Digitales Lernen: „Generation Smartphone“ fehlt digitale Kompetenz

Foto: ImgaeSource/GettyImages
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Veröffentlicht am 22.11.2019

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Deutschlands Schüler liegen in Sachen Digitalkompetenz nur im Mittelfeld, das ergab die diesjährige International Computer and Information Literacy Study. Wir haben uns die Ergebnisse der Studie und die Maßnahmen zur Förderung der digitalen Bildung genauer angeschaut.

Bereits die Kleinsten bedienen Smartphones mit Leichtigkeit, wischen auf den Tablets ihrer Eltern herum und wachsen in einem Umfeld voller Computerbildschirme auf. Doch im internationalen Vergleich hat die „Generation Smartphone“ Nachholbedarf im Umgang mit digitaler Technik. Das ergab die „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS), die die Medienkompetenzen von Jugendlichen der Klassenstufe 8  in zwölf Ländern genauer untersucht hat. Demnach sind deutsche Schüler zwar fit am Handy, doch nur jeder dritte Schüler ist in der Lage eine E-Mail zu öffnen. Die Studie untersuchte unter anderem, inwieweit Jugendliche für den digitalen Wandel gewappnet sind. In die Studie flossen Testergebnisse von insgesamt 46.000 Schülern ein. 26.000 Lehrkräfte wurden zudem über die Ausstattung ihrer Bildungseinrichtung befragt. Neben Deutschland sind in der Studie unter anderem Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Südkorea und die Vereinigten Staaten vertreten.

Alarmierendes Signal

Bereits im Jahr 2013 hatten die Ergebnisse der ersten ICILS das Land mit alarmierenden Ergebnissen aufgerüttelt. Rückblickend und im Vergleich mit den neuen Ergebnissen hat sich in der digitalen Bildung Deutschlands nicht viel verändert. Schüler haben zwar oft die Hand am Anschlag, um in Sekundenschnelle das eigene Smartphone aus der Hosentasche zu zücken, aber weniger als ein Viertel der befragten Achtklässler sind in der Lage, mit einem Computer eigenständig Informationen zu suchen und zu bearbeiten. „Besorgniserregend“ sei, dass ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland nur die unteren Kompetenzstufen erreicht, heißt es in der Studie. Diese Schüler würden lediglich über sehr rudimentäre computer- und informationsbezogene Kompetenzen verfügen.

Die höchste Kompetenzstufe erreichen lediglich 1,9 Prozent der Schüler. Damit liege Deutschland wie schon 2013 im Mittelfeld aller betrachteten Länder. Am besten schnitten die Schüler in Südkorea ab, europaweit sind die Dänen die qualifiziertesten am PC. Die Entwicklung und Förderung digitaler Kompetenzen in den Unterrichtsfächern müsse dringend auf den Weg gebracht werden: „Wir müssen uns überlegen, was heißt das für das Fach Englisch, Mathematik, Religion oder Sport, wenn ich mit digitalen Technologien arbeiten kann?“, sagt Birgit Eickelmann, Leiterin der deutschen ICILS-Studie.

Im Bereich der digitalen Ausstattung und dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht kommt die Studie ebenfalls zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Demnach verfügen nur 26 Prozent der deutschen Schulen über ein funktionierendes WLAN. Das Lehrpersonal sei ebenfalls nicht ausreichend digital unterwegs. Gerade einmal 3,2 Prozent der Schulen statten ihre Lehrkräfte mit einem eigenen tragbaren digitalen Endgerät aus. International sind das im Schnitt 24,1 Prozent, in Dänemark sogar 91,1 Prozent.

Soziale Herkunft entscheidet über Kompetenz

Erstmals wird bei der Studie als Zusatzmodul für Deutschland das Forschungsfeld „Computational Thinking“ erfasst. Dabei wurde getestet, ob die Schüler mithilfe von Algorithmen und digitalen Medien in der Lage sind, Probleme zu lösen. Dazu mussten sie beispielsweise für einen selbstfahrenden Bus die Strecke festlegen und programmieren. In anderen Ländern sind solche informationstechnischen Aufgabenstellungen bereits fester Bestandteil der Lehrpläne.

„Man muss nicht in jedem Beruf in Zukunft programmieren können, aber der Umgang mit digitalen Medien, ja selbst mit Algorithmen, ist bald in fast jedem Beruf gefragt. Zugespitzt formuliert: Auf dem Weg ins digitale Zeitalter ist ein beachtlicher Teil der Jugendlichen weitgehend abgehängt“, sagt Eickelmann.

