#BTW21: Was fordern die Digitalverbände?

Foto: Pixabay User mohamed_hassan | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet| Farbe angepasst
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Veröffentlicht am 16.07.2021

Was wünscht sich die Internet- und Digitalwirtschaft von der nächsten Bundesregierung? Nach dem digitalpolitischen Vergleich der Parteiprogramme schauen wir nun auf die Forderungen und Vorschläge der Digitalverbände.

Das Superwahljahr 2021 nähert sich langsam, aber sicher seinem Höhepunkt. Nachdem wir im März bereits einen Blick in die Positionspapiere von Industrie und Digitalwirtschaft geworfen haben und derzeit die Wahlprogramme der Parteien einem ausführlichen Vergleich unterziehen, sollen hier die aktuellen digitalpolitischen Forderungen der drei großen Verbände der Internet- und Digitalwirtschaft betrachtet werden: des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), des Verbands der Internetwirtschaft (eco) und des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW).

Bitkom: Mit digitaler Souveränität, Nachhaltigkeit, Teilhabe und Resilienz in die Zukunft

Logo: Budesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom e.V.)

Der Branchenverband Bitkom hat unter dem Motto Nachhaltig, souverän, resilient: Deutschlands digitale Dekade bereits vor einiger Zeit ein umfangreiches und breit ausgerichtetes Positionspapier zur Bundestagswahl vorgelegt. Darin werden auf vier Handlungsfeldern eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht, wie die Digitalisierung in Deutschland vorangebracht werden soll. Hier die wichtigsten in der Zusammenfassung:

  • Digitale Souveränität: Durch mehr Investitionen und Innovationen in Schlüsseltechnologien soll die Selbstbestimmung Deutschlands im digitalen Raum gestärkt werden. Von der nächsten Bundesregierung wird gefordert, Fördermittel künftig auf die Bereiche und Technologien zu konzentrieren, „bei denen Deutschland eine gute Ausgangsbasis hat und sich die globalen Märkte zudem überdurchschnittlich stark entwickeln, wie zum Beispiel beim autonomen Fahren oder der KI-gestützten Medizin.“ Zudem wird die Bedeutung von leistungsfähigen und sicheren Infrastrukturen und Netzen hervorgehoben, die etwa durch schnellere „Planungs- und Genehmigungsverfahren“ oder „moderne Satelliten-Lösungen“ gestärkt werden sollen.
  • Nachhaltigkeit: Digitale Lösungen sollen dazu beitragen, die Nachhaltigkeits- und Klimaziele Deutschlands schneller zu erreichen, zum Beispiel durch „Smart Grids, smarte Mobilitätsdienstleistungen oder die KI-gestützte Optimierung von Warenflüssen.“ Als weitere Möglichkeit werden „Smart-Home-Anwendungen zur intelligenten Heizungs-, Licht- und Gerätesteuerung“ Um solche Anwendungen durch Beratungsangebote und finanzielle Anreize stärker zu verbreiten, fordert Bitkom ein Bundesprogramm „Nachhaltiger digitaler Alltag“.
  • Teilhabe: Für eine bessere digitale Bildung soll die nächste Bunderegierung aus der Sicht des Verbands eine „Föderalismusreform 3.0“ zu einem ihrer zentralen Projekte machen, damit der Bund gegenüber den Ländern und Schulen mehr Verantwortung übernehmen kann. Die berufliche Bildung von Arbeitnehmer:innen soll durch einen „Weiterbildungsmonitor“ unterstützt werden. Und „digitale Streetworker“ sollen Menschen, denen die digitale Welt bisher verschlossen ist, dabei helfen, sich im Netz oder bei digitalen Behördengängen zurecht zu finden.
  • Resilienz: Mit Blick auf die mangelnde Vorbereitung der öffentlichen Verwaltung und ihrer IT-Infrastruktur auf eine Krise wie die Corona-Pandemie fordert Bitkom die umfassende „Digitalisierung und Modernisierung von Bund, Ländern und Kommunen“, um „Verwaltungsverfahren zu beschleunigen und staatliche Akteure in ihrer Aufgabenwahrnehmung zu stärken.“ Deshalb sollen Verwaltungsprozesse flächendeckend digitalisiert und ihre analoge Form mit einem Verfallsdatum versehen werden.

Darüber hinaus hat Bitkom in dem fast 70-seitigen Positionspapier noch einige weitere Handlungsempfehlungen für die neue Legislaturperiode gesammelt: etwa die Einführung eines Digitalministeriums, die Etablierung digitaler Identitäten, die Stärkung öffentlicher Blockchain-Projekte und -Förderung, die Gründung eines deutschen „Open-Data-Instituts“ (ODI) oder den Aufbau eines gemeinsamen Smart-City-Rats zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

eco: Eine „internetpolitische Agenda“

Logo: eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.

