#BTW21: Digitaler Klimaschutz als Zukunftsthema?

Foto: CC0 1.0, Pixabay User geralt | Ausschnitt angepasst
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Veröffentlicht am 26.07.2021

Wir setzen unsere Serie zur kommenden Bundestagswahl fort und möchten ein Thema näher betrachten, das zwei Zukunftsthemen miteinander vereint: der digitale Klimaschutz. Welche Bedeutung räumen die Parteien ihm ein? Und welche Ideen und Vorschläge haben sie, um Klimaschutz und Digitalisierung künftig miteinander zu verbinden?

Der Schutz des Klimas spielt in den politischen Debatten hierzulande spätestens seit den Demonstrationen von Fridays for Future eine immer größere Rolle. Hinzu kommen extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, großflächige Waldbrände oder – aktuell – Überschwemmungen durch einen Rekord-Niederschlag. Sie verdeutlichen, dass die menschengemachte Erderwärmung dringend begrenzt werden muss.

Das Potenzial digitaler Technologien

Bei der Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase kann die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielen. Zwei Studien von Bitkom aus diesem und dem letzten Jahr haben das noch einmal verdeutlicht. Demnach könnten digitale Technologien helfen, bis 2030 jährlich 86 bis 129 Millionen Tonnen Treibhausgas einzusparen. Das Bundesumweltministerium hat das Potenzial, aber auch die Risiken der Digitalisierung für den Klimawandel ebenfalls erkannt und in einer umweltpolitischen Digitalagenda beschrieben.

Vor diesem Hintergrund ist eigentlich zu erwarten, dass die Verbindung von Klimaschutz und Digitalisierung auch in den Programmen der Parteien prominent vertreten sein sollte. Tatsächlich nehmen die Themen Klimaneutralität und nachhaltige Entwicklung sowie Digitalisierung und Ausbau der digitalen Infrastruktur für sich genommen in (fast) allen Wahlprogrammen beträchtlichen Raum ein. Die Abschnitte, in denen beides durch konkrete Forderungen in Verbindung gesetzt wird, bleiben aber meist begrenzt. Der Begriff „digitaler Klimaschutz“ findet sich nirgendwo, dafür aber Formulierungen wie „Grüne Digitalisierung“ oder „Clean-Tech-Forschung“.

Die Vorschläge der Parteien

Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU setzen sich die beiden langjährigen Regierungsparteien das Ziel, Deutschland bis 2045 zum klimaneutralen Industrieland zu machen – also nur so viel Treibhausgase in die Atmosphäre abzugeben, wie anderweitig kompensiert werden kann. Das möchte die Union insbesondere durch den Ausbau des Emissionshandels, einen intelligenten Energiemix, aber auch durch Innovationen und neue Technologien erreichen. Konkret sollen Investitionen in Klimatechnologien und Energieeffizienz zur CO2-Reduktion künftig steuerlich besser abgesetzt werden können. Damit Verbraucher:innen in besonders ressourcenschonende digitale Technologien investieren, sollen sie bei ihren Konsum- und Produktionsentscheidungen auf einen Blick sehen können, welche CO2-Bilanz ein Produkt hat. Zudem sollen die Clean-Tech-Forschung sowie Startups und kleine und mittlere Unternehmen stärker gefördert werden, die digitale Lösungen für Energie- und Ressourceneffizienz entwickeln. Die Union verfolgt damit vor allem eine angebotsorientierte Herangehensweise, die den Verbraucher:innen und Unternehmen beim digitalen Klimaschutz nicht zu viel vorschreiben soll.

Die SPD, seit 2013 ebenfalls an der Bundesregierung beteiligt, ruft ein klimaneutrales Deutschland und digitale Souveränität als zwei ihrer vier Missionen für eine lebenswerte Zukunft aus. Für beide Bereiche plant sie ein hohes Niveau an öffentlichen Investitionen. Für eine sozialökologische und digitale Transformation der Wirtschaft möchte die SPD bereits vorhandene dezentrale Strukturen fördern und sie zu „Transformationszentren als Werkstätten des Wandels“ ausbauen. Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, setzt sie unter anderem auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Digitalisierung der Stromnetze und eine Steigerung der Energieeffizienz. Zudem soll mithilfe digitaler Technologien „bis 2030 das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas“ aufgebaut werden, etwa durch die Digitalisierung des Schienenverkehrs oder die Nutzung vernetzter Mobilitätsangebote auf digitalen Plattformen.

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Die Grünen setzen entsprechend ihres Rufs als Umweltpartei einen Schwerpunkt auf die sofortige Umsetzung eines Klimaschutzprogramms. Mithilfe einer grünen Digitalisierung möchten sie klimagerechten Wohlstand schaffen. Vor allem digitale und datengetriebene Innovationen, zum Beispiel vernetzte Fahrzeuge oder intelligente Bewässerung auf Feldern, die dazu beitragen, den Energie- und Ressourcenverbrauch stärker zu reduzieren, sollen besonders gefördert werden. Allgemein sollen Ausschreibungs- und Beschaffungskriterien so angepasst werden, dass vorrangig sozial-ökologisch nachhaltige Technologien zum Einsatz kommen. So planen die Grünen, bei IT-Beschaffungen des Bundes entsprechende ökologische und soziale Kriterien einzuführen und alle seine Rechen- und Datencenter mit erneuerbarer Energie zu betreiben. Zugleich möchten sie Anreize schaffen, den Stromverbrauch von Rechenzentren im Allgemeinen zu reduzieren. Darüber hinaus sollen öffentliche Investitionszuschüsse und Klimaverträge helfen, Unternehmen dauerhafte Planungssicherheit für langfristige Investitionen in Klimaschutztechnologien zu geben. Im Programm der Grünen findet sich somit eine breite Mischung aus Anreizen und Vorschriften für mehr digitalen Klimaschutz.

