Hass im Netz: Digitale Angebote gegen Diskriminierung und Hate Speech

Foto: CC0 1.0, Pixabay User HaticeEROL | Ausschnitt angepasst
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Veröffentlicht am 01.10.2021

Der Bundestagswahlkampf hat ein Ende gefunden. Nicht nur die Wähler:innen, auch viele Kandidierende werden dem mit Erleichterung entgegen gesehen haben – besonders diejenigen Politiker:innen, die häufig zum Ziel von Anfeindungen und Hass geworden sind. Die Kanäle der digitalen Kommunikation erleichtern leider oft das Senden von Hate Speech und diskriminierenden Botschaften, es gibt aber auch digitale Angebote, um dagegen vorzugehen. Einige davon möchten wir hier vorstellen.

Während des Wahlkampfs gab es immer wieder Berichte, dass Politiker und speziell Politikerinnen vermehrt zum Opfer von digitalen Hass- und Desinformationskampagnen werden. So stellte Der Spiegel bereits im Februar 2021 fest, dass politisch aktive Frauen weltweit zunehmend online attackiert werden. Von den damals 222 weiblichen Mitgliedern des Deutschen Bundestags, die vom Spiegel befragt wurden, gaben 69 Prozent an, „frauenfeindlichen Hass als Bundestagsabgeordnete“ zu erleben, und fast genauso viele (64 Prozent) erhielten Hassnachrichten – meist auf digitalem Weg.

Hass und Hetze gegen Kanzlerkandidat:innen

Auch eine aktuelle Studie des Institute for Strategic Dialogue, in welcher die Verbreitung von Falschnachrichten und Formen der digitalen Gewalt auf Facebook und Telegram im Zeitraum von Februar bis Juli 2021 untersucht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, auf diesen Plattformen attackiert wurde. Die Studie stellt aber ebenso fest:

„Alle drei Spitzenkandidat:innen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurden im Kontext der anstehenden Bundestagswahl zum Ziel digitaler Angriffe. Dabei wurden insbesondere über die Messenger-App Telegram potentiell rechtswidrige Inhalte wie Bedrohungen, Beleidigungen, Verleumdungen sowie homophobe oder antisemitische Hetze verbreitet.“

Neben Politiker:innen zielen solche Angriffe jedoch häufig auch auf „normale“ Menschen, die sich öffentlich äußern oder engagieren. Insbesondere Frauen oder Menschen mit Migrationsgeschichte sollen auf diese Weise aus digitalen Diskursräumen herausgedrängt werden. Damit dies nicht geschieht, gibt es mittlerweile unterschiedliche digitale Angebote gegen Diskriminierung und Hate Speech.

HateAid: Ein umfassender Ansatz gegen digitale Gewalt

Mit HateAid existiert seit 2018 die erste Beratungsstelle, die sich ausschließlich an Betroffene digitaler Gewalt richtet. Unter dem Sammelbegriff der digitalen Gewalt versteht die Organisation dabei „verschiedene Formen der Herabsetzung, Belästigung, Diskriminierung, sozialen Isolation und Nötigung anderer Menschen im Internet und mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel.

Credits: Hate Aid

Menschen, die online solche Formen erleben und beleidigt oder bedroht werden, können per Meldeformular oder App Kontakt zu HateAid aufnehmen. Anschließend werden die gemeldeten Inhalte geprüft und bei möglicher strafrechtlicher Relevanz an die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main weitergeleitet. HateAid bietet zudem eine kostenlose Betroffenenberatung an und zum Teil auch eine Prozesskostenfinanzierung, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt.

„Wir müssen die immer neuen Wellen des Hasses stoppen. Wer sich politisch äußert, wissenschaftlich forscht, medial berichtet, wird immer wieder Ziel von Attacken. Das ist eine ernste Bedrohung unserer Demokratie. Genauso wichtig wie die konsequente Strafverfolgung der Täter*innen ist: Solidarität und Unterstützung für Menschen, die angefeindet werden. Und die juristischen Mittel, um sich zu wehren. Deshalb unterstützen wir HateAid.“

Christine Lambrecht (Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz sowie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) über die Beratungsstelle HateAid

Die gemeinnützige Organisation mit Sitz in Berlin berät darüber hinaus Politik und Behörden als Sachverständige im Umgang mit den sozialen Medien sowie digitaler Gewalt und veröffentlicht auch eigene Berichte zum Thema. Im Vorfeld der Bundestagswahl hat HateAid zum Beispiel eine Reihe von Datenrecherchen zu Hasskommentaren auf Twitter gegen Politiker:innen durchgeführt und vor kurzem die ersten Ergebnisse präsentiert (Teil 1 und Teil 2). Demnach hat CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet im August besonders viele Hasstweets abbekommen.

