Digitale Infrastruktur: Was steht in der neuen Gigabitstrategie?

Foto: CC0 1.0 | Pixabay User noelsch und Cnippato78 | Montage
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Veröffentlicht am 13.07.2022

Heute hat das Kabinett die lang angekündigte Gigabitstrategie der Bundesregierung verabschiedet. Welche Themen und Maßnahmen sieht die Strategie vor – und wie ist sie zu bewerten?

Die Eckpunkte der Gigabitstrategie hatte Digitalminister Volker Wissing bereits im März vorgestellt. Die anschließende Abstimmung mit den anderen Ressorts und der letzte Feinschliff haben dann doch noch etwas Zeit beansprucht, sodass die Gigabitstrategie erst jetzt – in der ersten Woche der parlamentarischen Sommerpause ­– in der Runde seiner Regierungskolleg:innen beschlossen werden konnte.

Ziel: Bis 2030 zum Gigabitland werden

Immerhin ist es etwas mehr als ein halbes Jahr nach dem Antritt der Ampelkoalition überhaupt gelungen, ein entsprechendes Dokument vorzulegen. Denn den Wunsch nach einer ambitionierten Strategie, die Deutschland zur Gigabitgesellschaft machen soll und über die bisherigen Vorhaben beim Breitbandausbau hinausgeht, gibt es gleichwohl wesentlich länger.

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Als übergeordnetes Ziel formuliert die neue Strategie die flächendeckende Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus und dem neuesten Mobilfunkstandard bis 2030, was auch für ländliche Gebiete gelten soll. Der eigenwirtschaftliche Ausbau soll dabei im Vordergrund stehen und den Übergang von Kupfer- auf Glasfasernetze möchte die Regierung „zügig, wettbewerbskonform und verbraucherfreundlich gestalten“, wie es im Papier heißt.

Als Zwischenziel wird angestrebt, die Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis Ende 2025 auf 50 Prozent zu erhöhen. Dies bedeutet eine Verdreifachung bzw. einen Zuwachs von rund 15 Mio. Anschlüssen im Vergleich zu 2021. Und im Mobilfunk möchte die Bundesregierung bis dahin „unterbrechungsfreie drahtlose Sprach- und Datendienste für alle Endnutzer erreichen“, wobei ein Schwerpunkt auf die Verkehrswege gelegt wird.

Status Quo: Es ist noch viel zu tun

Die Ausgangslage sieht laut der Strategie dabei folgendermaßen aus:

  • 62 Prozent der privaten Haushalte verfügten Mitte 2021 über gigabitfähige Breitbandanschlüsse, während 95 Prozent Zugang zu Breitbandanschlüssen mit mindestens 50 Mbit/s hatten. Die Verfügbarkeit in ländlichen Gebieten fällt mit 25 Prozent für Gigabitanschlüsse und 83 Prozent für 50 Mbit/s-Anschlüsse dabei jedoch deutlich ab.
  • Die Versorgung mit Glasfaserfaseranschlüssen betrug letztes Jahr bundesweit 16 Prozent für private, gewerbliche und öffentliche Endkunden. Allerdings ist die Zahl seit 2019 deutlich angestiegen.
  • Im Mobilfunk lag die 5G-Versorgung Anfang 2022 bei 58 Prozent der Fläche Deutschlands, während mehr als 96 Prozent der Fläche von mindestens einem Mobilfunknetzbetreiber mit 4G versorgt wurden. Auf nur noch 0,36 Prozent der Fläche der Bundesrepublik sind Funklöcher zu finden, also Gebiete die nicht mit Mobilfunktechnologie und von keinem Netzbetreiber versorgt werden.

Die spannende Frage ist nun, wie die Versorgungszahlen bis 2030 in die Höhe getrieben werden sollen. Die Gigabitstrategie sieht dafür mehrere Maßnahmen vor.

Es wird auf die Länder ankommen

Foto: Henning Koepke

Die Bundesregierung möchte vor allem den privatwirtschaftlichen Ausbau der Netze mit geeigneten Rahmenbedingungen unterstützen, indem sie Genehmigungsverfahren vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert. So soll es etwa Änderungen im Baurecht geben, z.B. die genehmigungsfreie Errichtung mobiler Funkmasten für einen Zeitraum von zwei Jahren. Außerdem sollen die gesetzlich vorgegebenen Abstandsflächen und Anbauverbotszonen von Straßen deutlich reduziert werden. Allerdings liegen fast alle Pläne zu den Genehmigungsverfahren im Zuständigkeitsbereich der Länder, weshalb der Bund hier auf ihre Kooperation angewiesen ist.

