Flächendeckende Digitalisierung: UdL Digital Talk mit Michael Kretschmer und Lena-Sophie Müller

Lena-Sophie Müller , Cherno Jobatey und Michael Kretschmer | Foto: Henrik Andree
Lena-Sophie Müller, Cherno Jobatey und Michael Kretschmer | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 21.12.2021

Deutschland braucht einen digitalen Schub, darüber sind sich eigentlich alle Entscheider:innen hierzulande einig. Die Frage ist nur, wie die Digitalisierung in der Fläche am besten gelingen kann. Darüber diskutierten Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, und Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin bei der Initiative D21, Mitte Dezember im UdL Digital Talk

Unter dem Titel „Stadt, Land, Fluss: Wie kriegen wir Digitalisierung in die Fläche?“ befragte Moderator Cherno Jobatey die beiden Gäste im coronabedingt publikumslosen BASECAMP. In lockerer und gleichwohl konzentrierter Atmosphäre waren sich Michael Kretschmer und Lena-Sophie Müller bei vielen Punkten einig, formulierten gelegentlich aber auch Widerspruch zueinander.

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Glasfaser als der Goldstandard beim Infrastrukturausbau

Zum Einstieg fragte Jobatey den sächsischen Ministerpräsidenten, was für ihn Digitalisierung ausmacht. Kretschmer antwortete, dies bedeute für ihn einerseits, richtig in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren. Dafür seien gerade im ländlichen Raum enorme Summen notwendig, um die sich neu ergebenden Chancen der Digitalisierung tatsächlich zu nutzen, die er andererseits hervorhob. Denn um die erhofften positiven Effekte der Vereinfachung des Lebens, nachhaltigeres Wirtschaften und die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige zu erreichen, müsse der Breitbandausbau auch auf dem Land vorangetrieben werden. Der „Goldstandard“ dafür sei der Glasfaserausbau, der schnell und zügig erfolgen müsse, so Kretschmer. „Am Ende ist es so, wenn die Infrastruktur erstmal da ist, dann ist der Mensch unglaublich kreativ, dann passiert ganz viel.“

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Zustimmung gab es hier von Lena-Sophie Müller: Die Basis sei der Breitbandausbau, vor allem weil der Trend zur Nutzung von 5G gehe. Nicht zuletzt damit Unternehmen Cloud-basiert arbeiten können, führe daran kein Weg vorbei. Die Geschäftsführerin von Deutschlands größtem Digital-Netzwerk aus Politik und Wirtschaft betonte aber auch die Bedeutung einer guten Infrastruktur im Allgemeinen:

„Wo spüren die Leute am meisten, ob Digitalisierung und der Staat funktioniert? Das ist bei der Daseinsversorgung.“

Dafür brauche es zum Beispiel schnellere Planungsprozesse, damit „die Leistungen und Wirkungen schneller bei den Unternehmen und Menschen ankommen“.

Die Herausforderung der Verwaltungsmodernisierung

Um die digitale Daseinsvorsorge gerade im ländlichen Raum besser zu organisieren, sollten viele IT-Lösungen, beispielsweise die Kfz-Zulassung, zentraler angeboten werden, so Müller. Die Grenzen von Ländern und Kommunen seien heute schließlich weniger wichtig als früher. Statt jede Verwaltungsebene ihre eigenen digitalen Systeme entwickeln zu lassen, solle man lieber einmal zentral investieren, sodass alle die gleiche Software nutzen können.

Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen | Foto: Henrik Andree

Widerspruch kam hier von Michael Kretschmer, der die These von einer geringen Bedeutung der Kommunen so nicht stehen lassen wollte. Vielmehr sei die Dezentralität in Sachsen auch ein Vorteil bei der Digitalisierung. Er wandte zudem ein, zentrale Lösungen für Verwaltungsdienstleistungen seien zwar erstrebenswert, momentan gebe es aber das Problem der Kompatibilität zu den bereits bestehenden Hardware- und Softwaresystemen. Das müsse zunächst gelöst werden, zum Beispiel durch Schnittstellen. Richtig und wichtig sei jedoch die grundlegende kommunale Zusammenarbeit von Gemeinden, besonders beim Ausbau der Infrastruktur.

Mehr Attraktivität für den ländlichen Raum

Bei der Frage, wie ländliche Räume gegenüber urbanen Zentren noch attraktiver gemacht werden können, betonte Kretschmer mit Blick auf sein eigenes Bundesland, das Sachsen bereits „sexy“ sei, wenn es um die Aspekte Kultur, Landschaft und Verkehrsanbindung geht. Zudem gebe es die Möglichkeit von sächsischen Zoom-Towns, in denen auch jenseits großer urbaner Räume digital gearbeitet werden kann.

