EU-Studie: Europäischer Arbeitsmarkt fordert mehr digitale Fertigkeiten

Foto: shutterstock / violetkaipa
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Veröffentlicht am 11.10.2019

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Die Digitalisierung verändert den Arbeitsmarkt und die Arbeitswelt. Eine Studie für die Europäische Kommission legt dar, wie die EU die Arbeitnehmer*innen im Zuge des Transformationsprozesses unterstützen sollte. Dreh- und Angelpunkt dabei ist die digitale Bildung und Kompetenzvermittlung.

Was werden die heutigen 10-Jährigen im Alter von 25 Jahren tun? Welche Arbeitsplätze verschwinden und welche neuen Jobbezeichnungen kommen hinzu? In einer Studie zum Thema Arbeitswelt der Zukunft beschäftigte sich die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) mit genau diesen Fragen. Unter dem Titel „Wandel der Arbeit und der Fähigkeiten im digitalen Zeitalter“ heißt es in dem Bericht, Digitalisierung und Automatisierung verändern „Millionen von Jobs“ in der EU. Im Zuge der Digitalisierung würden bestehende Arbeitsplätze wegrationalisiert, gleichzeitig aber neue Beschäftigungsfelder geschaffen. Digitale Bildung sei nach den Autoren der Studie eines der wichtigen Werkzeuge, um den Anschluss nicht zu verpassen und sich für die Aufgaben der Zukunft zu qualifizieren.

Mein neuer Kollege der Roboter

Neue Technologien fügen sich immer schneller in das gesellschaftliche Bild und verändern damit die Arbeitswelt radikal. Ein Vergleich macht es deutlich: Hat es im letzten Jahrhundert noch 35 Jahre gedauert bis ein Viertel der Bevölkerung in den USA über einen Telefonanschluss verfügte, waren es bei der Einführung des Computers nur noch 16 Jahre, gerade einmal sieben Jahre beim Zugang zum Internet. Bis 2025 prognostiziert das Weltwirtschaftsforum eine sehr stark wachsende Zahl von Jobs, die Roboter vom Menschen übernehmen. Die rasante Entwicklung von Maschinen und Algorithmen am Arbeitsplatz könnte 133 Millionen neue Aufgaben entstehen lassen, denen bis 2022 rund 75 Millionen verdrängte Funktionen gegenüberstehen.

Mann Tablet Vernetzung shutterstock
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Besonders der Niedriglohnsektor und repetitive Tätigkeiten sind von der Übernahme durch algorithmen-basierte Verfahren und künstlicher Intelligenz betroffen. Die Kluft bei den digitalen Qualifikationen ist nach wie vor groß und droht in vielen EU-Ländern zu wachsen. Fast 40 Prozent der Arbeitskräfte in der EU verfügen über (fast) keine digitalen Kenntnisse. Künftig wird der Routinegehalt der Arbeit abnehmen, die Nachfrage an technisches Fachwissen steigen. Obwohl die Computerisierung im Laufe der Zeit den Bedarf an direkter sozialer Interaktion – zumindest in einigen Bereichen – reduzierte, verlangt die Automatisierung zunehmend mehr Sozialkompetenzen und Kreativität. Ein Feld auf dem der Mensch der Künstlichen Intelligenz noch einiges Voraus hat.

Bis 2030 wird der Anteil der Arbeit, der technisches Wissen voraussetzt, um bis zu 55 Prozent steigen, während immer weniger händische oder motorische Fertigkeiten benötigt werden (minus 14 Prozent). Doch bei der Transformation des Arbeitsmarktes geht es nicht nur um die Fähigkeit an sich, sondern auch um die Art und Weise, wie diese Fähigkeiten von Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen bereitgestellt werden.

Roboterfester Job durch digitale Bildung

Denn nicht nur Beschäftigungsformen erwarten eine Veränderung. Laut der Studie für die EU-Kommission gewinnen digitale und nicht-kognitive Fähigkeiten immer weiter an Bedeutung. Die grundlegendsten Fähigkeiten, um den Job „roboterfest“ zu machen, sind laut den Autoren der EU-Studie Kreativität, Innovation, Unternehmertum, Empathie und Teamarbeit. Demnach sei es entscheidend, vor allem die Bildungspolitik in die richtige Richtung zu lenken und die Bereitschaft zur regelmäßigen Weiterbildung zu erhöhen.

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„Die Anforderungen an Arbeit und Qualifikation entwickeln sich aufgrund des technologischen Fortschritts rasant und stellen die EU vor dringende politische Herausforderungen. Robuste Beweise sind der erste Schritt zur Entwicklung zukunftssicherer Richtlinien, die sicherstellen, dass jeder die neuen Technologien sicher und kreativ nutzen kann“, erklärt Tibor Navracsics, Kommissar für Bildung, Jugend, Kultur und Sport und verantwortlich für die gemeinsame Forschungsstelle.

Für die Betriebe bedeutet das, Mitarbeitern in regelmäßigen Abständen professionelle Weiterbildungsangebote anzubieten. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Belegschaft die richtigen Werkzeuge an die Hand bekommt, die für das eigene Unternehmen von Bedeutung sind. Durch sogenannte MOOCs (Massive Open Online Courses), mit denen Lerninhalte kostenlos und in großem Umfang via Netz zur Verfügung gestellt werden, könnte die Lücke in der Erwachsenenbildung auf dem digitalen Weg geschlossen werden und das lebenslange Lernen in Form von Umschulungen und Weiterbildungen genutzt werden.

Was tun EU und Bundesregierung?

Bereits im Juni dieses Jahres gab die EU-Kommission auf einer von ihr ausgerichteten Konferenz Empfehlungen für eine moderne Arbeitswelt ab, die insbesondere die gesellschaftlichen Herausforderungen des digitalen Arbeitsmarktes adressierten. Im Rahmen des nächsten langfristigen EU-Haushalts für die Jahre 2021-2027 will die Europäische Kommission schließlich ein Programm für das „digitale Europa“ in Höhe von 9,2 Mrd. Euro verankern, um auf die digitalen Herausforderungen reagieren zu können.

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Gastarbeiter. Bildname: Bundestag. Ausschnitt bearbeitet.

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) gab kürzlich bekannt, ein Beratergremium einsetzen zu wollen, das sich unter anderem um die Frage kümmern soll, wie mit KI-basierten Auswahlverfahren im Personalwesen umzugehen ist – auch in ethischer Hinsicht. Der „interdisziplinären Beirat“ soll das BMAS grundsätzlich bei Fragen „des Beschäftigtendatenschutzes sowie zu ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung“ beraten und prüfen, „ob ein eigenständiges Gesetz sinnvoll ist und welchen Inhalt es gegebenenfalls haben könnte“.

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