Weniger umfangreich als bei Bitkom, aber ebenfalls vielseitig fallen die 20 Forderungen des Verbands der Internetwirtschaft (eco) zur Bundestagswahl aus: Gleich an erster Stelle steht der Wunsch nach einem Digitalministerium „mit ressortübergreifenden Kompetenzen“, gefolgt von der Forderung nach einer Digitalstrategie „mit klaren und messbaren Zielen.“

Weitere Themen, die auch bei Bitkom eine Rolle spielen, betreffen die digitale Souveränität, mehr Partizipation und Teilhabe durch Digitalisierung oder die Nachhaltigkeitspotenziale digitaler Technologien. Speziell beim Punkt Nachhaltigkeit fordert eco von der Politik die

„Ermöglichung der systematischen Abwärmenutzung von Rechenzentren, einen flächendeckenden Ausbau von Gigabit-Infrastrukturen und den Einsatz von 5G-Technologien.“

Darüber hinaus setzt der kleine aber traditionsreiche Verband auch einige andere Akzente, etwa mit dem Einstehen für das Prinzip der Netzneutralität, die Betonung von Freiheitsrechten gegenüber „Ermittlungen und Strafverfolgung im Netz“ oder auch mit der Forderung, dass ein „gemeinsamer Ansatz für die Gestaltung von IT-Sicherheit im Dialog von Politik, Anwender:innen und Anbietern erarbeitet werden sollte.

Mehrfach insistiert eco zudem auf klare, faire Regeln und europaweit einheitliche Rahmenbedingungen – sei es für KI-Produkte, den Datenschutz und -zugang oder die Betreiber von Gigabitnetzen. Hervorgehoben wird dabei auch die Bedeutung eines funktionierenden Wettbewerbs für alle Unternehmen und ihre „international einheitliche, klare und verhältnismäßige“ Besteuerung, denn „digitale Geschäftsmodelle dürfen nicht diskriminiert werden“, so eco.

BVDW: Prioritäten der Datenwirtschaft und der Digitalisierungsvorbehalt

Logo: Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V.

Im Vergleich zu eco kommt der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) mit nur 10 Forderungen an eine neue Bundesregierung aus, die dafür detaillierter definiert werden. Auf Platz 1 seiner „Schlüsselthemen“ liegt die Unterstützung der Datenwirtschaft durch ein „möglichst hochgradig harmonisiertes rechtssicheres Umfeld“, digitale Souveränität oder „eine verstärkte Open-Data-Kultur des öffentlichen Sektors sowie für Daten der Forschung unter Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen.“ In dem Zusammenhang wird zweitens eine Weiterentwicklung des Datenschutzes und auch der Datensicherheit gefordert.

Weitere Schlüsselthemen des BVDW betreffen die Anerkennung von Online-Werbung als ein „Pfeiler der digitalen Wirtschaft“, den fairen Wettbewerb in digitalen Märkten (zum Beispiel durch den Digital Services Act/Digital Markets Act der EU oder eine Digitalsteuer), die Bekämpfung illegaler und schädlicher Inhalte im Internet sowie die Förderung von Künstlicher Intelligenz durch einen Open-Data-Ansatz und „rechtssichere Haftungsregelungen.“ Eine Forderung, die sich weniger an die Politik als an die Unternehmen der Digitalwirtschaft selbst richtet, betrifft den Wandel in der Unternehmenskultur und die Verankerung von Digital Responsibility.

Darüber hinaus thematisiert der BVDW viele Aspekte einer „Smart World“, die auch bei den anderen beiden Verbänden eine Rolle spielen: politische Anreize für intelligente Mobilität und Smart Cities etwa im Städte- und Wohnungsbau oder bei der Energieversorgung. Gefordert wird aber auch die elektronische Patientenakte und „digitales Gesundheits-Know-how“. Eine Besonderheit stellt jedoch die Forderung dar, neben einem Digitalministerium auch einen Digitalisierungsvorbehalt für alle Gesetzesvorhaben einzuführen. Dieser Vorbehalt soll es ermöglichen,

„alle Maßnahmen und gesetzgeberischen Initiativen des Bundes auf den Digitalisierungsgrad zu prüfen. Sollte die Digitalisierung nicht mitgedacht worden sein, muss es möglich sein, Projekte/Gesetzesvorschläge zunächst zurückzuverweisen und neu zu justieren.“

Sollte die Politik nach der Bundestagswahl dieser Forderung tatsächlich entsprechen, käme das fast schon einer kleinen digitalpolitischen Revolution gleich – und würde die Umsetzung vieler anderer Digitalisierungsvorhaben deutlich erleichtern. Wie realistisch das ist, lässt sich momentan noch nicht absehen.

Kommt das Digitalministerium?

Es verdichten sich allerdings die Zeichen, dass zumindest ein neues „Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation“ (so die Formulierung im Wahlprogramm der Union) mit der nächsten Regierung Realität werden könnte. Dies begrüßen Bitkom, BVDW und eco ausdrücklich, fordern von den Parteien aber auch eine Konkretisierung der derzeitigen Pläne, besonders was die Zuständigkeiten eines Digitalministeriums betrifft.

Es bleibt abzuwarten, welche Rolle dieses Thema und die weiteren digitalpolitischen Forderungen bis zur Wahl am 26. September und in den anschließenden Koalitionsverhandlungen noch spielen werden.

Grafik: BASECAMP

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