Sexismus: Digitaler Hass gegen Frauen und die Reaktion der Politik

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Veröffentlicht am 11.03.2022

Niemand darf wegen „seines Geschlechts“ benachteiligt werden. Dieser Grundsatz ist ein so wichtiger Pfeiler des demokratischen Miteinanders, dass er in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes verankert wurde. Trotzdem kämpft unsere Gesellschaft weiter mit Phänomenen wie der Gender Pay Gap oder Hass und Gewalt gegen Frauen. Aber wie sieht es mit Hass und Diskriminierung gegen Frauen in der digitalen Sphäre aus? Und welche Maßnahmen werden eigentlich dagegen ergriffen?

Sexismus in der (digitalen) Gesellschaft

Frauen sind online zunehmend einer feindseligen Atmosphäre ausgesetzt. Jede dritte Frau in Deutschland zwischen 18 und 34 Jahren wurde in sozialen Medien bereits sexuell belästigt. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Pollytix. Darunter fallen unter anderem unerwünschte Nacktbilder, eine sexualisierte Ansprache oder sexualisierte Beleidigung. Rund 41 Prozent der Befragten erfuhr bereits Hass spezifisch aufgrund ihres Geschlechts.

Eine europaweite Umfrage der Initiative HateAid umfasste auch „unbeteiligte Hasswahrnehmungen“ im Internet. Demnach haben sogar 92,3 Prozent der befragten Frauen zwischen 18 und 35 Jahren Hass zumindest wahrgenommen, auch wenn er nicht direkt gegen sie gerichtet wurde. Auf die Frage, ob sie sich angesichts der Bedrohung, selbst zum Opfer zu werden, schon einmal nicht getraut hätten, ihre Meinung auf Online-Plattformen frei zu äußern, antwortete mehr als die Hälfte (52,5 Prozent) der weiblichen Befragten mit „Ja“.

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Als besonders beunruhigend darf dabei gelten, dass vor allem die Jüngeren von digitaler Diskriminierung und Gewalt geprägt werden. Denn in einer umfassenden Umfrage des Kinderhilfswerks Plan International mit 14.000 befragten Mädchen und jungen Frauen (15-24 Jahre) weltweit gaben 58 Prozent von ihnen an, Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierung in sozialen Medien erlebt zu haben. In Deutschland waren es sogar 70 Prozent.

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Besonders häufig geschah dies, wenn die Befragten politisch aktiv, People of Colour, LGBTQI+ oder Menschen mit Behinderung waren. In Deutschland passierte das besonders häufig auf Instagram (45 %) und Facebook (39 %). Und das hat Folgen. Denn ein Fünftel gab an, sich aus diesem Grund zunehmend aus dem digitalen Raum zurückzuziehen. Bereits 12 Prozent nutzten zum Zeitpunkt der Umfrage die Plattformen nicht mehr, auf denen sie belästigt wurden.

Vor sexistischen Angriffen im Netz sind aber selbst die mächtigsten Frauen nicht gefeit. Ganz im Gegenteil: Analysen der letzten Jahre haben gezeigt, dass je mehr Frauen in der Öffentlichkeit stehen, desto mehr werden sie angefeindet. So hat eine Studie von Allensbach und EAF Politikerinnen aus der Kommunal-, Länder- und Bundespolitik befragt. Ganze 98 Prozent der auf Bundesebene aktiven hat demnach bereits Erfahrungen mit Online-Hass gemacht. Die übrigen 2 Prozent waren schlicht nicht auf Sozialen Medien unterwegs.

Brüssel und Berlin reagieren

Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, reagiert die Politik zunehmend. So hat die EU-Kommission pünktlich zum Internationalen Frauentag 2022 ein Gesetzesvorhaben zur Prävention und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt vorgelegt, das einen EU-weiten Schutz vor Gewalt allgemein garantieren und vor allem Gesetzgebungslücken für Schutzregelungen stopfen soll.

Es ist ein weiterer Schritt in einer bereits 2020 ausgerufenen Agenda für Gleichberechtigung, die vor allem von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angetrieben wird. Bis 2025 wird eine „Union der Gleichberechtigung“ angestrebt. Insbesondere will sie genderbasierte Gewalt, Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt sowie die Unterrepräsentation von Frauen auf der politischen Bühne bekämpfen.

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Nach dem ersten Schritt, bei dem EU-Länder im März 2021 mit einem Maßnahmenkatalog angewiesen wurden, Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern vor allem durch Transparenzmaßnahmen anzugehen, folgt nun der gezielte Kampf gegen digitale Gewalt. Neben dem gesetzgeberischen Vorstoß laufen bereits seit Monaten Austauschgespräche über Best-Practice-Beispiele zwischen den Mitgliedsstaaten. Flankiert werden die Bemühungen zudem durch geförderte Forschungsprogramme, beispielsweise über Möglichkeiten der Kriminalisierung oder die ökonomischen Kosten von (digitaler) Gewalt gegen Frauen.

Auch die Bundesregierung hat Maßnahmen gegen digitale Gewalt in ihrem Koalitionsvertrag verankert:

„Mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt werden wir rechtliche Hürden für Betroffene, wie Lücken bei Auskunftsrechten, abbauen und umfassende Beratungsangebote aufsetzen.“ Koalitonsvertrag der Ampel, S. 17

Die Ampelkoalitionäre wollen insbesondere rechtliche Rahmenbedingungen für eine vereinfachte, elektronische Anzeigenerstattung schaffen. Mit der Einrichtung einer Bundeszentrale für digitale Bildung soll zudem Aufklärung betrieben und Präventivarbeit geleistet werden.

So ist zu hoffen, dass die Maßnahmen aus Brüssel und Berlin dazu beitragen, dass Hass und Diskriminierung von Frauen in der digitalen Sphäre nicht mehr straffrei grassieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Netz nach einer Konjunkturphase von online-Gewalt in Pandemiezeiten bald wieder sicherer anfühlt – für alle.

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