Ländliche Co-Working-Spaces seien allerdings kein Selbstläufer, wandte Müller ein, da hier die übrige Infrastruktur (Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, kulturelle Angebote etc.) ebenso stimmen müsste, um Standorte attraktiv zu machen. Dabei könne auch die wirtschaftliche Förderung von Startups und Digitalunternehmen helfen. Darüber hinaus brauche es zudem grundlegend mehr gesellschaftliche und finanzielle Wertschätzung für digitale Fachkräfte, speziell in der öffentlichen Verwaltung.

Einig waren sich beide Talk-Gäste, dass der Fachkräftemangel überhaupt eine riesige Herausforderung ist, sei es bei IT-Spezialisten, die nötig sind, um die Cybersicherheit der Verwaltung zu gewährleisten, oder aber der Personalmangel im Handwerk, durch den sich momentan der Infrastrukturausbau verzögere.

Digitale Bildung – Dissens und eine begeisternde Idee

Als die Runde auf das Thema digitale Bildung und speziell den Digitalpakt zu sprechen kam, zeigte sich Sachsens Regierungschef angetan von der bisherigen Entwicklung.

„Da will ich auch sagen: Das Glas, das ich sehe, ist mehr als halb voll und füllt sich immer mehr. Ich sehe vor allem – und es begeistert mich – diese Bereitschaft von Lehrern, sich jetzt mit diesem Thema zu beschäftigen.“

Lena-Sophie Müller hingegen empfindet den Digitalpakt zwar als eine positive Initiative, kritisierte aber die Geschwindigkeit der Umsetzung. Der Prozess sei zu bürokratisch gestaltet, so dass die Förderungen bei den Schulen zu spät oder gar nicht ankommen. Zudem sei die Ausbildung der Lehrkräfte in digitalen Fragen noch nicht weit genug.

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Und wie kann man digitale Bildung sonst voranbringen? Fast wie in einem Workshop tauschten die beiden einige Ideen zum Thema aus. Man müsse Orte schaffen, an denen Menschen die Digitalisierung ausprobieren könnten – dann baue man auch Widerstände ab, so die D21-Chefin. Kretschmer betonte hingegen eine institutionelle, frühe Heranführung an IT-Themen: Man müsse schon im Kindergarten und früh in der Schule Begeisterung für Informatik und Technik schüren. Jeder junge Mensch sollte am Ende der Bildungslaufbahn idealerweise ein wenig programmieren können, so Kretschmer.

Eine Generationenfrage

Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin bei der Initiative D21 | Foto: Henrik Andree

Dann machte Lena-Sophie Müller einen Vorschlag, der den sächsischen Ministerpräsident sichtlich begeisterte: Die Ausweitung des Bundesfreiwilligendienstes Digital. Das Land brauche nämlich neben der systematischen Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen auch mehr aufsuchende Angebote. Junge Menschen könnten im Freiwilligendienst zum Beispiel Orte aufsuchen, an denen sich Senior:innen aufhalten und ihnen dort digitale Kompetenzen nahebringen. Kretschmer sagte, er wolle die Idee „mitnehmen“.

Die Frage, wie ältere Generationen stärker in die Digitalisierung eingebunden werden können, zog sich durch das gesamte Gespräch und war bereits schon häufig ein Thema im Basecamp. „Wir müssen ganz viel in Menschen, nicht nur in die Idee der Digitalisierung investieren“, meinte die Geschäftsführerin von D21. Kretschmer brach eine Lanze für die Kompetenz der Senior:innen, denn diese hätten bereits zum großen Teil Smartphones und sich in die Technologie „eingefuchst“. Die Großelterngeneration werde die Digitalisierung weiter annehmen.

Dennoch: Lena-Sophie Müller sieht noch einige Probleme beim Thema der Medienkompetenz. Jüngere seien vorsichtiger mit möglichen Desinformationen, während es bei den Älteren schwieriger sei, hier mit Bildung etwas zu erreichen. Es brauche deshalb eine nationale Kompetenzagenda, so Müller.

Sind die Messenger Schuld?

Und die Verantwortung von Messenger-Diensten wie Telegram bei der Verbreitung von Desinformation? Die Gesellschaft müsse entscheiden, ob und wie soziale Medien und Messengerdienste reguliert würden, sagte Sachsens Ministerpräsident. Gegen ihn wurden in Telegram-Gruppen erst kürzlich Mordpläne geschmiedet. Müller betonte, es liege nicht an den Messengern selbst, vielmehr brauche es Aufklärung.

Kretschmer stimmte zu: Wir, die Gesellschaft, müssten einen aufgeklärten Umgang mit dieser Medienrevolution finden. Aber es gebe Missbrauch und wir müssten unsere Regeln durchsetzen. Das gehe allerdings nicht von lokaler Ebene aus, sondern man müsse es als Bund oder EU tun. Bei Twitter, Facebook und Co. habe das ja ebenfalls funktioniert, so Kretschmer.

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