Messenger-Dienste in der Politik: Nachricht aus der Parteizentrale

Foto: CC BY 2.0 Flickr User Microsiervos. Bildname: . Apps de Mensajería. Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 25.05.2018

„Müde. Aber zufrieden. Der Vertrag steht.“ sendete der SPD-Vorstand am 7. Februar einer kleinen Gruppe von SPD-Mitgliedern, Journalisten und Politik-Interessierten via WhatsApp noch bevor die Öffentlichkeit von der Groko-Einigung erfuhr. Auch FDP, Grüne, Linke und die CDU Rheinland-Pfalz bieten Messenger-Dienste an. Die Idee: die Wähler dort treffen, wo sie ohnehin kommunizieren. Wenn dann auf dem Smartphone-Bildschirm eine Nachricht von „Sahra“ (Sahra Wagenknecht, Die Linke) neben der Nachricht einer Freundin aufploppt, oder im WhatsApp-Chat die Grünen gerade auch „online“ sind, fühlt sich die Politik auf einmal gar nicht mehr so weit weg an. Doch was bedeutet die „Messengerisierung“ – also die zunehmende Nutzung von Messengerdiensten, wie WhatsApp oder Telegram, in der Politik für die (digitale) Demokratie?

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Deutsche Parteien bei WhatsApp

Einfach die Nummer speichern, die Nachricht „Hallo“, „Start“ oder „Aufklärung“ senden und schon ist man dabei – im WhatsApp-Chat mit der Parteizentrale der Grünen, Team Sahra oder dem SPD-Parteivorstand. Eine geringe Gegenleistung für den WhatsApp-Service erwartet einzig die FDP: Erst nacheinem „Like“ auf der Facebook-Seite von „FDPush“ darf man dort mitlesen. Informationen aus erster Hand gibt’s bei ihr also nur für ein kleines bisschen Loyalität. Doch warum bieten die Parteien überhaupt diesen Dienst an?

Von den Grünen – der deutschen Partei, die den WhatsApp-Service zuerst angeboten hat – bekommen wir Antwort von Nicolas Schwendemann, dem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit:

„Wir nutzen WhatsApp seit dem Bundestagswahlkampf als direkten
Kommunikationskanal mit unseren Unterstützerinnen und Unterstützern. Es
ist ein neues niedrigschwelliges Angebot, mit uns in Kontakt zu treten
und ins Gespräch zu kommen. Und ein Experimentierfeld für neue Wege der
direkten politischen Kommunikation.“

Auch Politikberater und Digitalexperte Martin Fuchs sieht in den Messenger-Diensten einen klaren Vorteil für Parteien:

„WhatsApp ist von den Social-Media-Angeboten die meistgenutzte App in Deutschland und man weiß, dass Menschen sie viel häufiger lesen, als E-Mails zum Beispiel. Sie beschäftigen sich auch emotional ganz anders damit.“

Eine kürzlich vom Digitalverband Bitkom durchgeführte Studie untermauert Fuchs‘ Aussage: Neun von zehn Internetnutzern (89 Prozent) verwenden Kurznachrichtendienste wie WhatsApp, Facebook Messenger oder iMessage. Unter den jüngeren Menschen zwischen 14 und 29 Jahren nutzt nahezu jeder Messenger und auch in der älteren Generation (65 plus) sind es immerhin 70 Prozent.

Gefahr für die Demokratie?

Kritische Stimmen zu der zunehmenden „Messengerisierung“ sind in dem von Adrienne Fichter im September 2017 herausgegebenen Buch „Smartphone-Demokratie“, welches die Chancen und Gefahren der digitalen politischen Meinungsbildung beleuchtet, zu vernehmen. Die Verlagerung des öffentlichen politischen Diskurses – wie er etwa bei Facebook oder Twitter geführt wird – in geschlossene Messenger-Räume führe dazu, dass wir immer mehr in unseren eigenen politischen Realitäten lebten, so eine These im Buch. Politikwissenschaftlerin und Social Media-Expertin Adrienne Fichter hat selbst ein ganzes Kapitel zur „Messengerisierung“ der Politik geschrieben. Eine These von ihr ist, dass Fake News besonders in geschlossenen Räumen zirkulieren. Martin Fuchs, der ebenfalls einen Beitrag in dem Buch geschrieben hat, denkt, dass die „Messengerisierung“ dazu führe, dass im durch andere nicht einsehbaren „Dark Social“ Botschaften sehr gezielt an Wählerinnen und Wähler weitergegeben würden.

Fortschritt statt Rückschritt

Fortschritt statt Rückschritt sieht SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil scheinbar in den Messenger-Diensten . Teil der Strategie „#SPDerneuern“ ist auch, die kommunikative Kraft der sozialen Medien zu nutzen – dazu gehören für Klingbeil auch WhatsApp und Telegram. Rund 16.000 Nutzer haben sich schon für den Erhalt von Nachrichten aus der Parteizentrale via Messenger angemeldet.

Wie viele Menschen insgesamt Messenger-Dienste der Parteien, Fraktionen oder einzelner Abgeordneter abonniert haben ist nicht bekannt. Doch zu erwarten ist, dass es sich hier um einen überschaubaren Kreis von Leuten handelt, die ohnehin an der Politik einer Partei interessiert sind. Lars Klingbeil wies etwa im SPD-WhatsApp-Chat darauf hin, dass sich dort „inzwischen auch viele Journalisten angemeldet haben.“ Auch werden die meisten Nachrichten derzeit noch zusätzlich über Facebook und Instagram verbreitet. Der SPD-WhatsApp-Chat liefert also keine exklusiven Informationen in einem geschlossenen Messenger-Raum, sondern befördert Informationen für Politikvernarrte und solche, die es werden wollen, lediglich direkt auf den Smartphone-Bildschirm.

UPDATE 19.06.2018: In einer früheren Version des Artikels haben wir die These, dass Fake News in geschlossenen Räumen zirkulieren, fälschlicherweise dem Co-Autor des Buches „Smartphone-Demokratie“, Colin Porlezza, zugeordnet. Das war nicht korrekt. Die These stammt von der Herausgeberin des Buches, Adrienne Fichter. Wir bitten um Entschuldigung. 

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