Neue Landesregierungen: Wer sind die digitalpolitischen Köpfe?

Foto: Pixabay User geralt | Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 16.06.2022

Die Digitalisierung spielt auch in der Landespolitik eine zunehmend wichtige Rolle. Nach den drei Landtagswahlen der letzten Monate stellen wir hier das relevante digitalpolitische Personal der Parteien vor, das in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und im Saarland die Geschicke der nächsten fünf Jahre mitbestimmen könnte.

Dieses Jahr wurde bereits in drei Bundesländern gewählt und überall setzte sich eine andere Parteienkonstellation als zuvor durch: Im Saarland regiert seit dem 25. April die SPD als vormalige Juniorpartnerin einer großen Koalition nun allein mit absoluter Mehrheit, während in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sehr wahrscheinlich Bündnisse aus CDU und Grünen die neuen Landesregierungen bilden werden und die FDP aus der Regierungsverantwortung ausscheidet. Die Digitalisierung nimmt dabei jeweils unterschiedliche Stellungen in den Verhandlungen bzw. in der Regierungsmannschaft ein.

Nordrhein-Westfalen: Transparenz in den Verhandlungen

In Nordrhein-Westfalen sieht es derzeit nach einem schnellen Abschluss der schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen aus. Bereits Ende Juni soll der Koalitionsvertrag stehen und die Wahl des Ministerpräsidenten erfolgen. Vor dem Beginn der Verhandlungen haben sowohl CDU als auch die Grünen transparent gemacht, wer in den 13 Facharbeitsgruppen sitzt. Digitale Themen werden dabei vorrangig in der Arbeitsgruppe „Wissenschaft, Digitalisierung und Innovation“ besprochen.

Anja Karliczek | Foto: Laurence Chaperon | Ausschnitt bearbeitet

Dort sind vor allem erfahrene Personen aus der Bundes- und Europapolitik vertreten. So wird das Verhandlungsteam der CDU von der ehemaligen Bundesforschungsministerin Anja Karliczek geleitet, die während ihrer Amtszeit (2018—2021) immer wieder auf eine schnellere Umsetzung des Digitalpakts Schule durch die Länder gedrängt hat. Ihr Stellvertreter ist Florian Braun, der seit 2017 im Landtag sitzt und dort Fraktionssprecher für Digitalisierung und Innovation ist. Braun kennt die Telekommunikationsbranche bestens, denn zuvor war er vier Jahre beim Bundesverband Glasfaseranschluss tätig und ist als @flobraun auf Twitter unterwegs.

Die CDU bietet viel Erfahrung auf

©Axel Voss MdEP | Foto: Frank Beer | Ausschnitt bearbeitet

Ein ausgewiesenes digitalpolitisches Profil bringt auch Axel Voss in das Team ein. Der Rechtsanwalt sitzt seit 2009 für die CDU im Europäischen Parlament und hat als Berichterstatter der EVP-Fraktion unter anderem an der Überarbeitung der EU-Datenschutzverordnung (DSGVO) und der Reform des EU-Urheberrechtes mitgewirkt. Darüber hinaus hat sein Manifest zur Europäischen Digitalpolitik maßgeblich die parlamentarische Debatte zur Ausgestaltung der digitalpolitischen Agenda der EU beeinflusst.

Viel Regierungserfahrung bringen zudem Thomas Rachel und Dirk Günnewig mit. Während Rachel lange als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005-2021) gearbeitet hat, war Günnewig in NRW unter anderem Abteilungsleiter für Grundsatzangelegenheiten der Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung im Verkehrsministerium und ist seit letzten Oktober Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft. Komplettiert wird das CDU-Team von Raphael Tigges, Mitglied des Landtags und Sprecher des Wissenschaftsausschusses.

Fotos: Thomas Rachel | Dr. Dirk Günnewig | ©Bettina Engel-Albustin / MKW | Raphael Tigges | CC BY-SA 3.0 DE | Ausschnitt bearbeitet

Klares digitalpolitisches Profil bei den Grünen

Das Verhandlungsteam der Grünen kann zwar naturgemäß nicht mit so viel Regierungserfahrung aufwarten, weist aber ebenfalls ein klares digitalpolitisches Profil auf. Geleitet wird die Gruppe vom Politischen Landesgeschäftsführer der NRW-Grünen, Raoul Roßbach. Seine Stellvertreterin Alexandra Geese ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und verhandelt dort für die Fraktion Greens/EFA den Digital Services Act; zugleich ist sie Mitglied im Son­der­aus­schus­ses für Künstliche Intelligenz (AIDA) und gilt als Streiterin für eine wertegeleitete digitale Transformation. Von der Bundesebene ist Kai Gehring im Team dabei, der seit 2005 im Bundestag sitzt, sich dort seit langem für digitale Themen einsetzt und mittlerweile als Vorsitzender den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung leitet.

Fotos: Raoul-Roßbach | CC BY-SA 2.0 | Alexandra Geese | Kai Gehring | Inga Haar/Deutscher Bundestag | Ausschnitt bearbeitet

Sein grünes Pendant in der NRW-Landespolitik stellte gewissermaßen Matthi Bolte-Richter dar, der von 2010 bis Juni 2022 im Landtag saß und Fraktionssprecher für Wissenschaft, Innovation, Digitalisierung und Datenschutz sowie Mitglied der Enquetekommission „Digitalisierung der Arbeitswelt“ war. Mittlerweile leitet er ein Startup für Fahrrad-Kurierdienste in Kiel, unterstützt aber trotzdem noch die Grünen bei den Verhandlungen in Düsseldorf. Des Weiteren sind die beiden neuen Landtagsabgeordneten Julia Eisentraut und Jan Matzoll Teil des grünen Verhandlungsteams, wobei besonders erstere als Informatikerin und Softwareentwicklerin mit vielen Aspekten der Digitalisierung vertraut sein dürfte.

