#BTW21: Die digitalpolitischen Forderungen von Industrie und Digitalwirtschaft

Grafik: BASECAMP
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Veröffentlicht am 18.03.2021

Das Wahljahr ist eingeläutet, der Blick der Parteien bereits auf die Bundestagswahl am 26. September gerichtet. Was wünschen sich Industrie und Digitalwirtschaft von der nächsten Bundesregierung? Wir haben einen Blick in die Positionspapiere geworfen.

Vergangenen Sonntag läuteten die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz das Superwahljahr 2021 ein. Am 6. Juni folgt Sachsen-Anhalt. Die Wahlen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen finden dann zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September statt. Im Laufe des vergangenen Jahres wurden wir als Individuen aber auch Deutschland als Gesellschaft, Staatswesen und Volkswirtschaft durch die Corona-Pandemie enorm herausgefordert – Stärken und Schwächen traten noch einmal deutlicher zutage. Die Bundestagswahl wird dadurch zu einer Abstimmung über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wer konnte mit gutem Krisenmanagement überzeugen, wer zieht die richtigen Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen der vergangenen Monate und wer überzeugt mit seiner oder ihrer Programmatik und den Zielen für die Zukunft?

In einer neuen Serie zur Bundestagswahl 2021 (#BTW21) wollen wir Euch bis in den September hinein über die digitalpolitischen Positionen der Parteien, die Forderungen aus Wirtschaft und Gesellschaft sowie über die Einschätzung ausgewählter Digital-Expert:innen informieren. Zum Auftakt befassen wir uns mit den Positionspapieren des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) sowie des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi), des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des Verbands der Internetwirtschaft (eco).

Drängende Lösung bekannter Probleme

Da Deutschland sowohl beim Netzausbau als auch bei der Digitalisierung der Verwaltung sowie der Unternehmen weiterhin Nachholbedarf hat, drehen sich die Forderungen der Verbände auch in weiten Teilen darum, bekannte Probleme endlich anzupacken und zu lösen. Dabei sind einzelne Themen, wie die digitale Bildung, durch die Corona-Pandemie noch einmal stärker in den Fokus gerückt. Trotz des digitalen Rückstands ist für den BDI aber noch längst nicht aller Tage Abend. „Wenn es gelingt, Industriedaten zu smarten Produkten und Dienstleistungen weiterzuentwickeln, kann Deutschland seine Weltmarktstellung als führender Maschinenausrüster behaupten“, unterstreicht der Industrieverband.

Aber was ist dafür nötig? Ohne von einem Digitalministerium zu schreiben, wünscht sich der BDI doch „eine zentrale digitalpolitische Koordinierungsstelle mit Expertise, mit umfangreichen Ressourcen und klaren Kompetenzen“. Darüber hinaus sollen Bund und Länder ihre Digitalstrategie abstimmen und am Markt als starker Nachfrager digitaler Lösungen auftreten. Digitale Innovationen sollen zudem in weiteren Reallaboren erprobt und deren Erfahrungen zur Gesetzgebung genutzt werden – auch auf europäischer Ebene. Als ein Anwendungsfeld nennt der BDI industrielle KI-Anwendungen.

Digitale Infrastruktur

Die Grundlagen für die Entwicklung digitaler Produkte und Dienstleistungen seien aber weiterhin der Aufbau einer zukunftsfähigen digitalen Infrastruktur sowie eine „smarte“ Datenpolitik. Der BDI fordert daher „klare Regeln für alle 5G-Hersteller sowie innovations-freundliche und investitionsstimulierende Rahmenbedingungen“. Darüber hinaus seien glasfaserbasierte gigabitfähige Netze Voraussetzung für die flächendeckende digitale Transformation. Auch BITMi, BVMW und eco pochen gemeinsam auf einen „unbürokratischen und technologieoffenen Ausbau des Breitbandinternets. Dabei solle auf Glasfaser, Mobilfunk und Satellitenkommunikation gesetzt werden.

Grafik: Shutterstock/kanvictory und SVG Repo/CC0 1.0

Der Bitkom hebt hervor, dass 11 Milliarden Euro an Fördergeldern für den Breitbandausbau bereitstehen, bisher aber nur ein Bruchteil davon abgerufen wurde. Baufreigaben durch die Kommunen müssten daher „schneller und einfacher“ erfolgen. Der Verband wünscht sich eine Anzeigepflicht statt einer Zustimmungserfordernis für Bauvorhaben und eine Digitalisierung aller Verwaltungsverfahren. Bei der Vergabe von Mobilfunkfrequenzen plädiert der Verband dafür, eine europaweit koordinierte Strategie zu entwickeln, die auch die Vergabe weiterer Frequenzen vorsieht. Generell müsse die Regulierung künftig für mehr Planungssicherheit sorgen.

Datenpolitik

In der Datenpolitik pocht der BDI wiederum auf mehr Rechtssicherheit. Es brauche geeignete Rahmenbedingungen, „damit Unternehmen Zugang zu Daten anderer wirtschaftlicher Akteure erhalten oder solche Daten in Form von Kooperationen austauschen und wechselseitig nutzen können“. Darüber hinaus mangele es aktuell an Orientierungshilfen für ein zulässiges Verhalten“ in Bezug auf den Datenschutz. Der BDI wünscht sich deshalb ein rechtssicheres und allgemein anerkanntes Verfahren zur Anonymisierung personenbezogener Daten, „um einerseits DSGVO-konform zu handeln und andererseits die enormen wirtschaftlichen Potenziale digitaler Geschäftsmodelle optimal nutzen zu können“.

