Nach der Bundestagswahl: Digitalpolitische Forderungen vor den Koalitions­verhandlungen

Foto: Pixabay User geralt | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 12.10.2021

Zwei Wochen nach der Bundestagswahl nehmen die Verhandlungen über die nächste Regierung Fahrt auf. Die Digitalisierung wird in den nun startenden Sondierungsgesprächen zwischen SPD, Grünen und FDP zwar eine Rolle spielen, dürfte sich aber eher nicht zu einem großen Streitpunkt entwickeln. Welche zentralen digitalpolitischen Erwartungen und Wünsche vonseiten der Wirtschaft und Zivilgesellschaft jetzt an die möglichen Koalitionäre herangetragen werden, möchten wir hier kurz zusammentragen.

Logo: eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.

Eco, der Verband der Internetwirtschaft, veröffentlichte am Tag nach der Wahl eine eigene Erklärung und fordert darin, „dass Digitalpolitik der rote Faden des Koalitionsvertrags sein muss.“ Als Schlüssel zur Bewältigung der größten aktuellen Herausforderungen dürfe die digitale Transformation nicht weiter aufgeschoben werden. Strategische Digitalthemen wie die Regulierung von Daten, Diensten und Netzen sollten ein integraler Bestandteil der Regierung und des Koalitionsvertrags sein. Für eine gebündelte Steuerung und Koordinierung brauche es zudem ein federführendes Digitalministerium.

 „Wir brauchen ein zentrales Digital-Ressort, welches die großen Linien einer digitalen Agenda im Blick behält, die Fäden zusammenführt, und über die Kompetenzen sowie budgetären und personellen Ressourcen verfügt, ressortübergreifend digitalpolitische Maßnahmen von strategischem Interesse für die Bundesregierung umzusetzen.“ (Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender von eco)

Eco drückt zudem auf das Tempo bei der Regierungsbildung und verweist auf die monatelangen, letztlich aber gescheiterten Sondierungsgespräche nach der letzten Bundestagswahl 2017. Weitere Forderungen und Handlungsempfehlungen des Verbands haben wir vor der Wahl bereits hier ausführlich vorgestellt.

Bitkom: Mehrheit wünscht sich ein Digitalministerium

Logo: Budesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom e.V.)

Noch schneller als eco war der Branchenverband Bitkom mit seiner Stellungnahme direkt am Wahlabend. Darin betont Bitkom-Präsident Achim Berg, dass es bei den Anhänger:innen der Parteien, die für eine Regierung infrage kommen, eine klare Mehrheit für ein eigenständiges und starkes Digitalministerium gibt. Die Digitalisierung gehe zudem alle an und ihre politische Gestaltung dulde keinen Aufschub mehr – insbesondere bei der Digitalisierung von Schulen, der Sicherung von Arbeitsplätzen in der digitalen Wirtschaft und der Modernisierung der Verwaltung. Eine „Koalition der Vernunft“ brauche deshalb ein ambitioniertes und zugleich realitätsnahes Programm. In einer zweiten Stellungnahme zu den Vorsondierungen der Parteien mahnt Bitkom zudem einen Digitalvorbehalt an, also eine Prüfung aller politischen Vorhaben auf ihre Digitalisierungswirkung.

 „Die Digitalwirtschaft erwartet von der künftigen Bundesregierung kein digitales Klein-Klein, sondern den längst überfälligen, großen digitalpolitischen Wurf.“  (Achim Berg, Präsident von Bitkom)

BDI: Mehr Konsequenz bei der Digitalisierung

Logo: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

Neben den Digitalverbänden hat sich auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu den anstehenden Koalitionsverhandlungen positioniert und Vorschläge für den Standort Deutschland formuliert. Mit Blick auf die Digitalisierung konstatiert der BDI ein eklatantes Defizit in Verwaltung und Bildung sowie bei der Förderung digitaler Schlüsseltechnologien. Um die Digitalisierung endlich stärker voranzutreiben, benötige die Politik mehr Entschlossenheit sowie ReformenInvestitionsanreize für Unternehmen und schnellere öffentliche Investitionen. Die Digitalpolitik solle vor allem dafür sorgen, dass digitale Systeme in allen Bereichen und besonders in der öffentlichen Verwaltung schneller verbreitet werden. Viele konkrete Empfehlungen – etwa zur digitalen Infrastruktur, smarten Datenpolitik oder digitalen Souveränität – hat der BDI in einem zusätzlichen Positionspapier zusammengetragen, auf das wir bereits an früherer Stelle eingegangen sind.