Ob sich aus diesem Kreis der Arbeitsgruppe letztlich auch das Leitungspersonal eines oder mehrerer Ressorts mit Digitalbezug rekrutieren wird, ist noch nicht absehbar. Die Verteilung und der Zuschnitt der Ministerien dürften jedenfalls spannend werden. Inhaltlich wird es in den Verhandlungen sicherlich um ein weites Feld gehen. Im Sondierungspapier von CDU und Grünen werden allerdings nur wenige Digitalthemen genannt: der Ausbau der digitalen Infrastruktur in der Fläche, die digitale Lernmittelfreiheit in den Schulen sowie die Digitalisierung der Justiz und der Förderprogramme für Kommunen. Mehr wird erst der fertige Koalitionsvertrag offenbaren.

Schleswig-Holstein: Schnelle und geräuschlose Verhandlungen?

Wie in NRW soll auch in Schleswig-Holstein bis Ende Juni das neue Regierungsbündnis stehen. Allerdings haben die Verhandelnden von CDU und Grünen es dort vermutlich etwas einfacher, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Denn beide Landesparteien haben in den vergangenen fünf Jahren bereits in einer Jamaika-Koalition zusammengearbeitet, inklusive der FDP, auf die jedoch Ministerpräsident Daniel Günther zugunsten der Grünen verzichtet.

Über die Verhandlungen selbst ist bisher allerdings weit weniger bekannt als im bevölkerungsreichsten Bundesland. So wurde die Zusammensetzung der zehn Arbeitsgruppen nirgends offiziell verkündet. Allerdings soll die Digitalisierung ein Schwerpunktthema der Gespräche sein – auch wenn das knappe Sondierungspapier nur einen allgemeinen Satz dazu bietet: „Wir werden den flächendeckenden Breitbandausbau abschließen und die Digitalisierung in allen Bereichen beschleunigen.“

Nur wenige Informationen zum Personal

Foto: Joschka Knuth | Ausschnitt bearbeitet

Trotzdem beschäftigt sich eine der zehn Arbeitsgruppen ausschließlich mit Fragen der Digitalisierung. Geleitet wird die AG nach unseren Informationen von Joschka Knuth, der seit 2019 für die Grünen im Landtag sitzt, Fraktionssprecher für Digitales ist und in den Jahren zuvor bereits in verschiedenen Funktionen im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Digitalisierung tätig war. Da Jan Philipp Albrecht, der oft als Schleswig-Holsteins Digitalminister bezeichnet wurde, Anfang Juni die Landespolitik verlassen hat, könnte bei den Verhandlungen für die Grünen auch der bisherige Staatssekretär Tobias Goldschmidt eine Rolle spielen. Wahrscheinlich ist er aber vornehmlich bei den Themen Klima und Umweltschutz involviert.

Fotos: Lukas Kilian und Ole-Christopher Plambeck | Ausschnitt bearbeitet

Aufseiten der CDU ist sicherlich Lukas Kilian an den Gesprächen beteiligt, Landtagsabgeordneter seit 2017, der sich in der Fraktion unter anderem um die Themen Breitbandversorgung und Digi­talisierung kümmert. Denkbar ist auch die Mitwirkung von Ole-Christopher Plambeck, ebenfalls seit 2017 im Parlament, mit den Verhandlungsschwerpunkten Digitalisierung der Verwaltung, IT-Sicherheit und offene Datennutzung. Genaueres lässt sich aber wohl erst nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen sagen, wenn auch klar ist, in welches Ministerium das Thema Digitales künftig eingebunden sein wird.

Saarland: Digitalisierung spielt nur eine Nebenrolle

Klarer sollten die Zuständigkeiten eigentlich im Saarland sein, da die Regierungsbildung hier bereits abgeschlossen ist – schließlich musste die nun alleinregierende SPD nach der Wahl im März nicht mit einer anderen Partei verhandeln und konnte alle Posten nach eigenem Ermessen verteilen.

Foto: Jürgen Barke | CC BY-SA 4.0 | Ausschnitt bearbeitet

Die Fragen der Digitalisierung sind an der Saar zumindest formell ab sofort dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie zugeordnet. Der dafür zuständige Minister Jürgen Barke war seit 2012 bereits Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, muss sein digitalpolitisches Profil aber erst noch schärfen. Zudem gibt es im Ministerium bisher kein eigenständiges Referat für Digitalpolitik. Vielmehr ist die Digitalisierung als Querschnittsthema in verschiedenen Abteilungen angesiedelt. Unklar ist auch, ob es künftig weiterhin einen Bevollmächtigten für Innovation und Strategie oder Chief Information Officer wie in der bisherigen Landesregierung geben wird und wer das sein könnte.

Womöglich gibt es in einigen Wochen oder Monaten mehr darüber zu berichten, wer bei der Digitalisierung im Saarland tatsächlich den Hut aufhat. Bis dahin wird das verantwortliche Personal in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen aber wahrscheinlich schon feststehen.

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