BITMi, BVMW und eco sehen den Datenschutz ebenfalls als zentrale Herausforderung in der Datenpolitik. Sie fordern ebenfalls eine „rechtssichere Ausgestaltung“ sowie ein modernes Urheberrecht. Darüber hinaus mahnen sie eine bessere Interoperabilität durch Standardisierung in der IT an.

Souveränität und Sicherheit

Ein weiterer Punkt auf der Liste der Verbände ist die digitale Souveränität Deutschlands und Europas. Hierfür sei es vor allem notwendig, Technologien zielgerichteter zu fördern sowie Kompetenzen auf- und auszubauen. „Ausgerechnet in der Technologiepolitik ist jedoch die Gießkanne das Instrument der Wahl“, moniert der Bitkom. Die 30 Milliarden Euro pro Jahr an F&E-Förderung sollten stattdessen in Technologien fließen, bei denen Deutschland eine gute Ausgangsbasis hat und sich die globalen Märkte zudem überdurchschnittlich stark entwickeln, „wie z. B. beim autonomen Fahren oder der KI-gestützten Medizin“. Der BDI zählt darüber hinaus Mikro- und Nanoelektronik, Blockchain und Quantentechnologie für die industrielle Anwendung als zu fördernde „Schlüsseltechnologien“ auf.

Was die Cybersicherheit anbelangt, wünscht sich der BDI mehr Kooperation von staatlichen Stellen und privatwirtschaftlichen Organisationen. Dazu könne sowohl der Nationale Cyber-Sicherheitsrat als auch die Allianz für Cybersicherheit genutzt werden. Darüber hinaus fordert der Verband die Bundesregierung auf, sich in Europa für eine „starke Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ohne Hintertüren und ‚Generalschlüssel'“ einzusetzen. Staatliche Stellen sollten zudem dazu verpflichtet werden, Unternehmen direkt über bekanntgewordene Schwachstellen und Backdoors in IT-Lösungen zu informieren, unterstreicht der Verband. „Etwaige Verpflichtungen des BSI, an einem Offenhalten von Schwachstellen mitzuwirken, laufen Gefahr, der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Bundesamt, Wirtschaft und Gesellschaft entgegenzuwirken.“

Digitaler Staat

Der Bitkom betrachtet zudem die Digitalisierung des gesamten öffentlichen Sektors als „praktizierte Krisenvorsorge“. Diese führe außerdem zu einer bürgerfreundlicheren, reaktionsschnelleren, umweltschonenderen und kostensparenden Verwaltung. Um Druck zu machen, will der Verband sämtliche analogen Verwaltungsprozesse mit einem Verfallsdatum versehen. Aber auch der BDI will die Digitalisierung der Verwaltung für die Entbürokratisierung und Entlastung von Unternehmen nutzen. Alle Behördengänge sollten daher künftig über eine integrierte Plattform für wirtschaftsbezogene Verwaltungsleistungen abgewickelt werden können.

Neben der Modernisierung der Verwaltung steht die Reform und Digitalisierung des Bildungssystem auf der Wunschliste der Wirtschaftsverbände. BITMi, BVMW und eco wollen Informatik und Programmieren in den Lehrplänen ab der Grundschule verankern und lebenslanges Lernen für Arbeitnehmer:innen realisieren. Aus Sicht des Bitkom braucht es für eine bessere digitale Bildung mehr Engagement des Bundes und eine „Föderalismusreform 3.0“. Für die berufliche Bildung fordert der Verband einen „Weiterbildungsmonitor“. Dieser soll Arbeitnehmer:innen helfen ihren Fortbildungsbedarf und dazu passende Weiterbildungsangebote zu identifizieren. „Digitale Streetworker“ sollen Menschen, denen die digitale Welt bisher verschlossen ist, helfen, sich im Netz zurecht zu finden und sie beispielsweise bei digitalen Behördengängen unterstützen.

Hebel für Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Zu guter Letzt sehen die Verbände in der Digitalisierung einen zentralen Hebel, um die Klimaziele zu erreichen und nachhaltiger zu wirtschaften. „Mit digitalen Lösungen können wir den derzeit für 2030 prognostizierten CO2-Ausstoß in Deutschland um bis zu 37 Prozent senken, betont der Bitkom. Möglich werde dies unter anderem durch den Einsatz von Smart Grids, intelligenten Verkehrssystemen und einer KI-gestützten Optimierung von Warenflüssen. Insgesamt könne die Digitalisierung für einen „massiven Effizienzschub in vielen Sektoren sorgen. Der BDI sieht das ähnlich. Die Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen seien „ohne die katalytische Kraft von Innovationen, insbesondere aus dem Bereich der Digitalisierung“ nicht erreichbar. Neben dem Aspekt des Klimawandels müssten digitale Lösungen daher auch dafür genutzt werden, um die Ressourceneffizienz zu steigern, die Biodiversität zu erhalten und die Meeresverschmutzung zurückzufahren.

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