Digitale Beteiligung auf dem Vormarsch

Veröffentlicht am 14.08.2012

Vor wenigen Wochen ist die Plattform der FDP „New Democracy“ online gegangen, die SPD nutzt „Adhocracy“ und mithilfe von „Liquid Feedback“ sollen Entscheidungen bei der Piratenpartei getroffen werden. In immer mehr Städten können die Bürger über Haushalte mitsprechen und mitentscheiden. Viele politische Gremien ermöglichen den Wählern, auf elektronischem Wege Petitionen und Vorschläge einzureichen. Digitale Beteiligung lautet das Schlagwort, auch den Begriff Liquid Democracy hört man immer wieder.

Digitale Beteiligung ist nicht Liquid Democracy
Dabei sollte man Beides auseinander halten: „Digitale Beteiligung“ bezeichnet einfach die Teilhabe der Bürger, Wähler oder Mitglieder einer Organisation an Entscheidungsprozessen in digitaler Form, zumeist über das Internet. Liquid Democracy hingegen ist ein, wenn auch noch nicht voll ausgearbeitetes, Konzept, wie diese Beteiligung in einer Demokratie sinnvollerweise ausgestaltet werden kann.
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Keine Beschränkungen bei der Partizipation

Der Name „Liquid Democracy“ weist auf einen wichtigen Aspekt des Konzepts hin – Grenzen und Beschränkungen der bestehenden demokratischen Systeme werden sozusagen „verflüssigt“, also aufgehoben. Drei sind hier zu nennen:

  1. Es entfallen zeitliche Beschränkungen. Gewählt und abgestimmt werden kann jederzeit, mit frei wählbarer Abstimmungsdauer.
  2. Es entfallen Beschränkungen bei der Mitarbeit – die Partizipation ist nicht nur auf reines Abstimmungsverhalten reduziert. Jeder kann mitarbeiten, Vorschläge einreichen, formulieren und am Ende auch abstimmen.
  3. Das grundlegendste Element ist schließlich die Aufhebung der thematischen Beschränkungen und das daraus resultierende Konzept des sogenannten „Delegated Voting“. Jeder kann selbst entscheiden – stimme ich zu einem bestimmten Thema selbst ab? Gebe ich meine Stimme bei manchen Bereichen einem Bekannten, auf dessen Expertise ich vertraue? Oder delegiere ich meine Stimme wie bisher an eine Partei?

Diesem Konzept folgen die beiden wohl bekanntesten Plattformen zur Digitalen Beteiligung: Liquid Feedback der Piratenpartei und Adhocracy, eine OpenSource-Software, die bisher u.a. von der SPD oder der Enquete des Deutschen Bundestages „Internet und Digitale Gesellschaft“ genutzt wird.

Noch mehr Plattformen der Digitalen Beteiligung

Die FDP hat dagegen eine eigene Plattform programmiert, die sich weniger am theoretischen Konstrukt von Liquid Democracy orientiert, sondern mehr die bisher bestehenden Parteistrukturen berücksichtig. Daneben gibt es noch verschiedene Anwendungen, die u.a. von Länderregierungen genutzt werden, um Bürgern die Teilhabe an bestimmten Projekten zu ermöglichen – so zum Beispiel „Beteiligung online“ oder die „Dialog Box“.

Auch kritische Stimmen werden laut

Bei allen Vorteilen der digitalen Beteiligung der Bürger stellen Manche auch kritische Fragen: Kann ein Konzept der politischen Partizipation funktionieren, der einen sicheren Umgang mit den Neuen Medien voraussetzt? Erfordert das Konzept nicht zwingend ein Interesse einer großen Mehrheit aller Bürger an Politik? Und führt bei nachgewiesener Abwesenheit dieses Interesses die Digitale Beteiligung nicht zu einer Konzentration der Entscheidungsgewalt bei einigen wenigen Technik- und Politikinteressierten, was die ganze Idee ad Absurdum führt?

So geht es weiter:

Trotz dieser Kritik ist Liquid Democracy, OpenGovernment und  E-Administration auf dem Vormarsch. Im zweiten Teil werden wir deshalb die vorhandenen Plattformen näher vorstellen, im dritten Teil schließlich schauen, inwieweit die staatlichen Stellen ihren Bürgern Mitspracherechte einräumen und wie und ob diese genutzt werden.

Hier gibt es die komplette Serie

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