Mobilfunk einfach erklärt: Was ist OTT Fair Share?

Veröffentlicht am 26.01.2023

Auf europäischer Ebene wird intensiv diskutiert, ob Betreiber von besonders datenintensiven Plattformen und Diensten einen Beitrag für die Kosten der digitalen Infrastruktur in Europa leisten sollten. Unter dem Schlagwort „Fair Share“ ist bereits eine hitzige Debatte in der europäischen Digitalpolitik entbrannt. Worum geht es dabei, wie ist der Zeitplan und was bedeutet das Ganze für die Internetnutzer:innen?

Im Kern geht es bei der Debatte zu Fair Share darum, dass Unternehmen und Dienste, die besonders zur Auslastung der Datennetze beitragen, sich an den Kosten des steigenden Datenverkehrs im Internet beteiligen sollen. Dazu zählen zum Beispiel die großen Plattform-Konzerne, aber auch bekannte Streaming- und Cloud-Dienste.

2023 bringt Klarheit auf der EU-Ebene

Der Hintergrund hierfür ist, dass aufgrund massiv ansteigender Verkehrsvolumen die Internetinfrastruktur immer stärker ausgebaut werden muss: Glasfaser in jeden Haushalt, 5G an jeder Milchkanne. Um diese Anforderungen der Verbraucher:innen und der Politik europaweit umzusetzen, bedarf es enormer Investitionen, die noch dazu möglichst zeitnah getätigt werden sollten. Welchen Beitrag können die großen Plattformkonzerne hierfür leisten?

Die sogenannten Over-The-Top-Dienstleister (OTT) sollen künftig einen finanziellen Beitrag zum Netzausbau und zu weiteren anfallenden Kosten leisten, so der Vorschlag der EU Kommissare Thierry Breton und Margrethe Vestager. Laut einer Studie von Axon im Auftrag des Telko-Branchenverbands ETNO werden fast 60 Prozent des globalen Datenverkehrs allein durch sechs große Unternehmen und deren User verursacht. Diese Unternehmen sollten deshalb auch eine „Nutzungsgebühr“ für die Durchleitungskosten der Daten bezahlen.

Quelle: Studie Axon Partners Group (Mai 2022)

Auf Ebene der Europäischen Union zeigte sich vor allem die EU-Kommission im vergangenen Jahr offen für diesen Vorschlag. Die Kommission plant nun für die erste Jahreshälfte 2023 eine allgemeine öffentliche Konsultation zur Zukunft des Telekommunikationssektors, wobei auch das Fair Share-Konzept Thema sein wird. Mit einem ersten Gesetzesvorschlag dazu wird ebenfalls in nächster Zeit gerechnet.

Uneinigkeit über die möglichen Auswirkungen von Fair Share

Die Konsequenzen einer Einführung und Umsetzung des Fair Share-Konzeptes für die Nutzer:innen im Internet werden von verschiedenen Stakeholdern positiv eingeschätzt und bewertet. Der Branchenverband ETNO spricht in einem FAQ zur Fair Share-Debatte von positiven Effekten für Konsument:innen: Diese müssten die Kosten für Kommunikationsservices dann nicht mehr alleine tragen, da auch die Beiträge der OTT-Konzerne zu diesem Zweck genutzt würden. So ließe sich durch den größeren finanziellen Spielraum der Netzbetreiber auch der Ausbau von 5G und anderen hochqualitativen Netzwerken beschleunigen. Der Netzausbau würde zudem inklusiver und verbreiteter, um möglichst viele Regionen mit einzuschließen. Des Weiteren sollen mit Hilfe der Fair Share-Abgaben schnellere Verbindungen und ein zuverlässigeres, sichereres Netz eingerichtet werden, das mehr Kapazität für datenintensive Anwendungen bietet.

Foto: Henning Koepke / Telefónica Deutschland

Doch es gibt nicht nur Befürworter für Fair Share. So argumentiert etwa Netzpolitik.org, dass der Netzausbau gar nicht an finanziellen Mitteln scheitern würde, sondern dass Engpässe auf mangelnde Baukapazitäten und komplizierte Genehmigungsverfahren zurückzuführen seien. Demnach würden also auch weitere Investitionen in den Netzausbau diese Probleme nicht beheben können. Diese Sichtweise übersieht allerdings, dass für den Netzausbau in erster Linie Finanzmittel notwendig sind. Hier könnten die OTT-Dienstleister verursachungsgerecht ihren Teil beitragen.

OTT Fair Share ist keine Frage der Netzneutralität

Genauso umstritten ist die potentielle Bedrohung der Netzneutralität und der Open Internet-Prinzipien durch eine mögliche Fair Share-Implementierung.

Die Gegner von Fair Share warnen davor, dass es bei einer Umsetzung des Konzepts zu einer bevorzugten Behandlung von Unternehmen kommen könnte, die für die Durchleitung ihrer Daten eine Gebühr bezahlen. Das Internet-Ökosystem könnte laut der europäischen Regulierungsbehörden BEREC auf diese Weise signifikant beschädigt werden. Der Branchenverband ETNO kommt hingegen zu dem Schluss, dass das Fair Share-Konzept die Open Internet-Prinzipien nicht bedrohe, da eine faktische Ungleichbehandlung des Datenverkehrs überhaupt nicht Teil des Konzepts ist. Allein durch die Tatsache, dass ein Teil der Verursacher des Datenverkehrs für die damit in Verbindung stehenden Kosten aufkommen könnten, hat nicht zur Folge, dass deren Datenverkehr anders behandelt wird, als jeder andere Datenverkehr im offenen Internet.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt / Ausschnitt bearbeitet

Fair Share – eine Frage europäischer Industriepolitik

Auch Telefónica, die Betreiberin dieses Blogs, befasst sich intensiv mit der Debatte und hat hierzu bereits mehrfach Stellung bezogen. Neben den viel diskutierten Aspekten der Internet Governance stellt sich für Telefónica hierbei vor allem die Frage, welche Pläne die europäische Politik verfolgt, um die Resilienz des europäischen Telekommunikationsmarktes und den Ausbau der Netze zu stärken. Vor den Hintergrund der Zeitenwende, die auch in der Digitalpolitik stattfindet, sollte es aus Sicht von Telefónica eine politische Priorität haben, den europäischen Telekommunikationsmarkt wirtschaftlich zu stärken. Fair Share könnte hierbei eine zentrale Rolle spielen.

Am Ende hängen die Wirksamkeit und die Auswirkungen des Fair Share-Vorschlags vor allem davon ab, wie er auf europäischer Ebene konkret ausgestaltet und umgesetzt wird. In den dafür anstehenden politischen Aushandlungsprozessen sollte es möglich sein, eine kluge Lösung zu finden, die sowohl die Argumente der Befürworter als auch die Bedenken der Kritiker ausreichend berücksichtigt.

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