Meta-Chatbot: Neue Wege der Antidiskriminierungsberatung

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Während HatAid mit seinen verschiedenen Angeboten also einen recht umfassenden Ansatz gegen digitale Gewalt verfolgt, versucht das Projekt Meta mit dem „weltweit ersten Chatbot gegen Diskriminierung“ ein noch niedrigschwelligeres Tool für Antidiskriminierungsberatung anzubieten. Dabei soll ein Chat mit automatisierten Dialogen es Betroffenen ermöglichen, barrierefrei, anonym, kostenlos und in unterschiedlichen Sprachen abzuklären, ob das Erlebte tatsächlich eine Diskriminierung darstellt und welche Rechte ihnen zustehen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz soll der Chatbot zudem lernen, noch besser auf die Angaben der Nutzer:innen einzugehen. In der Summe möchte das vierköpfige Team hinter Meta dazu beitragen, Diskriminierung durch das Sammeln von Fällen stärker sichtbar zu machen sowie Betroffene über ihre Rechte und weitergehende Beratungsangebote in der Nähe aufzuklären.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Die klassische Herangehensweise

Ein solches weitergehendes Beratungsangebot, das jedoch eher klassisch anmutet und sich auf die juristische Beratung konzentriert, ist zum Beispiel die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Auf deren Homepage findet man neben einer Hotline und einem Online-Kontaktformular auch einen kurzen digitalen Wegweiser, der nach nur vier Klicks eine erste rechtliche Einordnung der diskriminierenden Erfahrung vornimmt und auf weitere Unterstützungsangebote hinweist. Daneben bietet die Antidiskriminierungsstelle noch Ratgeber und Forschungsergebnisse zu Antidiskriminierungsthemen zum Download an und veröffentlicht zudem seine Berichte an den Bundestag.

Das Netzz: Mit Vernetzung für eine positive Debattenkultur

Ein weiteres bemerkenswertes digitales Angebot aus dem Bereich Antidiskriminierung und Hate Speech macht das Projekt Das Netzz.de, das – wie der Name schon andeutet – eher einen Vernetzungsansatz verfolgt. Es zielt darauf ab, zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für eine positive Debattenkultur und gegen Hate Speech einsetzen, zu unterstützen, indem fachlicher Austausch und Kooperation zwischen ihnen gefördert wird. Durch die Präsenz der momentan mehr als 100 Initiativen auf den Seiten der Vernetzungsstelle soll zudem ihre Sichtbarkeit und Reichweite erhöht werden. Auf diese Weise soll langfristig eine „Community der Gegenrede“ gegen den Hass im Netz entstehen. Mithilfe eines Förderprogramms, für das sich kleine Projekte und Initiativen bewerben können, werden zudem innovative Ansätze gegen Hass, Desinformation und für eine konstruktive Diskussionskultur im digitalen Raum finanziell unterstützt.

Trotz dieser und vieler weiterer Angebote gegen Diskriminierung und Hate Speech gibt es aus der Zivilgesellschaft weiterhin die Forderung, dass politisch noch mehr gegen digitale Gewalt unternommen werden sollte. So fordert etwa HateAid die „staatliche Anerkennung der besonderen Schwere von Beleidigungen im Internet“, da die Besonderheiten des digitalen Raums in veralteten Strafvorschriften nicht richtig berücksichtigt und Verfahren oft eingestellt würden. Zudem müssten Plattformen „zur Kooperation verpflichtet und Staatsanwaltschaften für die Relevanz von digitaler Gewalt sensibilisiert werden.

pixabay geralt Social Media Vernetzung
Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt / Ausschnitt bearbeitet

Ähnliche Empfehlungen geben die Autor:innen der anfangs erwähnten Studie vom Institute for Strategic Dialogue, wonach einflussreiche Online-Plattformen und plattform-ähnliche Anbieter wie Telegram für die auf ihnen verbreiteten Inhalte stärker in die Pflicht genommen werden sollten. Auch bei den Algorithmen, die für die Verbreitung von schädlichen Inhalten sorgen, brauche es mehr Transparenz sowie verständliche Informationsangebote zu deren Parametern für die Nutzer:innen.

Mithilfe einer Campact-Resolution fordern verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen bereits seit längerem weitere konkrete Punkte gegen Hate Speech im Internet wie landesweite Opferberatungsstellen, Beauftragte für Hate Speech auf jeder Polizeidienststelle, zentrale Ermittlungsstellen bei den Staatsanwaltschaften, vereinfachte Klagemöglichkeiten sowie mehr Präventionsprogramme an Schulen. Ob die Politik darauf eingeht ist allerdings eher ungewiss – zumal im föderalen System der Bundesrepublik für viele dieser Punkte die einzelnen Länder verantwortlich sind. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wird der politische Handlungsdruck bei der Bekämpfung von digitaler Gewalt aber sicherlich in Zukunft noch weiter zunehmen.

Mehr Informationen:

BASECAMP ON AIR: Aktionstag gegen digitale Gewalt an Frauen 2020
Staatliche Maßnahmen gegen Hate Speech im Internet: Die Bundesländer im Vergleich

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