitäten zu ermöglichen. Können marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen den notwendigen Schutz des einzelnen Nutzers allein sicherstellen? Die jüngsten Erfahrungen mit Internet-Konzernen wie Facebook & Co. lassen daran Zweifel aufkommen. Aber auch staatliche Kontrollen im Internet – siehe China – sind offenbar keine Lösung. Der Philosoph Precht plädierte deshalb für einen „dritten Weg“. Das Ziel müsse sein, das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ auch im Netz sicherzustellen.

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