Bundestagswahl 2013: Netzpolitische Wahlprogramme im Vergleich

Veröffentlicht am 09.04.2013

Im September wird der neue Bundestag gewählt. Wir beleuchten das netzpolitische Wahlprogramm der Parteien: Wer ist wofür? Wer ist wogegen? Welche Punkte werden thematisiert?

Bei der Ausarbeitung ihrer Wahlprogramme für die Bundestagswahl sind die Parteien unterschiedlich weit fortgeschritten. Die CDU legte bisher nur Stichpunkte vor, die als Diskussionsgrundlage für Bürgerbeteiligung dienen sollen. Die FDP hat ein umfassendes Arbeitsdokument herausgegeben, das öffentlich diskutiert werden kann. Auch die Linke stellt ihren Entwurf zur Diskussion. Die SPD hat ihren Entwurf für ein Regierungsprogramm veröffentlicht, nachdem Bürger im Vorfeld am Wahlprogramm mitschreiben konnten. Der Programmentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ist im Hinblick auf netzpolitische Themen bisher der ausführlichste.

Breitbandausbau

Alle fünf Parteien wollen sich für einen flächendeckenden Breitbandausbau einsetzen. Von der CDU wird er – genau wie die Internetversorgung über WLAN in Großstädten – zwar als wichtiges Element betont, konkrete Pläne zur Umsetzung fehlen jedoch im Entwurf noch. Der aktuelle Koalitionspartner FDP plädiert für einen technologieoffenen Ausbau.

SPD, Grüne und Linke werden konkreter in ihren Forderungen: Alle drei Parteien streben eine Universaldienstverpflichtung an, um den flächendeckenden Ausbau des Hochgeschwindigkeitsdatennetzes voranzutreiben. Während die Grünen dies mit gezielten Fördermaßnahmen voranbringen möchten, will die SPD Rahmenbedingungen für zusätzliche private Investitionen schaffen. Die Linke will Kommunen und Freifunkinitiativen fördern, damit diese kostenfreie und autonome Funknetze einrichten.

Sowohl Grüne als auch Linke fordern weiterhin, die Störerhaftung dahingehend zu ändern, dass es Rechtssicherheit für Anschlussinhaber gibt.

Datenschutz

Die CDU setzt sich beim Thema Datenschutz für das Recht auf Vergessen ein. Das heißt: Alle im Internet veröffentlichten persönlichen Daten sollen von Nutzern auch wieder gelöscht werden können. Die SPD spricht sich dafür aus, dass Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken und vor dem Missbrauch ihrer Daten geschützt werden. Die Speicherung von Bewegungsprofilen lehnt die Partei komplett ab, während die Speicherung von Daten klar geregelt und auf die Ermittlung in schwersten Straftaten beschränkt werden soll.

FDP und Grüne sprechen sich gegen die staatliche Überwachung und Analyse von Daten im Internet aus Gründen der Cybersicherheit und eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung aus. Die Grünen gehen hier noch einen Schritt weiter, indem sie pseudonyme und anonyme Kommunikation gesetzlich absichern wollen. Außerdem will die Partei durch eine Ausfuhrkontrolle sicherstellen, dass Technologien, die Zensur ermöglichen, nicht in autoritäre Staaten übermittelt werden. Weiterhin unterstützen sie den gesetzlich verpflichtenden Datenschutz durch Technik (Privacy by Design) sowie den Schutz vor ungewollter Profilbildung und automatisierter Bewertung von Daten (Scoring).

Auch die Linke will den Datenschutz stärken und das Recht auf Anonymität im Netz erhalten: Die Möglichkeit zur Nutzung von Diensten und Anwendungen dürfe nicht von einer Einwilligung in die Datenerhebung oder -weitergabe abhängen. Desweiteren will sich die Linke  für datenschutzfreundliche Technik, datensparsame Grundeinstellungen (Privacy by Default) sowie für die Möglichkeit, eigene Daten auch wieder mitzunehmen (Datenportabilität) einsetzen. Digitale Rasterfahndungen und Vorratsdatenspeicherung sollen verboten werden. Genauso der Export von Software und Geräten, mit denen Internetnutzer verfolgt werden können.

Medienkompetenz

Nach Plänen der CDU sollen künftig alle Kindergärten, Schulen und Hochschulen mit Computern und Internet-Zugang ausgestattet sein.

Die SPD will zumindest Schulen mit mobilen Computern und digitalen Lernutensilien ausstatten und darüber hinaus auch Schulbücher online verfügbar machen. Voraussetzung dafür sei eine entsprechende Ausbildung der Lehrkräfte sowie angepasste Bildungskonzepte.

Dies sehen die Grünen ähnlich: Medienkompetenz soll bundesweit als eigenes Thema in der Ausbildung von Erziehern, Lehrern und Betreuern etabliert werden, um auf diesem Weg eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit im Internet zu etablieren.

Auch die Linke will Informations- und Partizipationsangebote barrierefrei gestalten. Ein Schritt dahin ist für sie die Anerkennung internetfähiger Endgeräte als Teil des soziokulturellen Existenzminimums.

Urheberrecht

Beim Thema Urheberrecht belässt es die CDU bei der Formel von der Schaffung eines fairen Interessenausgleichs zwischen Nutzern und Urhebern. Wie dieser konkret aussehen soll, wird zunächst offen gelassen.