Den Wahlausgang haben noch einige weitere Wirtschaftsverbände kommentiert und ihre Wünsche an die Parteien geäußert, wie eine Zusammenstellung des Digital Hub Cologne zeigt. Dabei werden bezüglich der Digitalisierung vor allem zwei Forderungen häufig hervorgebracht: zum einen der Wunsch nach einem koordinierenden Digitalministerium plus Digitalisierungsvorbehalt, zum anderen die Notwendigkeit einer schnellen Regierungsbildung, um bei der Digitalisierung keine weitere Zeit zu verlieren.

Forderungen aus der Zivilgesellschaft: CCC, Digitalcourage und Rat für Digitale Ökologie

Auch aus der organisierten Zivilgesellschaft gibt es nach der Wahl mittlerweile erste digitalpolitische Stellungnahmen. So hat der Chaos Computer Club (CCC) eine „Formulierungshilfe für Digitales im neuen Regierungsprogramm“ veröffentlicht – mit einer langen Liste an Maßnahmen für Bereiche wie Infrastruktur, Bildung, Verwaltung, Urheberrechte oder IT-Sicherheit. Am dringlichsten sieht der CCC dabei die Förderung von mehr Technikkompetenz in Schulen, Universitäten, Behörden und Ämtern sowie den Aufbau von IT-Kompetenzen beim Bund und in den Ländern an. Des Weiteren werden zum Beispiel eine stetige finanzielle Förderung von Open-Source-Software-Infrastruktur, eine effektive digitale Verwaltung „ohne Buzzword-Technologien“ oder die Einführung eines Verursacherprinzips bei IT-Sicherheitsproblemen gefordert.

Hinsichtlich der Themen Grundrechte und Datenschutz positioniert sich zum Beispiel auch der Verein Digitalcourage und formuliert 15 Prioritäten für die neue Bundesregierung. Dazu zählen insbesondere der Wunsch nach einer nachhaltigen digitalen Bildung, das Verbot von Tracking, personalisierter Werbung, Dark Patterns und biometrischer Überwachung sowie die Forderung, die Machtkonzentration bei großen Internetkonzernen durch mehr Regulierung einzuschränken.

„Die Digitale Transformation muss am Grundgesetz orientiert sein und dem Gemeinwohl dienen“ (Harald Welzer, Direktor der Stiftung Futurzwei und Sprecher des Rats für Digitale Ökologie)

Abschließend soll noch auf die Forderungen des Rats für Digitale Ökologie eingegangen werden, der als Think Tank alle Dimensionen der Digitalisierung begreifbar machen möchte. Damit nachhaltige Digitalpolitik ein Schwerpunkt im Koalitionsvertrag wird, hat der Rat ein 100-Tage-Programm für die neue Bundesregierung konzipiert. Im Zentrum der Forderungen steht dabei die Erweiterung des Grundgesetzes um den Schutz der digitalen Souveränität und Integrität der Bürger:innen. Mithilfe einer solchen Staatszielbestimmung soll erreicht werden, dass den Grundrechten auch in der digitalen Welt Geltung verschafft wird und der Staat dabei eine aktive Schutzfunktion übernimmt. Zudem soll ein agiles Ministerium für Digitale Transformation digitalpolitische Kernprojekte identifizieren, in ihrer Umsetzung überprüfen und vorantreiben. Ergänzend wird eine Digitalagentur gefordert, welche die anderen Fachressorts kompetent beraten und unterstützen soll. Weitere Schwerpunkte des vorgeschlagenen Programms betreffen die Bereiche digitale Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung der Verwaltung.

In den nächsten Tagen und Wochen folgen sicherlich noch weitere digitalpolitische Forderungen und Empfehlungen, bis die richtigen Koalitionsverhandlungen beginnen und endlich konkrete Inhalte öffentlich debattiert werden können.

Mehr Informationen:

Übersicht vor der Wahl #1: Was fordern die Digitalverbände?
Übersicht vor der Wahl #2: Was fordert die digitale Zivilgesellschaft?
Übersicht vor der Wahl #3: Was fordern die Verbände der digitalen Infrastruktur?

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