Nachhaltige Digitalisierung: Ist das geplante Energieeffizienzgesetz der richtige Weg?

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Nach mehrmaliger Verschiebung hat die Bundesregierung nun tatsächlich ihren Entwurf für das Energieeffizienzgesetz vorgelegt. Was verbirgt sich dahinter und wie fallen die Reaktionen aus Wirtschaft und Digitalbranche aus?

Lange haben Interessierte darauf gewartet, dass es mit dem von der Bundesregierung versprochenen Energieeffizienzgesetz endlich vorangeht. Schließlich lag ein Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums bereits seit vergangenen Oktober vor, als Bundeskanzler Olaf Scholz im Zuge der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ein „ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz“ ankündigte. Doch die folgende Ressortabstimmung zwischen den Ministerien zog sich seitdem hin, weil sich die Ampelkoalition in entscheidenden Punkten nicht einig war. Nun gibt es einen neuen, veränderten Entwurf für den weiteren politischen Prozess.

Darum geht es in dem Gesetzentwurf

Hinter dem „Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes“ steht die Idee, die Energieeffizienz in Deutschland zu steigern, um so den Energieverbrauch zu reduzieren, Emissionen zu vermindern und zur Eindämmung des weltweiten Klimawandels beizutragen. Zugleich soll das Gesetz die europäische Energieeffizienzrichtlinie (EED) in nationales Recht überführen.

Dazu sieht der aktuelle Entwurf hohe Energieeffizienzziele für die Jahre 2030, 2040 und 2045 vor. Zum Beispiel soll der Endenergieverbrauch bis 2030 um 26,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2008 bzw. auf 1.867 Terawattstunden (TWh) gesenkt werden. Zur Einordnung: Gegenüber 2021, als laut Umweltbundesamt 2.400 TWh in Deutschland verbraucht wurden, müssten fast 600 TWh eingespart werden – fast so viel wie allein der Verkehrssektor jährlich verbraucht. Und zwischen 2008 und 2020 ist der Verbrauch gerade einmal um 6 Prozent gesunken.

Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, sind deshalb Einsparverpflichtungen für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen vorgesehen. So soll die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion erfüllen und jährlich ihren Energieverbrauch um 2 Prozent senken sowie 3 Prozent ihrer Gebäude energetisch modernisieren. Bestimmte Unternehmen – vorrangig in der Industrie, die einen durchschnittlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden innerhalb der letzten drei Kalenderjahre aufweisen – werden verpflichtet, Energie- und Umweltmanagementsysteme sowie Energieaudits zu etablieren. Schätzungsweise sind fünf- bis sechstausend Unternehmen von den Regelungen des Gesetzes betroffen. Zudem ist vorgesehen, Vermeidung und Verwendung von Abwärme generell zu verbessern.

Vorgaben für Rechenzentren

Mit Blick auf die Digitalisierung sind besonders die Verpflichtungen für Rechenzentren relevant, da sie enorm viel Strom verbrauchen. Und dieser Verbrauch wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich noch erhöhen. Der Gesetzentwurf betont hier die großen Potenziale hinsichtlich Energieeffizienz und Abwärmenutzung und formuliert entsprechende Anforderungen:

Unter anderem müssen neue Rechenzentren ab 2025 min. 30 Prozent ihrer Abwärme nutzen, sowie min. 40 Prozent ab 2027. Alle Betreiber von Rechenzentren sollen ihren Stromverbrauch im nächsten Jahr zur Hälfte aus erneuerbaren Energien decken, ab 2027 sogar zu 100 Prozent. Zudem gibt es strengere Vorgaben zur Luftkühlung. Alle Rechenzentren werden zudem verpflichtet, bis Juli 2025 ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einzuführen und künftig Informationen über Wärmemenge, Temperaturniveau und Preise für die Bereitstellung der Abwärme bereitzustellen. Zugleich möchte die Bundesregierung ein Energieeffizienzregister für Rechenzentren schaffen, wo Informationen etwa zum Stromverbrauch, Anteil erneuerbarer Energien oder zur Abwärmemenge öffentlich abgerufen werden können.

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Warnungen vor drastischen Auswirkungen

Diese Vorgaben, die auch Veränderungen für bestehende Rechenzentren bedeuten würden, werden bisher eher kritisch bewertet. So warnt der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom vor zu hohen Hürden für Rechenzentren und befürchtet ihre Abwanderung aus Deutschland:

„Der nun vorliegende Referentenentwurf für ein Energieeffizienzgesetz ist eine Enttäuschung für die Betreiber von Rechenzentren und erschwert den Aufbau eines digital souveränen Deutschlands. (…) Es enthält eine Fülle von Detail- und Überregulierungen mit Effizienzvorgaben, wie sie für keine andere Branche geplant sind und die nach heutigem Stand schlicht nicht erreichbar sind.“ (Bitkom-Präsident Achim Berg)

Ein zentraler Kritikpunkt von Bitkom betrifft besonders die dann eingeschränkte Standortwahl. Neue Rechenzentren könnten künftig „nur noch dort angesiedelt werden, wo Abwärmenetze vorhanden oder verbindlich vorgesehen sind“. Bisher erfolge die Planung von Abwärmenetzen und Rechenzentren aber völlig losgelöst voneinander. Auch die Vorgabe zum Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch sei nicht zielführend, da dies vom deutschen Strommix abhänge, auf den die Rechenzentrumsbetreiber aber keinen Einfluss haben.

Das derzeit geplante Energieeffizienzgesetz ist für Bitkom insgesamt kein großer Wurf, sondern verkenne die Potenziale der Digitalisierung zur Erreichung der Klimaziele, wie der Verband in einer längeren Stellungnahme deutlich macht. Noch drastischer bewertet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) den Entwurf: Sie befürchtet negative Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft und prognostiziert in vier Szenarien einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts durch die vorgesehenen Einsparziele. Demgegenüber hebt die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) hervor, dass eine verbindliche Festlegung auf ambitionierte Ziele bis 2030 zentral für die Planungssicherheit und lange überfällig gewesen sei.

Diese Positionen zeigen einen Konflikt auf, der sich bekanntermaßen auch in der Ampelkoalition wiederfindet: Besonders zwischen der FDP, die auf die Interessen der Wirtschaft verweist, und den Grünen, die für strengere Vorgaben für mehr Klimaschutz eintreten. Dieses Spannungsverhältnis wird sich in der jetzt stattfindenden Länder- und Verbändeanhörung und der angekündigten Kabinettbefassung sicher fortsetzen. Klar dürfte aber allen Beteiligten sein, dass im Bereich der Energieeffizienz in den letzten Jahren hierzulande zu wenig passiert ist. Und welchen Impact das entsprechende Gesetz auf die Digitalbranche tatsächlich haben wird, ist momentan noch nicht absehbar.

Hinweis: Über das Thema Nachhaltigkeit und Digitalisierung diskutieren wir morgen auch im BASECAMP bei der Tagesspiegel Data Debate.

Hintergrundgrafik: CC0 1.0, Pixabay User tommyvideo

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