Standpunkt: Überprüfung der EU-Fusionskontrollleitlinien – auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren Europa?


Von Juan Montero Rodil
Am 3. September 2025 hat Telefónica seinen Beitrag zur Konsultation über die Überprüfung der EU-Leitlinien (öffnet in neuem Tab) für horizontale und nichthorizontale Fusionen (öffnet in neuem Tab) eingereicht. Wir begrüßen die Initiative der Kommission, da diese Überprüfung eine einmalige Gelegenheit darstellt, die Wettbewerbsfähigkeit Europas (öffnet in neuem Tab) neu zu gestalten. Diese Gelegenheit muss unbedingt genutzt werden, um einen Fusionskontrollrahmen zu schaffen, der Innovation, Widerstandsfähigkeit und strategische Autonomie in der EU fördert. Die wichtigsten Punkte des Telefónica-Beitrags zu dieser wichtigen Überprüfung sind die folgenden:
Von der statischen Wirtschaftsanalyse zur dynamischen Effizienz in der EU-Fusionskontrolle
Die Kommission hat bei der Analyse von Fusionen traditionell einen statischen ökonomischen Ansatz verfolgt, bei dem kurzfristige Preiseffekte und die Anzahl der Marktteilnehmer übermäßig im Vordergrund standen. Bei dieser engen Betrachtungsweise wurden häufig die anderen Wettbewerbsparameter übersehen, die dem Wohl der Verbraucher entsprechen – Qualität, Innovation und Auswahlmöglichkeiten – und die für die Förderung der dynamischen Dimensionen des Wettbewerbs wesentlich sind.
Daher ist ein mehr ganzheitlicher und zukunftsorientierter wirtschaftlicher Ansatz erforderlich, um alle Dimensionen des Verbraucherwohls (öffnet in neuem Tab) zu berücksichtigen, was letztlich das Ziel der Fusionskontrolle ist. Ein alternativer Ansatz zum Verständnis des Marktes ist jener der dynamischen Effizienz.
Durch die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Angebotsseite – d. h. die Untersuchung der Funktionsweise von Unternehmen und Sektoren auf den Märkten – erkennt der Ansatz der dynamischen Effizienz an, dass sich der Wettbewerb nicht nur über den Preis, sondern über mehrere Dimensionen entfaltet, einschließlich Qualität, Innovation und Dienstleistungsdifferenzierung. Dies ermöglicht eine gründliche Analyse der Fähigkeit und der Anreize von Unternehmen, auf den relevanten Märkten zu investieren und zu expandieren.
Telefónica schlägt vor, den dynamischen Effizienzansatz in allen Phasen der Fusionskontrollanalyse anzuwenden:
- bei der Ermittlung des Wettbewerbsverlusts, indem geprüft wird, ob der Zusammenschluss ausreichende Bedingungen für den Wettbewerb in allen Bereichen des Verbraucherwohls und nicht nur bei den Preisen schafft
- bei der Analyse der Effizienzgewinne: durch die Ausdehnung des Zeitrahmens für die Auswirkungen entsprechend den Merkmalen der einzelnen Märkte und im Rahmen einer ganzheitlichen Bewertung
- und schließlich bei der Ausgestaltung der Abhilfemaßnahmen, indem investitions- und innovationsfördernde Abhilfemaßnahmen vorgeschrieben werden.
Wie sollte sich dieser neue Ansatz in den überarbeiteten Fusionsleitlinien niederschlagen?
Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit: Die Fusionskontrolle sollte die Ziele „Produktivität und strategische Autonomie“ berücksichtigen
In den Leitlinien sollten die Auswirkungen von Fusionen auf die Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt werden. Ein notwendiger und vorbereitender Schritt hierfür ist die Bewertung der Angebotsseite von Unternehmen und Sektoren, d. h. die Ermittlung der Produktionsfunktion jedes Sektors.

In der Telekommunikation beispielsweise ist der Netzausbau unsere „Produktionsfunktion“, die die Produktivität beeinflusst. Damit Netzbetreiber ein Netz betreiben und einrichten können, muss eine Mindestabnahme gewährleistet sein (öffnet in neuem Tab) – eine bestimmte Anzahl von Kunden im Netz. Wenn Telekommunikationsbetreiber beschließen, sich zusammenzuschließen, wird erwartet, dass sie auf den betreffenden Märkten eine größere Größenordnung (d. h. eine höhere Auslastung) erreichen, um den Kundenstamm des Netzes zu vergrößern und so eine höhere Investitionsrendite für Innovationen zu erzielen. Je nach Fall können die relevanten Märkte lokal, regional, national, europäisch oder sogar global sein.
Die Widerstandsfähigkeit sollte auch von der Fusionskontrolle berücksichtigt werden, wenn sie sich auf das Wohl der Verbraucher auswirkt, z. B. wenn kritische Infrastrukturen durch Fusionen die Fähigkeit erwerben, Stresstests standzuhalten.
Marktmacht und strukturelle Merkmale: Statische Strukturindikatoren und Annahmen eignen sich nicht zur Analyse dynamischer Märkte
Telefónica ist der Ansicht, dass die derzeitigen strukturellen Marktindikatoren zur Bewertung der Marktmacht nur für die Bewertung der statischen Effizienz des Marktes nützlich sind und eine umfassende Analyse des Verbraucherwohls vernachlässigen.
Die Bewertung potenziell wettbewerbswidriger Auswirkungen von Transaktionen sollte von Fall zu Fall erfolgen und sich nicht auf wirtschaftliche oder rechtliche Annahmen stützen.
Innovation und andere dynamische Elemente: Der Schwerpunkt sollte auf den Anreizen und der Fähigkeit zu Investitionen und Innovationen liegen
Telefónica vertritt die Auffassung, dass die einzige Möglichkeit zu beurteilen, ob die fusionierenden Unternehmen die Anreize und die Fähigkeit haben, weiterhin in innovative und bessere Produkte und Dienstleistungen zu investieren, darin besteht, die Angebotsseite des jeweiligen Unternehmens oder Sektors nach den Parametern des dynamischen Effizienzansatzes zu analysieren.
Nachhaltigkeit und saubere Technologien: Fusionskontrolle zur Unterstützung des grünen Übergangs

