Standpunkt: Wie ein echter europäischer Binnenmarkt für Telekommunikation erreicht werden kann


Autoren: Philippe Gröschel, Paloma Villa Mateos und Dácil Jiménez Delgado
Damit das digitale Potenzial Europas vollständig erschlossen werden kann, muss der europäische Binnenmarkt dringend weiterentwickelt werden. Telefónica skizziert in einem Policy Brief eine Vision für den Telekommunikationsmarkt, die auf drei pragmatischen Säulen beruht: Marktkonsolidierung, um Skaleneffekte zu nutzen, regulatorische Vereinfachung statt lediglich einer Harmonisierung und die Förderung der technologischen Konvergenz.
In jeder Hinsicht ist der Binnenmarkt der Eckpfeiler der europäischen Wettbewerbsstrategie und der Motor für Integration, Wohlstand und wirtschaftliche Größe. Für den Telekommunikationssektor klang das Narrativ eines vollständig integrierten Binnenmarktes jedoch seit Beginn der Marktliberalisierung unrealistisch. Fragt man führende Vertreter der Branche, was der Binnenmarkt in der Praxis bedeutet, so hört man oft eher von Fragmentierung, Ineffizienzen und Asymmetrien als von Chancen.
Gerade deswegen ist es keine Option sich aus dieser Debatte zurückzuziehen. Die Europäische Kommission hat letzte Woche unter dem Titel „The Single Market: our European home market in an uncertain world“ eine neue Strategie veröffentlicht, in der sie betont, dass der derzeitige Rechtsrahmen aktualisiert werden muss. Dies soll dazu beitragen zukunftssichere digitale Netze und eine sichere und widerstandsfähige Infrastruktur sowie digitale Dienste auf europäischer Ebene gewährleisten zu können. Der Übergang zu Cloud-Infrastrukturen und die Nutzung künstlicher Intelligenz erfordern eine schnellere, sicherere und zuverlässigere Konnektivität. Außerdem muss die Fragmentierung des Sektors überwunden werden, damit das Potenzial des digitalen Binnenmarkts voll ausgeschöpft werden kann.

Wenn der Telekommunikationssektor eine führende Rolle bei der Gestaltung der digitalen Zukunft Europas spielen soll, müssen die politischen Entscheidungsträger:innen eine konstruktive Überprüfung des Status-Quo ermöglichen, die die Realität der Märkte widerspiegelt und gleichzeitig mit den ehrgeizigen Zielen der europäischen Industriepolitik übereinstimmt. Zuletzt wurde dieses Erfordernis auch in den Berichten von Draghi und Letta hervorgehoben.
In Telefónicas Policy Brief „Hindernisse überwinden: Wie ein echter europäischer Binnenmarkt erreicht werden kann“ schlagen wir vor, den Telekommunikationsbinnenmarkt auf drei pragmatische Säulen zu stellen:
- Marktkonsolidierung: Nachhaltige Investitionen in Hochleistungsnetze – Glasfaser, 5G Stand Alone und Edge-Cloud – sind nur rentabel, wenn Unternehmen eine ausreichende Größe erreicht haben, also einen ausreichend großen Kundenstamm verzeichnen, der die Refinanzierung von Infrastrukturinvestitionen ermöglicht. Diese Skaleneffekte können nur in den Heimatmärkten erreicht werden, in denen die Betreiber ihre Netze aufbauen. Grenzüberschreitende Fusionen im Telekommunikationsmarkt mögen verlockend erscheinen, aber da die Renditen auf den verschiedenen geografischen Märkten sehr unterschiedlich ausfallen (bedingt durch Marktstruktur, Wettbewerb und Regulierung), überwiegen lokale Faktoren bei Expansionsentscheidungen oft die potenziellen Größenvorteile. Daher sind grenzüberschreitende Fusionen nicht die Lösung, vor allem solange die Inlandsmärkte noch immer strukturell fragmentiert sind. Ohne zunächst auf dem lokalen Markt zu skalieren, wird sich die paneuropäische Vision nicht verwirklichen lassen.
- Vereinfachung statt Harmonisierung: Der Telekommunikationssektor steht vor einem Paradoxon: Die Antwort der EU auf die regulatorische Fragmentierung war allzu oft… mehr Regulierung. Anstatt EU-Vorschriften über 27 nationale Rechtsrahmen zu legen, brauchen wir weniger, klarere und zukunftssichere Vorschriften. Vereinfachung, nicht Harmonisierung um ihrer selbst willen, ist der Weg zu Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.
- Technologische Konvergenz: Ein großer Schritt auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für Telekommunikation wird von der Technologie ausgehen. Cloudifizierug, KI-gesteuerte Netze und Schnittstellen lösen alte Grenzen auf. Der Binnenmarkt kann nicht mit alten Werkzeugen gebaut werden, er muss im richtigen regulatorischen Umfeld erschaffen werden. Dies erfordert auch, dass faire Wettbewerbsbedingungen in einem konvergenten digitalen Markt gewährleistet und staatlicherseits Investitionen in neue digitale Infrastrukturen gefördert werden. So könnten digitale Dienste und Plattformen im europäischen Maßstab ermöglichen werden.
Europa befindet sich in einer entscheidenden Phase. Die Telekommunikationsbetreiber investieren mehr denn je, aber sinkende Rentabilität, Überregulierung und fragmentierte geografische Märkte untergraben ihre Möglichkeiten, die Infrastruktur der nächsten Generation bereitzustellen. Ein neu gestalteter Binnenmarktansatz ist unerlässlich, um den Sektor wieder attraktiv für Investitionen zu machen – und um Europa an die Spitze der digitalen Innovation zu bringen. Diese Vision steht nicht im Widerspruch zum europäischen Projekt. Sie stärkt es. Sie ist ein Aufruf zu Vertrauen in eine investitionsorientierte Politik und dazu, die Industriepolitik und den digitalen Ehrgeiz wieder in den Mittelpunkt des europäischen Binnenmarktes zu stellen.
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Dieser Artikel wurde ebenfalls im Telefónica S.A. Blog veröffentlicht:
Telecom Single Market: Scale, Simplification and Technological Convergence