#BTW21: Desinformation im digitalen Wahlkampf

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Veröffentlicht am 03.09.2021

Der Bundestagswahlkampf ist mittlerweile in der heißen Phase angekommen – inklusive der Elemente gezielter Desinformation und Negativkampagnen. Doch wer ist für Falschinformationen eigentlich besonders empfänglich und was kann dagegen getan werden?

Die Gefahr, dass Menschen durch Falschmeldungen in ihrer Meinung und ihrem Verhalten negativ beeinflusst werden, wird in Deutschland mittlerweile ernster genommen als noch vor ein paar Jahren. So befürchten viele politische Beobachter:innen, dass durch sogenannte „Fake News“ die Polarisierung der Gesellschaft weiter zunehmen wird und sich Einzelne stark radikalisieren können. Dabei gelten vor allem Social-Media-Plattformen und Messenger-Dienste wie Facebook, Youtube, WhatsApp oder Telegram als Treiber von Desinformation.

Falsche und verzerrte Informationen als Herausforderung

Klar ist: Je mehr Menschen auf digitalen Kanälen unterwegs sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass andere dort versuchen, sie mit gezielter Desinformation zu beeinflussen. Dies gelingt besonders dann, wenn es den Empfänger:innen einer Information schwerfällt, deren Herkunft und Wahrheitsgehalt richtig einzuordnen.

Aus Sicht vieler Expert:innen sind ältere Menschen deutlich gefährdeter als junge Menschen, solchen falschen oder verzerrten Information Glauben zu schenken. Dies zeigen auch die Zahlen der aktuellen „Digital Skills Gap“-Studie der Initiative D21. Demnach glaubt nur die Hälfte der Befragten ab 60 Jahren, dass sie seriöse von unseriösen Nachrichten im Internet unterscheiden kann, während es bei den Befragten ab 75 Jahren lediglich noch 37 Prozent sind.

Ältere Wähler:innen als bevorzugte Zielgruppe?

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Auch eine repräsentative Erhebung des Digitalverbands Bitkom kommt zu dem Ergebnis, dass die Über-65-Jährigen in Deutschland ihre eigene Digitalkompetenz nur als ausreichend bewerten (Schulnote: 4,3), während Menschen über 75 Jahren ihre digitalen Fähigkeiten noch schlechter einschätzen (Schulnote 4,8).

Diese Zahlen sind mit Blick auf die anstehende Bundestagwahl von besonderer Relevanz, wenn man bedenkt, dass die Über-60-Jährigen mit 38 Prozent der Wahlberechtigten die mit Abstand größte Wählergruppe stellen. Zudem gehen aus dieser Gruppe in der Regel auch mehr als 80 Prozent wählen, wie die Beteiligung an den letzten Bundestagswahlen gezeigt hat. Der Wahlausgang wird also stark von der älteren Generation mitentschieden – was nahe legen könnte, sie zum Ziel von politischer Desinformation zu machen.

Im Vorfeld der diesjährigen Bundestagswahl wurde aber auch unabhängig von den konkreten Zielgruppen der Desinformation häufig davor gewarnt, dass verstärkt Falschmeldungen im Netz kursieren werden, die bestimmte Personen oder Parteien diffamieren und so die politische Meinungsbildung gezielt beeinflussen sollen. So ergab eine Forsa-Umfrage im Juni, dass 82 Prozent der Befragten Sorge haben, dass das Wahlergebnis durch politische Desinformationskampagnen manipuliert werden könnte.

Negatives Vorbild US-Wahlkampf

Dies resultiert unter anderem aus den Erfahrungen, die in den vergangenen Jahren bei anderen Wahlen gemacht worden sind. Speziell die Präsidentschaftswahl 2016 in den USA hat gezeigt, in welchem Ausmaß Falschmeldungen in sozialen Medien, Hackerangriffe auf E-Mail-Konten, aber auch Desinformationskampagnen aus dem Ausland, ein Wahlergebnis beeinflussen können. So wurde damals zum Beispiel Microtargeting als ein Mittel der politischen Demobilisierung genutzt, indem tendenzielle Wählergruppen von Hillary Clinton vor allem mit Negativinformationen über die Kandidatin bespielt wurden, um die Wähler:innen von der Stimmabgabe für Donald Trumps Konkurrentin abzuhalten.

