Europäisches Datengesetz: Worum geht es beim Data Act?

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Veröffentlicht am 18.03.2022

Daten gelten als eine der wichtigsten Ressourcen des digitalen Zeitalters. Um diese künftig wirtschaftlich besser nutzen zu können, strebt die Europäische Union dafür ein eigenes Datengesetz an: den Data Act. Was das bedeutet und wie der vor kurzem vorgestellte Entwurf der EU-Kommission aufgenommen wurde, fassen wir hier zusammen.

Ende Februar war es soweit: Die EU-Kommission präsentierte ihren Vorschlag für den geplanten Data Act, der als wichtiger Baustein der europäischen Datenstrategie zu einer fairen und innovativen Datenwirtschaft beitragen soll. Durch die vorgesehenen Maßnahmen zur Weiterverwendung von mehr Daten könnte das europäische Bruttoinlandsprodukt nach Schätzung der Kommission bis zum Jahr 2028 um 270 Milliarden Euro gesteigert werden.

„Bisher wird nur ein geringer Teil der Industriedaten genutzt, und das Wachstums- und Innovationspotenzial ist enorm. Das Datengesetz gewährleistet, dass Industriedaten unter voller Einhaltung der europäischen Vorschriften weitergegeben, gespeichert und verarbeitet werden.“ (Thierry Breton, EU-Kommissar für den europäischen Binnenmarkt)

Mehr Datennutzung durch mehr Mitsprache

Im Zentrum der Verordnung steht dabei die Neuregelung des innereuropäischen Zugangs und Austauschs von Daten. So soll insbesondere die Datennutzung zwischen Unternehmen sowie zwischen Behörden und Unternehmen erleichtert werden, mehr Klarheit über die Nutzungsrechte von nicht-personenbezogenen Daten herrschen und ein einfacherer Wechsel zwischen digitalen Diensten, wie zum Beispiel Cloud-Anbietern, möglich sein.

„Wir wollen Verbrauchern und Unternehmen noch mehr Mitspracherecht darüber einräumen, was mit ihren Daten geschehen darf, indem klargestellt wird, wer zu welchen Bedingungen Zugang zu den Daten hat.“ (Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin und EU-Kommissarin für Digitales)

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Konkret gewährt der geplante Data Act allen Nutzer:innen eines Produkts bzw. einer digitalen Dienstleistung das Recht, auf die bei der Nutzung erzeugten Daten zuzugreifen und sie mit Dritten ihrer Wahl teilen zu können. Auf diese Weise sollen Verbraucher und Unternehmen z.B. die Möglichkeit bekommen, die von ihren Geräten erzeugten Daten für anschließende Dienste, wie vorausschauende Wartung, zu verwenden.

Unterstützung für KMU, Behörden und beim Wechsel von Datendiensten

Nutzer:innen erhalten außerdem gegenüber Datenverarbeitungsdiensten das Recht auf einen Anbieterwechsel. Dementsprechend ist in der Verordnung auch ein Standardisierungsauftrag für die Interoperabilität solcher Dienste vorgesehen. Datenbanken, die Daten von Geräten und Objekten des Internets der Dinge enthalten, sollen künftig keinem gesonderten Rechtsschutz mehr unterliegen, um sie zugänglicher und leichter nutzbar zu machen.

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Es werden allgemeine Regeln für Dateninhaber festgelegt, die verpflichtet sind, einem anderen Unternehmen Daten zur Verfügung zu stellen. Auch sollen KMU durch eine Missbräuchlichkeitsprüfung vor nachteiligen Klauseln in Verträgen mit größeren Unternehmen über die gemeinsame Datennutzung geschützt werden. Für faire Verträge möchte die Kommission zudem unverbindliche Mustervertragsbedingungen bereitstellen.

Unternehmen werden darüber hinaus dazu verpflichtet, öffentlichen Stellen und Behörden die Daten zur Verfügung zu stellen, die unter besonderen Umständen des öffentlichen Interesses, etwa bei Notständen, erforderlich sind. Schließlich sieht der Entwurf zum Data Act auch Schutzmaßnahmen für den Drittlandtransfer von nicht personenbezogenen Daten vor, etwa wenn staatliche Behörden außerhalb der EU auf solche Daten zugreifen möchten und dies im Konflikt mit EU-Recht oder nationalem Recht stehen würde.

Wie der Entwurf bisher bewertet wird

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In der Summe könnten die verschiedenen Maßnahmen des Gesetzesvorhabens laut Experten eine ähnlich weitreichende Bedeutung erlangen wie die 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die weiterhin ausschlaggebend für den Umgang mit personenbezogenen Informationen bleibt. In Kombination mit dem Digital Services Act (DSA) wäre der Data Act zudem ein weiterer wichtiger Baustein im Gefüge der EU-Plattformregulierung.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begrüßte nach der Vorstellung des Entwurfs ausdrücklich die Initiative der EU-Kommission zum Data Act und attestierte diesem „das Potenzial, zum Turbo für die europäische Digitalwirtschaft zu werden“. Beim Zugang und der Nutzung von Daten dürfe nicht das Recht des Stärkeren gelten, sondern es brauche klare und faire Regeln für alle in der Wertschöpfungskette. Aus Sicht des deutschen Justizministeriums sei es bei den weiteren Beratungen der Verordnung aber ebenso wichtig, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von Personen sowie den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu berücksichtigen.

Andere Stimmen aus Wissenschaft und IT-Branche lobten das Vorhaben ebenfalls. So war etwa von einem „großen Wurf“ oder dem „Herzstück“ eines neuen Datenwirtschaftsrechts die Rede. Es wurden aber auch Bedenken geäußert. Der Branchenverband Bitkom warnt etwa bei der weiteren Ausgestaltung des Datengesetzes vor den vorgesehenen Eingriffen in die Vertragsfreiheit zwischen Unternehmen und den „geplanten neuen Kompetenzen der EU-Kommission zur Vorgabe von Standards für Cloud-Dienste und Datenräume“. Dies könne den Wettbewerb und die Innovation in Europa gefährden.

Industrieverbände vs. Zivilgesellschaft

Zudem gab es bereits im Vorfeld der Vorstellung grundsätzliche Kritik vonseiten diverser Tech-Unternehmen an einem Anfang Februar geleakten Entwurf zum Data Act: Befürchtet wurden hier vor allem einseitige Beschränkungen und Verpflichtungen statt wirtschaftlicher Reize für das Teilen von Daten. Mittlerweile hat sich auch die Zivilgesellschaft zu Wort gemeldet, die im Gegensatz dazu in den aktuellen Plänen vor allem ein Wirtschaftsprojekt sieht, das zu wenig den Bedürfnissen des Gemeinwohls gerecht werde. Diese widerstreitenden Interessen beim Datengesetz noch unter einen Hut zu bringen, dürfte wie immer ein schwieriger Aushandlungsprozess auf europäischer Ebene werden.

Dabei lässt sich die Frage, wie die Umsetzung des Data Acts letztlich in der Praxis aussehen könnte – etwa das Recht der Nutzer:innen auf Zugriff und Weitergabe ihrer Daten –, zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht seriös beantworten. Denn der Verordnungsentwurf muss nun erstmal in den anderen EU-Institutionen beratschlagt werden, bevor er dann in Kraft treten kann. Mit einer endgültigen Einigung zwischen Parlament und Rat ist wohl erst 2023 zu rechnen.

Mehr Informationen:

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