Die FDP betont in ihrem Programm sehr stark die Chancen der Digitalisierung insgesamt, während der Klimaschutz eine eher untergeordnete Rolle einnimmt. Die Partei begreift Umweltpolitik als Innovationsmotor und unterstützt „alle Innovationen in Züchtung, Pflanzenschutz, Digitalisierung und anderen Bereichen, die durch ihre Nutzung dazu beitragen, die Belastung der Umwelt zu minimieren.“ Die Digitalisierung der Energiewende in Deutschland soll durch smarte Anwendungen zur Verbesserung der Energieeffizienz vorangebracht werden. Darüber hinaus möchte die FDP nachhaltige Rechenzentren durch innovative Technologien und energieeffiziente IT-Architekturen fördern sowie Anreize zur Abwärmenutzung von Rechenzentren setzen, um diese klimafreundlicher zu machen. In der Landwirtschaft soll zudem „Smart Farming“ helfen, die Betriebe umweltgerecht zu optimieren. Entsprechend ihrem Selbstverständnis als Partei der Freiheit versucht die FDP somit vor allem Angebote an Verbraucher:innen und Unternehmen statt Vorschriften für digitalen Klimaschutz zu machen.

Die Linkspartei setzt sich besonders für einen sozial gerechten Klimaschutz ein, während sie bei der Digitalisierung neben den Chancen vor allem die Risiken für die Umwelt hervorhebt: „Die Digitalisierung erlaubt umweltfreundlichere Formen des Arbeitens, hat aber gleichzeitig einen ökologisch verheerenden Bergbauboom ausgelöst. Selbstverständlich sind grüne Technologien Teil des sozialökologischen Systemwechsels, aber sie allein werden die Naturzerstörung nicht stoppen.“ Die Partei fordert deshalb eine Abwägung der ökologischen Kosten neuer digitaler Anwendungen und gesetzliche Vorgaben zur Mindestlebensdauer und Energieeffizienz von mobilen Endgeräten, ebenso wie strenge sozialökologische Vorgaben für die öffentliche Beschaffung. Auch für die Softwareprogrammierung soll gesetzlich das Prinzip der Energie- und Datensparsamkeit vorgeschrieben werden. Alle Rechenzentren sollen in ein Kataster mit Energieausweis eingetragen und ihre Abwärme soll verpflichtend zur Gebäudeheizung eingesetzt werden. Zusätzlich strebt die Linke ein Verbot der energie- und ressourcenverschwendenden Erzeugung so genannter Krypto-Währungen an. Die Partei setzt also ganz klar auf strengere staatliche Regeln beim digitalen Klimaschutz.

Da die AfD als einzige im Bundestag vertretene Partei Klimaschutzmaßnahmen an sich ablehnt, gibt es in ihrem Programm auch keine Vorschläge für digitalen Klimaschutz. Stattdessen fordert sie, dass Deutschland aus allen staatlichen und privaten Klimaschutz-Organisationen austreten solle, da das Klima per se „nicht schutzfähig“ sei.

Und was passiert nach der Wahl?

Inwiefern diese Vorschläge nach der Wahl Eingang in das Programm der nächsten Bundesregierung finden und dann tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, hängt natürlich vor allem vom Wahlergebnis am 26. September sowie von den anschließenden Koalitionsverhandlungen ab. Die aufgrund der aktuellen Umfragen derzeit realistischsten Optionen einer schwarz-grünen oder schwarz-rot-gelben Koalition werden bei einigen der oben genannten Punkte sicherlich nur schwer zusammenfinden. Insbesondere die grundsätzlichen Ausrichtungen von Union und Grünen – eher mittelfristige versus sofortige Maßnahmen – beim Klimaschutz bergen Konfliktpotenzial. Bei den Zielen – weniger Treibhausgase, weniger Stromverbrauch und effizientere Energienutzung durch digitale Technologie – sind sich die für eine Regierung infrage kommenden Parteien zwar im Grunde einig, aber der Weg und die Geschwindigkeit dorthin werden umstritten sein, besonders was die Rolle des Staates zwischen Anreizgeber und Regulierer betrifft. Das Thema digitaler Klimaschutz wird jedenfalls weiterhin auf der politischen Agenda bleiben, da sowohl der Klimawandel als auch die Digitalisierung in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung noch wachsen werden. Das Potenzial, mithilfe digitaler Lösungen der Erderwärmung entgegenzuwirken, ist dabei noch lange nicht ausgeschöpft.

Mehr Informationen:

Bundesregierung: Die umweltpolitische Digitalagenda
Bundestagswahl: Die Wahlprogramme der Parteien zum Nachlesen

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