Raus aus Berlin: Digitalisierung schlägt Urbanisierung beim DLD in Bayreuth

Pressefoto: Dominik Gigler/DLD
Pressefoto: Dominik Gigler/DLD
Veröffentlicht am 16.07.2018

Pressefoto: Dominik Gigler/DLD
Das Telefónica BASECAMP ist wieder auf Tour gewesen. Am Donnerstag führte die Reise nach Bayreuth zum DLD Campus, denn Europas führende Innovationskonferenz für Digital, Life und Design (DLD) breitet sich immer weiter aus. Nach den Konferenzen in München, New York, Tokio, Berlin und Tel Aviv stehen durch DLD Campus jetzt auch Karlsruhe und die oberfränkische Studentenstadt auf dem DLD-Kalender.

In Bayreuth ging es dieses Mal um Themen wie Chancen der Digitalisierung, Blockchain, neue Materialien, Zukunft der Mobilität, Food Fingerprinting, neue Arbeitswelten und Geschäftsmodelle oder Digitalisierung schlägt Urbanisierung. Dabei konnte man sogar einen echten Raketenmann in seinem Düsenanzug über den Campus der Universität fliegen sehen. Und eine Ministerin, die beinahe in die Luft ging: Dorothee Bär, die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt.

Innovationsstadt Bayreuth: Lernen von den Regionen

Wir gehen mit DLD Campus bereits zum zweiten Mal nach Bayreuth, da die Stadt eine renommierte Universität mit einem hervorragenden internationalen Ruf hat“, sagte die DLD-Gründerin Steffi Czerny. „Man muss gerade in Deutschland, wo der Mittelstand eine so große Rolle spielt und zum Wohlstand beiträgt, in die Regionen gehen und von der dortigen Innovationskraft lernen.“ Deswegen kamen auch einige Leute aus Berlin nach Bayreuth zum DLD Campus. Manche haben sogar die Hauptstadt verlassen und sind bereits in die beschauliche Frankenmetropole umgezogen.

Jeff Jarvis im Gespräch mit Dorothee Bär beim DLD Campus Bayreuth | Foto: Markus Oliver Göbel
Jeff Jarvis im Gespräch mit Dorothee Bär beim DLD Campus Bayreuth | Foto: Markus Oliver Göbel

Der Digitalvorstand von Hubert Burda Media, Stefan Winners, lobte in seiner Eröffnungsrede die Innovationskraft der ländlichen Regionen. In Oberfranken würden jedes Jahr 6.000 Unternehmen gegründet und mehr als doppelt so viele Patente wie im Rest Deutschlands angemeldet, sagte er. Und forderte dann die Verantwortlichen in Berlin und Brüssel auf, entschiedener gegen Internet-Giganten wie Google oder Facebook vorzugehen. „Traut euch, die großen Tech-Plattformen zu entbündeln“, wandte Winners sich an die Politik und forderte mehr Weltklasse-Innovationen, die von hier kommen. Nur wenn es gelinge, eine eigenständige und erfolgreiche Digitalwirtschaft in Deutschland und Europa aufzubauen, könne man auch in 50 Jahren noch erfolgreich und selbstbestimmt leben.

Dorothee Bär: Zwischenrufe gegen den Burda-Vorstand

Doch als der Burda-Vorstand dann Dorothee Bär als „Bedenkenträgerin“ bezeichnete, während sie vor ihm in der ersten Reihe saß, und ein besseres Leistungsschutzrecht für Verlagsinhalte im Internet forderte, da platzte der Staatsministerin fast der Kragen. Sie machte sich durch Zwischenrufe bemerkbar und antwortete in ihrer anschließenden Rede, die Verleger sollten doch bitte kreativer sein. „Warum muss ich eigentlich einen kompletten Tagespass kaufen, wenn doch ich nur einen Artikel lesen will?“, fragte die Digitalexpertin von der CSU. Sie hat schon mehrmals im Bundestag gegen solche Regelungen gestimmt, mit denen deutsche Verlage extra Geld von Internet-Suchmaschinen verlangen wollen, wenn ihre Artikel in den Suchergebnissen erscheinen.

