#DataDebates: Spitzenkandidaten präsentieren Programme zur Europawahl

Valentina Daiber, Foto: Henrik Andree
Valentina Daiber, Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 29.04.2019

Valentina Daiber. | Foto: Henrik Andree
Am 25. April war es wieder soweit: Die Tagesspiegel Data Debates fanden zum zwölften Mal im Telefónica BASECAMP statt. Im Fokus stand dieses Mal die digitale Agenda der EU. Vier Wochen vor der Stimmabgabe diskutierte der Tagesspiegel-Chefredakteur Matthias Müller von Blumencron mit den deutschen Spitzenkandidaten für die Europawahl über Themen wie Datenschutz, Regulierung oder den Sinn einer Digitalsteuer.

Wen würden Sie wählen, wenn heute schon EU-Wahl wäre? „Die Grünen“, antworteten 37 Prozent der Befragten schon vor Beginn der Veranstaltung. Dieses Ergebnis sorgte für die erste Überraschung des Abends, doch es sollte nicht die letzte bleiben. Nach der Begrüßung durch Matthias Müller von Blumencron eröffnete Valentina Daiber die Debatte mit einem engagierten Appell: „Europa muss ein Garant bleiben für einen stabilen Rechtsrahmen, der Fairness, Wachstum und Fortschritt ermöglicht“, sagte die Vorständin für Recht und Corporate Affairs von Telefónica Deutschland. „Um unseren Wohlstand dauerhaft zu sichern, muss Europa alles daransetzen, dass wir im digitalen Zeitalter global wettbewerbsfähig bleiben.“ Das sei eine zentrale Herausforderung, die bei der Europawahl im Vordergrund stehen müsse. 

Valentina Daiber. | Foto: Henrik Andree

Nicola Beer knüpfte in der anschließenden Diskussion direkt daran an: „Es fehlt eine Digitalstrategie“, kritisierte die EU-Spitzenkandidatin der FDP. Wir drohen im internationalen Wettbewerb zurückzufallen.“ Nach einer mäßigen ersten Halbzeit komme es nun darauf an, die zweite Halbzeit zu nutzen, um Europa im Digitalbereich besser zu positionieren. Dafür müsse beispielsweise das Wettbewerbs- und Kartellrecht reformiert werden. „Statt von den USA und China gestaltet zu werden, müssen wir künftig selbst die Normen setzen„, forderte Beer.

Digitalsteuer: Mehr Einnahmen oder weniger Exporte?

Vor allem bei der Debatte über eine Digitalsteuer gingen die Meinungen auseinander. Es dürfe nicht entscheidend sein, wo der Briefkasten einer Firma steht, sondern wo sie ihre Gewinne erwirtschaftet, sagte beispielsweise Özlem Alev Demirel. „Es muss klare Regeln für Großkonzerne geben“, forderte die Spitzenkandidatin der Linken. „Wenn sie diese nicht achten, haben sie keinen Platz im Binnenmarkt verdient.“ Eine einheitliche europäische Digitalsteuer müsse Großkonzerne endlich in die Pflicht nehmen. Hildegard Bentele gab dagegen zu bedenken, dass sich eine Digitalsteuer nachteilig auf die deutschen Exporte auswirken könne. Dennoch stehe außer Frage, dass die Monopolisten stärker nach europäischen Regeln spielen müssen, sagte die EU-Spitzenkandidatin der CDU Berlin. Mit der Datenschutzgrundverordnung habe man in Europa bereits einen guten Weg eingeschlagen.

