Internet Governance Forum: „Contract for the Web“ steht

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Veröffentlicht am 27.11.2019

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In dieser Woche kommen rund 5.000 Teilnehmer beim Internet Governance Forum der Vereinten Nationen in Berlin zusammen. Dabei darf der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, natürlich nicht fehlen. Der von ihm initiierte Gesellschaftsvertrag für das Netz enthält Verpflichtungen für Staaten, Unternehmen und Gesellschaft.

Das Internet hat unsere Gesellschaft revolutioniert, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verglich es auf dem Internet Governance Forum (IGF) am Montag in Berlin mit dem Urknall. Es sollte ein Ort für den Austausch von Ideen werden, sagte Tim Berners-Lee, der das World Wide Web vor 30 Jahren erfunden hat. Neben der guten Seite von Kommunikation und Vernetzung gebe es aber auch die böse Seite, wie die Verbreitung von Falschnachrichten, Hasskommentaren oder Attacken von Hackern. Ein digitaler Gesellschaftsvertrag soll daher dafür sorgen, dass das Web seine ursprünglich gedachte Aufgabe behält.

„Wir stellen Weichen, die das Leben unserer Kinder und Kindeskinder prägen werden“, sagte Altmaier, bevor Initiator Berners-Lee den „Contract for the Web“ präsentierte. Altmaier stellte sich hinter den inklusiven Ansatz, alle Akteure zu beteiligen. „Nirgendwo im Internet darf das Recht des Stärkeren gelten. Dieses Prinzip muss uns leiten bei allen künftigen Überlegungen“, bekräftigte er. Als Ergebnis der „High Level“-Gespräche mit mehr als 100 Regierungsvertretern erklärte Deutschland, den Multi-Stakeholder-Ansatz des IGF mit einer Million US-Dollar bis 2025 zu unterstützen. Bei den besprochenen Themen Daten, Sicherheit und Inklusion brachte die Bundesregierung eine Charta für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein, die unter anderem mehr finanzielle Unterstützung für Investitionen in Digitalisierung, Rechte zu Datennutzung und international koordinierte Steuerregeln fordert.

Die Gründungsprinzipien des Gesellschaftsvertrags für das Internet haben 150 Organisationen, darunter Google, Microsoft, Facebook, Reporter ohne Grenzen oder auch die Regierungen von Deutschland, Frankreich und Ghana unterzeichnet. Dieser enthält neun Prinzipien, wovon sich jeweils drei auf die Aufgaben und Verpflichtungen der Regierungen, der Unternehmen sowie der Bürgerinnen und Bürger beziehen. Im Anhang wird auf eine Auswahl an Menschenrechten und andere Rahmenbedingungen verwiesen, auf die sich die Übereinkunft stützt.

Abstimmungsprozess führte zu Verzögerungen

Ganz so schnell wie es sich der Internet-Pionier vorgestellt hatte, ging es mit dem Netzvertrag nicht voran. Auf dem Web Summit in Lissabon vor einem Jahr hatte er angekündigt, mit seiner gemeinnützigen Stiftung, der Web Foundation, den Vertrag innerhalb weniger Monate auf die Beine zu stellen. Im Mai 2019 sollte schon ein Vertrag vorliegen. Nur rund 600 Personen nahmen dann an der im Sommer gestarteten öffentlichen Konsultation weltweit teil, nachdem ursprünglich 8.000 Personen Unterstützung geäußert hatten.

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Die Abstimmungen, auch mit der Bundesregierung, hätten den Prozess gebremst, hieß es damals. Laut Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) schloss sich die Bundesregierung der Bewertung der Europäischen Kommission an, dass viele der dort erarbeiteten Vorschläge nicht konform mit europäischem Recht seien, da der Textentwurf datenschutzrechtliche Fragen betraf. Diese regelt jedoch bereits die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Aufforderungen, die sich im finalen „Contract for the Web“ finden, haben daher eher allgemeineren Charakter.