Ebenso zeige die Studie, dass es in Deutschland noch immer Leistungsunterschiede aufgrund der sozialen Herkunft gibt. „Dass der Geldbeutel der Eltern entscheidet, ob man in der digitalen Welt mithalten kann oder nicht, ob man merkt, was im Internet Propaganda ist und was nicht – da hat man Sorge, was die Stabilität der Gesellschaft angeht“, so Eickelmann. Schüler mit einem höheren sozioökonomischen Hintergrund weisen demnach deutlich mehr Computer- und Informationskompetenz auf.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, es sei „nicht hinnehmbar, dass weiterhin ein starker Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und dem kompetenten Umgang der Jugendlichen mit den digitalen Medien besteht.“ Trotz dieser Ergebnisse ist das Engagement der Lehrkräfte zur Nutzung digitaler Medien gestiegen: Nutzten vor fünf Jahren nur gut 9,1 Prozent die digitalen Medien, sind es inzwischen 23,1 Prozent.

Maßnahmen zur Förderung digitaler Bildung

Zwar trauen sich laut der Studie fast alle deutschen Lehrkräfte zu, nützliche Unterrichtsmaterialien im Internet zu recherchieren und bereitzustellen, doch nur knapp ein Drittel sei in der Lage mit einem digitalen Lernmanagementsystem zu arbeiten. Im internationalen Vergleich zeigen deutsche Lehrer eine weitaus höhere Skepsis gegenüber den Erfolgen digitaler Lernförderung.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / harishs / Ausschnitt bearbeitet

Mit dem Aktionsplan der Kommission für digitale Bildung unterstützt die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten bei der Nutzung von digitalen Technologien im Bildungsbereich und bei der Entwicklung digitaler Kompetenzen. Dazu erarbeitete die Kommission elf Aktionen, zu denen unter anderem das sogenannte „SELFIE“-Programm gehört. Als kostenloses Online-Tool soll es Schulen als Selbstreflexions- und Mentoringprogramm dienen. „Die Schulen selbst befinden sich in einem stetigen Lernprozess und können mithilfe von SELFIE ermitteln, wie weit sie auf ihrer digitalen Reise bislang gekommen sind, und gegebenenfalls Veränderungen planen“, erklärt der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport Tibor Navracsics.

Neben dem Digitalpakt, der vor einem halben Jahr in Kraft trat und eine bessere Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik sicherstellen soll, veröffentlichte die Kultusministerkonferenz im Jahr 2016 eine Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“. Darin enthalten sind konkrete Handlungsfelder für Länder, Bund, Kommunen und Schulträger sowie Schulen zur Förderung digitaler Bildung. Die Überarbeitung der Lehrpläne und die Umsetzung dieser Empfehlungen auf Landesebene sind derzeit in den einzelnen Bundesländern noch im Gange. Sachsen veröffentlichte bereits dieses Jahr neue Lehrpläne mit digitalen Schwerpunkten.

Digitale Bildung in Eigenregie

In einigen Bundesländern und Städten gibt es bereits Initiativen, die sich intensiver mit der digitalen Bildung junger Menschen beschäftigen. In Bayern gibt es beispielsweise den „Medienführerschein Bayern“. Dabei handelt es sich um eine Initiative der Bayerischen Staatskanzlei und des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Ziel ist es, Kinder, Jugendliche und Erwachsene in ihrer Medienkompetenz zu stärken. Mit dem „Medienpass NRW“ etwa, können Schulen in Nordrhein-Westfalen wiederum Unterrichtsmaterialien und Konzepte zur Vermittlung von Medienkompetenz erhalten. Auch in der Düsseldorfer „Codingschule“ können Kinder und Erwachsene das Programmieren lernen. Das Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, Heranwachsende (und insbesondere Mädchen) in die Welt der Informatik einzuführen und ihnen Programmiersprachen wie Scratch oder Python beizubringen.

Telefónica Deutschland setzt sich seit vielen Jahren mit Engagementprogrammen für einen sicheren und kompetenten Umgang von Jugendlichen in der digitalen Welt ein. Angefangen von Angeboten für Jugendliche zur Vermittlung von digitalen Kompetenzen bis zu Workshops zur Unterstützung beim Umgang mit Cyber-Mobbing und Hassreden.  Das Unternehmen hat in den vergangenen zehn Jahren fast 120.000 Jugendliche fit für die Zukunft gemacht.

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