In einem in der letzten Woche bekannt gewordenen Entwurf der Gigabitstrategie war zudem noch die Rede von einer Genehmigungsfiktion im Baurecht, die den Ausbau von neuer Infrastruktur grundsätzlich auch ohne finale Baugenehmigung möglich machen sollte. Dieser Ansatz wurde in dem heute vorgelegten Beschluss des Kabinetts ersatzlos gestrichen. Damit hat die Bundesregierung sich zumindest derzeit davon verabschiedet, ein zentrales Instrument zur Beschleunigung zu nutzen. Baugenehmigungen werden so auch weiterhin ein Bremsschuh für den Netzausbau in Deutschland sein.

Für einen effizienten Ausbau der digitalen Infrastrukturen plant die Regierung mit dem Gigabit-Grundbuch zudem ein umfassendes Onlinetool, das alle relevanten Informationen, z.B. aus dem Mobilfunkmonitoring, dem Infrastrukturatlas, dem Breitbandatlas, der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) und diversen Förderprogrammen, zentral aufbereitet.

Alternative Verlegeverfahren und wenig Neues zur Frequenzvergabe

Im Festnetzbereich sieht die Strategie vor allem den stärkeren Einsatz alternativer Verlegeverfahren vor, um den flächendeckenden Ausbau von Gigabitinfrastrukturen voranzutreiben. Zusätzlich zum klassischen Tiefbau wird das Trenching genannt, bei dem Glasfaserleitungen in niedrigen Gräben oder Gehwegen verlegt werden. Hierfür müssen jedoch noch Fragen der Normierung und Haftung gesetzlich geklärt werden. Außerdem ist ein Pilotprojekt zur Mitnutzung oberirdischer Leitungen geplant, das besonders in dünn besiedelten Regionen zur Anwendung kommen könnte. Die Bundesnetzagentur und das Gigabitforum sollen den Glasfaserausbau regulatorisch begleiten.

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Im Bereich des Mobilfunks betont die Strategie hinsichtlich der Bereitstellung von Frequenzen und der Marktregulierung hauptsächlich die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur und verweist auf die noch fortlaufende Entwicklung eines frequenzregulatorischen Gesamtkonzepts für die Frequenzbereiche von 800 MHz, 1,8 GHz und 2,6 GHz durch die BNetzA. Dieses Konzept soll dann die flächendeckende 5G-Versorgung, den bedarfsgerechten Ausbau, sowie die Pole Wettbewerb und Kooperation in Einklang bringen. Der politische Gestaltungswille der Strategie bleibt in diesem Punkt somit nur schwach ausgeprägt, während die Bundesregierung zentrale Entscheidungen der Bundesnetzagentur überlässt. Rund ein Jahr vor der nächsten Weltfunkkonferenz (WRC-2023) legt die Regierung in ihrer Strategie nicht mal fest, mit welchen Zielen sich Deutschland bei der internationalen Harmonisierung von Frequenzen einbringen will.

Mit vielen Einzelmaßnahmen zum großen Wurf?

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Foto: Pixabay User geralt | CC0 1.0 | Montage

Weitere Aspekte zum Mobilfunk betreffen zum Beispiel ein 5G-Ökosystem, das die Nutzung von Campus-Netzen in der Industrie erhöhen soll, bereits bekannte Maßnahmen zur besseren Mobilfunkversorgung an Bahnstrecken und in Zügen sowie eine neue industrieübergreifende Initiative „5G am Gleis“. Mithilfe von bestehenden und erweiterten Fördermaßnahmen wie dem 5G-Innovationsprogramm, Projekten zur Open RAN-Technologie oder zur Entwicklung von 6G soll das Innovationspotenzial von Mobilfunknetzen gehoben werden. Hinzu kommen eher institutionelle Punkte wie die geplante Weiterentwicklung des Mobilfunkmonitorings oder die Entscheidung, die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft zu erhalten und sie auf die Aufgabe der Markterkundungsverfahren und Identifizierung von Versorgungslücken im Mobilfunknetz zu konzentrieren. Oder der Hinweis auf das Gigabitbüro des Bundes, das als Informations- und Beratungsstelle für die Kommunen und Bürger:innen fungieren soll, unter anderem mit einer Kommunikationskampagne zum 5G-Ausbau.

Insgesamt entsteht bei der Lektüre der Gigabitstrategie der Eindruck, dass zwar viele kleine und große Inhalte des anvisierten Netzausbaus angesprochen werden – eine industriepolitische Gesamtbetrachtung der damit verbundenen Aufgaben daraus allerdings nicht entstanden ist. So bleiben Themen wie der Verbraucherschutz, die Marktregulierung oder die Steigerung der Investitionsfähigkeit privater Infrastrukturunternehmen weitgehend außen vor. Deshalb werden sich viele Akteure aus Politik und Wirtschaft wohl schon bald für eine Nachjustierung aussprechen. Da die Umsetzung der Strategie fortlaufend durch ein unabhängiges Monitoring evaluiert werden soll, ist die Gelegenheit für punktuelle Verbesserungen in den nächsten Jahren zumindest gegeben.

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