Menschen sollen sich aktiv einbringen

Mit dem ersten Grundsatz sollen Regierungen sicherstellen, dass sich jeder mit dem Internet verbinden kann. Jeder soll sich „aktiv online beteiligen können“. Dazu werden politische Ziele festgelegt und transparente Institutionen eingefordert, die diese Ziele durchsetzen. Mobile Daten sollen zum Beispiel günstig sein. „Ein Gigabit mobiler Daten soll bis 2025 nicht mehr als zwei Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens kosten“, lautet eine Forderung. Die Regierungen sollen auch dafür sorgen, dass 90 Prozent der Bürger bis 2030 Breitband-Internet hat. Bisher vom Netzzugang ausgeschlossene Bevölkerungsgruppen sollen besonders berücksichtigt werden. Eine Vorgabe ist etwa, die digitale Bildung von Frauen zu verbessern.

Weitere Aufgaben der Regierungen sind, das gesamte Internet die ganze Zeit verfügbar zu machen, sowie Privat- und Datenrechte online zu respektieren und zu schützen. Eingriffe von Regierungen in das Netz sollen durch rechtliche Rahmenbedingung begrenzt werden und den Menschenrechten entsprechen. Dies gilt auch für das Löschen illegaler Inhalte. Offenheit und Wettbewerb beim Internetzugang und Inhalten soll gefördert werden.

Unternehmen sollen Open-Source fördern

Unternehmen erklären sich in den Grundsätzen dazu bereit, das Internet für jeden „bezahlbar und verfügbar“ zu machen. Kundendienstleistungen sollen so gestaltet werden, dass sie Minderheiten und Menschen mit Behinderung nutzen können. Die Kontrolle über Privatheit und Datenrechte soll bei den Menschen liegen. Unternehmen sollen außerdem in digitale Gemeinschaftsgüter investieren und diese unterstützen, indem sie etwa Interoperabilität und Open-Source-Technologien fördern. Sie sollen Kanäle entwickeln, um alle Gemeinschaften während der Entwicklung der Technologien und auch danach einzubeziehen. Die eigene Belegschaft soll außerdem in Trainings dafür sensibilisiert werden, welchen Einfluss ihre Arbeit auf verschiedene Gemeinschaften hat.

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Auch für die Bürger selbst leitet der „Contract for the Web“ Verpflichtungen ab. Sie sollen „aktive Teilnehmer bei der Gestaltung des Netzes“ sein. Beispielsweise sollen Inhalte für lokale Minderheitensprachen produziert oder in diese übersetzt werden. Insgesamt soll das Netz inklusiver werden, damit „sich jeder online sicher und willkommen fühlt“. Punkt neun ruft Bürger dazu auf, für das Netz zu kämpfen. Sie sollten Start-ups und Unternehmen unterstützen, die die Zukunft des Internets als ein Grundrecht und öffentliches Gut sehen.

Vorsitzender des Lenkungsausschusses für das Projekt war José M. Alonso, Direktor für Strategie und Partnerschaften der World Wide Web Stiftung. Für die deutsche Bundesregierung beteiligte sich Kirsten Rulf, Leiterin des Referats für „Grundsatzfragen der Digitalpolitik“ im Kanzleramt, an der Ausarbeitung des Vertrags.

Erstmals Regierungsgespräche beim IGF

Auf dem von den Vereinten Nationen ausgerichteten Internet Governance Forum (IGF) kommen bis Freitag Vertreter von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen aus 163 Ländern zusammen. Unter dem Motto „One World. One Net. One Vision“ beschäftigen sie sich mit der Ausgestaltung des Internets. Zum Start am Montag, dem „Tag Null“ hat der Bundestagsausschuss Digitale Agenda zu einem internationalen Parlamentariertreffen eingeladen, eine Premiere auf dem IGF. Die Abgeordneten diskutierten in exklusiver Runde über die Gesetzgebung im Digitalbereich. Die offizielle Eröffnung fand am Dienstag statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und UN-Generalsekretär António Guterres hielten Reden. Darauf folgen Diskussionen zur Zukunft der Internet Governance, Inklusion und zur Rolle von kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

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