Um einer solchen Entwicklung in Deutschland entgegenzuwirken, wurde dieses Jahr erstmals eine gemeinsame Selbstverpflichtung der Parteien für einen fairen Wahlkampf im digitalen Raum diskutiert. Obwohl Grüne, SPD und Linkspartei zwar jeweils eigene Selbstverpflichtungen formuliert und sich CDU, CSU und FDP zumindest zu einem fairen digitalen Wahlkampf bekannt haben, wurden in den vergangenen Monaten immer wieder Elemente von Negative Campaigning und Desinformationsstrategien sichtbar – meist jedoch von externen Akteuren ausgehend.

Messenger, gefälschte Webseiten und Schmutzkampagnen

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / LoboStudioHamburg | Bildname: internet-whatsapp | Ausschnitt bearbeitet

So gab es bereits in der ersten Jahreshälfte 2021 Anzeichen für eine Kampagne mit falschen Informationen zur Sicherheit der Briefwahl, die vor allem über Messenger-Dienste verbreitet wurden. Messenger wie WhatsApp oder Telegram werden für solche Desinformationskampagnen besonders häufig benutzt, da sich Falschinformationen dort mit rasanter Geschwindigkeit verbreiten können und die Nutzer:innen sich oft schwertun, den Wahrheitsgehalt von privat weitergeleiteten Nachrichten zu hinterfragen oder gar selbst zu prüfen.

Seit Beginn des Wahlkampfs sind noch andere Formen der digitalen Desinformation hinzugekommen, zum Beispiel irreführende Websites oder die laufende Negativ-Kampagne „Grüner Mist“, die – mit zum Teil falschen Behauptungen – ebenso analog in Form von Plakaten wie digital mittels einer Website und Profilen auf verschiedenen Netzwerken stattfindet. Eher „klassisch“ kommt hingegen die aktuelle Warnung der Union vor einem Linksbündnis daher, die stark an die Rote-Socken-Kampagne aus den 1990er Jahren erinnert. Die direkte Ansprache von Wähler:innen durch Microtargeting in sozialen Netzwerken wie Facebook spielt wie bei den letzten Wahlen momentan ebenfalls wieder eine Rolle – was manche internationale PR-Agenturen als einträgliches Geschäftsmodell für sich entdeckt haben.

Was wird gegen Desinformation unternommen?

Gegen solche und andere Formen der Desinformation im Wahlkampf hilft vor allem Aufklärung. So versucht etwa der Bundeswahlleiter, den Falschinformationen mit Fakten entgegenzutreten, die das Wahlverfahren betreffen. Und beim Messenger-Dienst WhatsApp soll ein Chat-Bot dabei helfen, irreführende Nachrichten aufzudecken. Twitter hingegen setzt bei der Bekämpfung von Falschinformationen in Tweets auf eine Zusammenarbeit mit den Nachrichtenagenturen Reuters und AP, von denen glaubwürdige Inhalte auf der Plattform präsentiert werden sollen. Speziell mit Blick auf den Wahlkampf bietet zudem der Verein D64 eine Übersicht, was Wahlkämpfer:innen tun können, wenn sie mit Hass und Desinformation konfrontiert werden.

Auch Telefónica möchte dazu beitragen, dass sich gezielte Desinformation in unserer Gesellschaft nicht weiter ausbreiten kann und startet deshalb gemeinsam mit der Stiftung Digitale Chancen die Aufklärungskampagne „Faktisch betrachtet – fit gegen Fake News“. Die Kampagne richtet sich vor allem an ältere Menschen und ist Teil des Programms „Digital mobil im Alter“. Die Aufklärung erfolgt mithilfe eines Informationspakets, das zielgruppengerechte Erklärvideos, eine Checkliste zur Entlarvung von Falschinformationen und ein interaktives Online-Quiz „Fakt oder Fake?“ umfasst. Zusätzlich gibt es ein Videoformat, in dem ältere Menschen mit Vertreter:innen aus Politik, Medien und Wissenschaft zum Thema Desinformation in den Dialog treten können.

 

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