Datenspende: Moderne Medizin braucht Gesundheitsdaten

Foto: CC0 1.0, Pixabay / mrmurryjulie / Ausschnitt & Farbe bearbeitet
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Veröffentlicht am 28.05.2020

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Digitale Gesundheitsdaten sind die Grundlage für Innovationen in der Medizin. Diese sind hierzulande allerdings noch immer sehr begrenzt verfüg- und einsetzbar. Mit einem neuen Gesetz soll die Datenfreigabe für Forschungszwecke geöffnet werden – jedoch nur für die öffentliche Forschung.

Die Digitalisierung drückt dem Gesundheitswesen immer stärker ihren Stempel auf. Von der Diagnose seltener oder chronischer Krankheiten bis hin zu deren Therapie – digitale Technologien können Leben retten. Neben herkömmlichen Geräten wie dem Seziermesser im OP oder einem Blutdruckmessgerät erhalten Ärzt*innen vermehrt Unterstützung von digitalen Helfern. So gelingt es mithilfe von Big-Data-Analysen und KI-Methoden, immer effektiver Diagnostiken und Therapien zu verbessern und zu personalisieren.

Damit IT-Systeme optimal genutzt werden können, braucht es nicht nur komplexe Algorithmen und maschinelle Lernverfahren, sondern auch umfangreiche Datenquellen. Mit dem Gesetzentwurf zum Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sollen künftig mehr Datenbestände in die medizinische Forschung fließen. Ab 2023 bekommen Versicherte die Möglichkeit, die in ihrer elektronischen Patientenakte (ePA) abgelegten Daten freiwillig pseudonymisiert und verschlüsselt der medizinischen Forschung zur Verfügung zu stellen („Datenspende“) und somit einen Beitrag zur Erforschung von Krankheiten zu leisten. Umfragen zufolge sind mehr als drei Viertel (79 Prozent) der Deutschen bereit, ihre persönlichen Gesundheitsdaten anonym und unentgeltlich der medizinischen Forschung zu spenden.

Datenverfügbarkeit für die Forschung steigern

In einem gemeinsamen Papier befürworten die Verbände der eHealth-Allianz, die sich für eine deutsche eHealth-Strategie einsetzt, die freiwillige Datenfreigabe. Gleichzeitig kritisiert die Allianz aber die Einschränkung auf öffentlich forschende Institute und fordert auch für privat-wirtschaftliche Forschungseinrichtungen „den Zugang zu Versorgungs- und Forschungsdaten“.

eGK bringt Digitalisierung in Arztpraxen, CC-by 2.0 by Flickr User Hamza Butt / Bildname: Doctor / Ausschnitt bearbeitet

Ein klar geregelter Zugang sowie die Nutzung von „heterogenen Gesundheitsdaten“ im Bereich der industriellen Gesundheitswirtschaft seien für eine sichere und patientenorientiertere Forschung notwendig, heißt es in dem Positionspapier. Schließlich würden insgesamt rund 75 Prozent der Forschungsvorhaben von forschenden Industrieunternehmen getragen. Diese Innovationsfähigkeit sei gefährdet, wenn es in Deutschland keine Entwicklung von digitalen Innovationen auf Basis eigener Datenbestände in der forschenden Industrie gebe.

Innovationsboost durch „Datenspende“

Ob in der Entwicklung von KI-Anwendung, der digitalen Diagnostik, wirksameren Krebsmedikamenten oder vernetzen Implantaten, der Einsatz von Gesundheitsdaten kann zu medizinischem Fortschritt führen. Das Positionspapier der eHealth-Allianz beschreibt sechs Anwendungsbereiche, in denen Gesundheitsdaten medizinische Weiterentwicklung bedeuten könnte. Insbesondere in der Entwicklung von Produkten, die auf Künstlicher Intelligenz basieren und frühzeitig Krebs- oder Lungenkrankheiten erkennen sollen, sei die Datenfreigabe von hoher Relevanz. Gerade die Verknüpfung von Labor-, Bildgebungs- und Befundparametern sowie Daten aus bereits bestehenden Datenbanken seien von großer Bedeutung, um genaue und robuste Algorithmen zu entwickeln.

Neben dem Testen von Medikamenten in virtuellen Studien ließe sich außerdem mit einem Repertoire an Datensätzen die Versorgungsforschung verbessern. Anonymisierte Gesundheitsdaten könnten Rückschlüsse auf das Versorgungsgeschehen in bestimmten Krankheitsfeldern und deren Anwendung von Therapien in der Praxis geben. Durch die Analyse und das Zusammenführen der Erkenntnisse einzelner Datensätze ließe sich eine bessere Gesundheitsversorgung für bestimmte Patientengruppen herstellen.

Corona Infektionsherde schneller mit RKI-App erkennen

Die gesellschaftliche Akzeptanz für die Freigabe von Daten zeigt sich an der Corona-Datenspende-App des Robert Koch-Instituts (RKI). Mehr als 500.000 Menschen stellten bereits ihre Daten freiwillig zur Verfügung, um die Forschung über die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu unterstützen und um ein genaueres Bild über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 zu erhalten.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / StockSnap | Ausschnitt bearbeitet

Mithilfe von tragbaren Sensoren, sogenannten Fitness-Trackern, können Bürger*innen Daten pseudonymisiert an das RKI übermitteln, die anschließend durch Algorithmen ausgewertet werden. Interessant für die Forscher*innen ist hierbei der erhöhte Ruhepuls. Denn dieser könnte ein Indiz auf Fieber sein und mit einer Coronavirus-Infektion in Verbindung stehen. Die Datenspende „ermöglicht uns, die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus besser zu erfassen und die Dunkelziffer der Infizierten drastisch zu verringern“, sagt Professor Dirk Brockmann von der Berliner Humboldt-Universität, der das Projekt begleitet.

Um die Repräsentanz der Datenspender*innen sowie einen deutschlandweiten Durchschnittsruhepuls zu erfassen, erstellte das RKI zwei interaktive Karten. Die „Spender:innen-Karte“ zeigt die regionale Verteilung der Datenspender*innen auf Landkreise in Deutschland. Wenig überraschend: In größeren Städten beteiligen sich mehrere Tausende, an der Spitze stehen derzeit Berlin, München und Hamburg. „Der Puls der Nation“ gibt hingegen Aufschluss über den durchschnittlichen Ruhepuls Deutschlands (ca. 60,72 Schläge pro Minute). Beide Karten dienen als Zwischenstufe, um im nächsten Schritt eine deutschlandweite „Fieberkarte“ zu erstellen und die Infektionsherde der Pandemie leichter zu entschlüsseln.

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