Markus Spona (TMT), Stefan Leible (University of Bayreuth), Iris Plöger (Bundesverband der Deutschen Industrie), Marcus Thurand (Telefónica Deutschland), Ariane Derks (Accenture) | Pressefoto: Dominik Gigler/DLD

Es wurde also heftig debattiert beim DLD Campus in Bayreuth. Auch bei der anschließenden Panel-Diskussion über die Chancen der Digitalisierung in Stadt und Land. „Wir denken in Deutschland fast nur an den Bestandsschutz“, sagte Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). „Doch was ist eigentlich so toll daran, in einer fensterlosen Fabrik am Fließband zu stehen?“ Durch die Digitalisierung und Unterstützung durch künstliche Intelligenz könnten die Menschen sich kreativeren Tätigkeiten zuwenden. Aber es sei auch mehr Eigenverantwortung für die fachliche Weiterbildung nötig.

Mobilfunkstandard 5G: Taktiles Internet braucht Glasfaser

Vor allem durch den neuen Mobilfunkstandard 5G seien vollkommen neue Lösungen in den kommenden Jahren möglich, berichtete Marcus Thurand, Director Regional Implementation & Engineering von Telefónica Deutschland, bei der Panel-Diskussion. Es entsteht ein taktiles Internet, mit dem Internet-Anwendungen fast in Echtzeit funktionieren. Reaktionen aus der Cloud kommen dann ähnlich schnell beim Nutzer an, wie menschliche Nervenbahnen auf einen Sinneseindruck reagieren. Das hat Thurand vor wenigen Wochen in China ausprobiert, doch diese Entwicklung schafft auch neue Herausforderungen.

Marcus Thurand (Telefónica Deutschland) | Pressefoto: Dominik Gigler/DLD

Ich muss in den nächsten Jahren 10.000 neue Mobilfunkstandorte aufbauen und die bindet man am besten mit Glasfaser an“, sagte der Experte, der seit über 20 Jahren im Netzwerkbereich von Telefónica Deutschland arbeitet. „Aber wir können jeden Euro nur einmal ausgeben.“ Die deutschen Netzbetreiber hätten in den vergangenen 18 Jahren ganze 60 Milliarden Euro für Mobilfunklizenzen ausgegeben und die teuren Urkunden würden in seinem Büro an der Wand hängen. Doch „wir wollen unser Geld ins Netz investieren und nicht in Papier“, sagte Thurand. Am selben Tag setzte sich auch CEO Markus Haas beim Mobilfunkgipfel in Berlin dafür ein, dass bei der nächsten Lizenzvergabe die Weichen richtig gestellt werden und die Investitionsfähigkeit der Branche gestärkt wird. Damit die weißen Flecken in der deutschen Mobilfunkversorgung geschlossen werden.

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Auch die weiteren Debatten beim DLD Campus Bayreuth waren sehr interessant: Der Deutschlandchef des chinesischen Leihfahrrad-Anbieters Mobike, Jimmy Cliff, diskutierte mit Alexander Kotouc (Head of Product Management BMW i) und Yifan David Li, CEO des Startups Hesai aus Shanghai (das Sensorik für selbstfahrende Autos entwickelt) über die Zukunft unserer Städte. Der Blogger und Buchautor Schlecky Silberstein ließ unter der Überschrift World Wide Wut seinem Frust über die aktuellen Entwicklungen in den sozialen Medien seinen Lauf. Und Jeff Jarvis vom CUNY Center for Entrepreneurial Journalism erklärte, was alles nötig ist, um das Vertrauen in unserer Gesellschaft wieder herzustellen, das durch Fake News und Internet-Trolle verlorenging. Wer das nachlesen möchte, der schaut sich am besten den Live-Blog vom Nordbayerischen Kurier über den DLD Campus Bayreuth an. Und ein Video von dem fliegenden Raketenmann gibt es bei Twitter.

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Mehr Informationen:

Website: DLD Campus Bayreuth 18
DLD Campus Bayreuth 18: Speaker und Programm
Alle Live Streams: DLD Conference auf Facebook

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