Özlem Alev Demirel. | Foto: Henrik Andree

Sven Giegold sprach sich ebenfalls für eine Digitalsteuer aus. „Kleine Unternehmen zahlen normal ihre Steuern und große Konzerne verschieben ihre Gewinne in Steueroasen. Dem kann man nicht tatenlos zusehen„, sagte der Spitzenkandidat der Grünen, der bereits seit zehn Jahren im EU-Parlament sitzt. Außerdem plädierte er für eine europaweite Digitalaufsicht, die ähnlich wie die Bankenaufsicht funktionieren soll: „Europas Regierungen sollten sich zu einer EU-Digitalaufsicht bekennen“, sagte er. „Nur so kann ein Gegengewicht zu den mächtigen Digitalkonzernen entstehen.Patrick Breyer verwies darauf, dass man in der ganzen Diskussion oft vergesse, was für eine wichtige Handelsware unsere Daten für die digitalen Großkonzerne seien. „Sie sind ein sensibles Gut“, sagte der Spitzenkandidat der Piraten. Darum schlug er unter Applaus vor, die Höhe einer Digitalsteuer an die Menge der verarbeitenden Daten zu knüpfen.

Mehr Wettbewerb: Datenkartellrecht oder Interoperabilität?

Doch wie soll die EU mit den Monopolisierungstendenzen auf den digitalen Märkten umgehen? Patrick Breyer und Sven Giegold forderten mehr Wettbewerb sowie eine gesetzliche Pflicht zur Interoperabilität: Nur wenn die Nutzer problemlos zwischen Diensten wie WhatsApp oder Threema kommunizieren könnten, sei ein echter Wettbewerb unter den Anbietern möglich. Auch Nicola Beer und Hildegard Bentele plädierten für einen stärkeren Wettbewerb nach EU-Vorgaben, doch dafür müsse zuerst ein „Datenkartellrecht“ geschaffen werden. Für Özlem Alev Demirel sind das aber nur Zwischenlösungen. Vielmehr müsse im EU-Parlament ernsthaft über eine Vergesellschaftung von Facebook, Google und Co. diskutiert werden, sagte die Spitzenkandidatin der Linken.

Patrick Breyer, Mathias Müller von Blumencron, Hildegard Bentele, Özlem Alev Demirel, Nicola Beer, Valentina Daiber und Sven Giegold. | Foto: Henrik Andree

Einigkeit herrschte dann wieder beim Vorschlag der CDU-Spitzenkandidatin, deutlich mehr in die Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) zu investieren. Die EU müsse den richtigen Rahmen für mehr Grundlagenforschung setzen. Doch beim nächsten Thema gingen die Meinungen erneut auseinander: Der Datenschutz ist für die FDP zwar ein wichtiges, aber nicht das einzige Ziel. Für die EU-Spitzenkandidatin Nicola Beer steht mehr die digitale Medienkompetenz der breiten Bevölkerung im Vordergrund.

Sonntagsfrage zur EU-Wahl: Erdrutschsieg für Grüne

Özlem Alev Demirel von der Linken sieht dagegen den Datenschutz als zentralen Bestandteil der digitalen Bürgerrechte, den man „europaweit verteidigen“ müsse. Auch für die Grünen darf er nicht an zweiter Stelle stehen. „Sicherheit, Bürgerrechte und starker Datenschutz sollten zentrale Merkmale des Digitalstandortes Europa werden„, sagte Spitzenkandidat Sven Giegold. Und Patrick Breyer von den Piraten warnte sogar vor einem „Überwachungskapitalismus durch den Datenklau großer Unternehmen“. Es kamen starke Argumente von allen Parteien.

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Am Ende der Veranstaltung wurden die Zuschauer deshalb erneut gefragt, für wen sie bei der Europawahl stimmen würden. Das Ergebnis kam einem Erdrutsch gleich: Die Grünen lagen wieder vorn, doch sie konnten ihren Anteil fast verdoppeln und kamen auf 67 Prozent. Mit so einer Zweidrittelmehrheit kann man im Bundestag sogar die Verfassung ändern. Während auch die FDP ein paar Prozentpunkte zulegte, mussten CDU, SPD und Linke bei der zweiten Abstimmung teilweise große Verluste hinnehmen. Nach der Debatte im Telefónica BASECAMP waren die Präferenzen des Publikums deutlich erkennbar. Aber wie die Wahl in Europa ausgeht, bleibt immer noch spannend.

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