Die vier anderen Parteien sprechen sich für eine Modernisierung des rechtlichen Rahmens aus: Die FDP möchte die internationale Zusammenarbeit gegen Online-Portale mit rechtswidrigen Inhalten auf ausländischen Servern verstärken. Privatkopien hingegen sollen rechtlich ermöglicht oder nicht mehr pauschal vergütet werden. Auch neue Geschäftsmodelle zur Vergütung von Urhebern sollen geprüft werden.

Die Grünen lehnen die umstrittenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen wie etwa Warnhinweismodelle, Inhalte-Sperrung, das Aufheben der Anonymität, oder das Abmahnwesen allesamt ab. Als Alternative plädieren sie für das Löschen verbotener Inhalte. Gleichzeitig soll die Vergütung der Urheber besser geregelt werden: Verwertungsgesellschaften werden von den Grünen grundsätzlich als Instrument anerkannt, sie verlangen jedoch mehr Mitsprache und Transparenz. Alternative Geschäftsmodelle wie Creative Commons sollen ebenso in Betracht gezogen werden wie andere Vergütungsoptionen. Hier sehen die Grünen besonderes Potenzial in einer pauschalen Abgabe auf Breitbandinternetanschlüsse. Das Recht auf digitale Privatkopien soll gestärkt und ohne technische Einschränkungen gesichert werden. Für die Nutzung kreativer Inhalte in Remixes und Mash-Ups soll eine neue Schranke entwickelt werden, welche die nicht-kommerzielle Verarbeitung gesetzlich absichert. Beim Abmahnwesen soll ein klarer rechtlicher Rahmen definiert und der Streitwert deutlich reduziert werden.

Auch die SPD will den häufig kritisierten Abmahnmissbrauch durch eine Deckelung des Streitwerts im privaten Bereich eindämmen. Im Urhebervertragsrecht sollen die Konfliktlösungsmechanismen effizienter ausgestaltet werden, etwa durch die Ergänzung von Kontroll- und Sanktionsinstrumenten. Verwaiste und vergriffene Werke sollen digitalisiert werden, um das kulturelle Erbe zu erhalten. Urheberrechtsverletzungen, vor allem mit kommerziellem Vertrieb, soll konsequent Einhalt geboten werden. Als Idee dafür wird die Sanktionierung der Kooperation von illegalen Plattformen mit Werbetreibenden und Zahlungsdienstleistern genannt, um deren Finanzierung zu untergraben. Maßnahmen wie Internetsperren oder die individuelle Sperrung des Internetzugangs lehnen die Sozialdemokraten ebenso ab wie eine flächendeckende Inhaltefilterung des Datenstroms.

Die Linke setzt sich für neue Lizenz- und Vergütungsmodelle sowie für eine umfassende Reform der Verwertungsgesellschaften ein. Die Verlängerungen urheberrechtlicher Schutzfristen sollen umgekehrt werden, um die Grundlage für faire, nicht-kommerzielle Nutzungsmöglichkeiten schaffen. So sollen etwa nicht-kommerzielle Nutzungshandlungen in Tauschbörsen legalisiert werden. Darüberhinaus wird ein Recht auf Weiterverkauf von digitalen Kulturgütern eingefordert.

Open Data

Die FDP will, dass Forscher und Wissenschaftler – auch öffentlich geförderter Forschungsprojekte – über den freien Zugang zu Werken und Beiträgen selbst entscheiden dürfen.

Die CDU möchte mit einem Open-Data-Konzept mehr Informationen digital zugänglich machen sowie e-Government und e-Partizipation voranbringen.

Die Grünen hingegen fordern ganz konkret, dass staatliche Stellen Informationen nicht nur auf Anfrage herausgeben, sondern Dokumente, Analysen, Gutachten, Erhebungen oder Statistiken proaktiv als offene Daten im Internet frei verfügbar gemacht werden sollen.

Die SPD will Offenheit bei all jenen Daten, Verträgen und Verfahren, an denen öffentliches Interesse besteht. Die Partei setzt sich für ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild ein. Der Zugang zu staatlichem Wissen soll mit Open-Data-Projekten gefördert und so transparenter gestaltet werden. Auch die Ministerien sollen für mehr Bürgerbeteiligung, etwa an Gesetzentwürfen, geöffnet werden.

Die Linke will Datenbestände von Verwaltungen, Behörden und öffentlichen Unternehmen im Internet unter freien Lizenzen zugänglich machen.

Fazit

Bei der Auswahl der netzpolitischen Themen, die in die Wahlprogramme aufgenommen werden, lassen sich große Übereinstimmungen bei allen fünf Parteien feststellen – auch wenn die Gewichtung zum Teil variiert. So besteht etwa bei der Notwendigkeit des Breitbandausbau oder der Stärkung des Verbrauchers bei Datenschutzfragen parteiübergreifender Konsens. Was sich unterscheidet sind aber natürlich die Herangehensweisen und Lösungsvorschläge.

Die Entwürfe zu den Wahlprogrammen sind aktuell unterschiedlich weit vorangeschritten. Abzuwarten bleibt, inwieweit sich die Programme noch verändern beziehungsweise konkretisieren werden.

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