Obwohl Nachhaltigkeit traditionell nicht als Wettbewerbsparameter angesehen wurde, schätzen die Verbraucher zunehmend nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen. Infolgedessen integrieren Unternehmen wie Telefónica in steigendem Maße Nachhaltigkeitsziele (öffnet in neuem Tab) in ihre Strategien – und konkurrieren oft um das Angebot nachhaltigerer Lösungen.
Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Effizienzgewinnen, einschließlich derjenigen, die direkt an die Verbraucher auf dem Markt weitergegeben werden können, oder, weiter gefasst, der so genannten „marktfremden Effizienzgewinne“, da die externen Effekte der Nachhaltigkeit einem breiteren Spektrum von Verbrauchern auf den Märkten und der Gesellschaft insgesamt zugutekommen.
Digitalisierung: ein wichtiges politisches Ziel und ein Wirtschaftszweig, der ein tieferes Verständnis erfordert
Telefónica ist der Ansicht, dass in den überarbeiteten Leitlinien klar zwischen zwei Aspekten der Digitalisierung unterschieden werden sollte. Erstens: Die Digitalisierung als sektorübergreifendes Ziel, das in der Wettbewerbsanalyse sowohl als Auswirkung einer Transaktion als auch als Innovationsmotor zu bewerten ist, der Effizienzgewinne generieren kann, um mögliche negative Auswirkungen auszugleichen. Zweitens: Digitale Märkte und Aktivitäten, die direkt mit digitalen Produkten oder Dienstleistungen verbunden sind, bei denen es wichtig ist, Geschäftsmodelle und Marktdynamiken zu verstehen, die für den digitalen Sektor spezifisch sind.
Effizienzgewinne: Versuch, einen praktikablen Test zu finden, um Fusionsvorteile effektiv zu berücksichtigen
Telefónica plädiert für einen weniger starren Ansatz bei der Bewertung von Effizienzvorteilen. Die Kommission muss bei der Bewertung von Effizienzgewinnen und Schadenstheorien einen ausgewogenen Beweisstandard festlegen, der auf einer strengen Analyse und Kenntnis der Produktionsfunktion der beteiligten Unternehmen beruht – andernfalls wird es schwieriger, Effizienzgewinne zu erkennen, die auf langfristigen Investitionsstrategien beruhen. Um den Auftrag des Missionsschreibens (öffnet in neuem Tab) zu erfüllen, ist es für die Kommission außerdem von zentraler Bedeutung, Effizienzgewinne außerhalb des Marktes zu erkennen, d. h. solche, die indirekt einer größeren Zahl von Verbrauchern auf den Märkten und der Gesellschaft insgesamt zugutekommen.
Erwägungen der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit und der Arbeitsmärkte: für die Fusionskontrolle nur insoweit relevant, als die Verbraucher daran interessiert sind und die Unternehmen dazu im Wettbewerb stehen
Ordnungspolitische Ziele sollten bei der wettbewerbsrechtlichen Würdigung nur insoweit berücksichtigt werden, als sie von den Verbrauchern beachtet werden und die Unternehmen auf den relevanten Märkten in Bezug auf diese Ziele im Wettbewerb stehen. Darüber hinaus können Ziele der öffentlichen Ordnung auch bei der Effizienzanalyse berücksichtigt werden (als Effizienzgewinne innerhalb oder außerhalb des Marktes).
Der weitere Weg für die EU-Fusionskontrolle

Alles in allem ist Telefónica der Ansicht, dass diese Überprüfung und die Anwendung des neuen Ansatzes in bestimmten Fällen eine einzigartige Gelegenheit für die Kommission sind, die Art und Weise, wie sie Fusionen in der EU bewertet, wirklich zu ändern, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu fördern und Investitionen und Innovationen voranzutreiben. Darüber hinaus dürfte die Überprüfung der Fusionsleitlinien den Weg für eine künftige Überprüfung der EU-Fusionskontrollverordnung und der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen ebnen und auf diese Weise den neuen Ansatz konsolidieren.
Dieser Artikel wurde ebenfalls im Telefónica S.A. Blog veröffentlicht:
EU Merger Control Guidelines Review: towards a more competitive Europe? (öffnet in neuem Tab)