Weichenstellung für die Digitalpolitik: Das Digitalministerium bekommt eigenen Etat


Den Staat “neu zu denken” versprach (öffnet in neuem Tab) Karsten Wildberger (mittlerweile CDU) nach der Übernahme des ersten deutschen Digitalministeriums, doch die Realität holte das “Start-up-Ministerium” schnell ein. Doch nach den neuen Räumlichkeiten gibt es nun zumindest auch den ersten eigenständigen Haushalt (öffnet in neuem Tab) für das Ressort. Rein formal also ein Meilenstein, aber nach genauerer Betrachtung eher anspruchsvolle Finanzierungsarchitektur mit vielen Fallstricken.
Der erste eigene Haushalt des BMDS ist eine historische Zahl im Bundesetat: Er markiert den Versuch, digitale Politik in Deutschland institutionell zu verankern und ihr eine klare finanzielle Grundlage zu geben. Der Etat eröffnet Spielräume, um zentrale digitale Zukunftsaufgaben sichtbar zu machen. Besonders bedeutsam ist dabei die enge Verzahnung mit dem milliardenschweren Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität. Dort entscheidet sich, welche Projekte tatsächlich Priorität erhalten. Der Haushaltsbeschluss liefert somit die finanzielle Architektur, an der sich die digitale Agenda der kommenden Jahre messen lassen muss:
Bescheidener Haushalt, große Pläne?

Das neue BMDS erhält für 2025 einen bescheidenen “Einzelplan 24 (öffnet in neuem Tab)” mit lediglich 11,2 Millionen Euro, rund die Hälfte davon für Personalausgaben. Diese Summe mag auf den ersten Blick enttäuschend wirken, spiegelt jedoch die organisatorische Realität wider: Das Ministerium befindet sich noch im Aufbau, und die eigentlichen digitalpolitischen Vorhaben werden größtenteils über das neue Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert. Konkrete Zuständigkeiten werden ebenfalls in der Bereinigungvorlage (öffnet in neuem Tab) benannt. So heißt es: „Das BMDS [ist] insbesondere für Digitalpolitik, die digitale Souveränität, die digitale Wirtschaft, die digitalen Infrastrukturen, den Aufbau eines Deutschland-Stack und die Digitalisierung der Verwaltung und den Bürokratierückbau“ zuständig.
Als new kid on the block ergeben sich für das BMDS viele grundsätzliche Finanzierungsfragen (öffnet in neuem Tab). Während andere Ministerien ihre Vorhaben bereits über den regulären Bundeshaushalt finanzieren, ist das Digitalministerium derzeit noch stark auf externe Finanzierungsquellen, besonders das Sondervermögen, angewiesen. Dieses entwickelt sich mit einem Volumen von vier Milliarden Euro jährlich zur zentralen Säule der deutschen Digitalpolitik. Konkret stehen für 2025 bereit:
- 2,93 Milliarden Euro für den Breitbandausbau
- 366,8 Millionen Euro für den Mobilfunkausbau
- 263 Millionen Euro für die Registermodernisierung
- 243 Millionen Euro für das Bürgerkonto und dessen Infrastruktur
- 131 Millionen Euro für das europäische Identitätsökosystem
- 45 Millionen Euro für Transformation und IT-Dienstleistungen
Für das nachfolgende Jahr 2026 zeigen die Planungen (öffnet in neuem Tab) bereits eine Konsolidierung der Ausgaben. Der Breitbandausbau wird auf 2,25 Milliarden Euro reduziert (2025: 2,93 Milliarden Euro), auch der Mobilfunkausbau sinkt auf 200 Millionen Euro. Gleichzeitig steigen die Mittel für das europäische Identitätsökosystem auf 162 Millionen Euro (2025: 131 Millionen Euro), während die Registermodernisierung auf 194 Millionen Euro gekürzt wird. Besonders betroffen von Kürzungen sind zukunftsweisende Projekte: Die Förderung für „Innovative Anwendungen von künstlicher Intelligenz“ sinkt von 49,35 Millionen Euro (2025) auf nur noch 20 Millionen Euro (2026). Für die Umsetzung der 5x5G-Strategie (öffnet in neuem Tab)sind 2026 gar keine Mittel mehr eingeplant.
Digitale Infrastruktur neu definiert
Ein zentraler Aspekt der neuen Haushaltsplanung ist das erweiterte Verständnis digitaler Infrastruktur (öffnet in neuem Tab). Das BMDS definiert diese nicht mehr nur als Breitband- und Mobilfunknetze, sondern schließt ausdrücklich auch die digitale Verwaltungsinfrastruktur (öffnet in neuem Tab) mit ein. Dazu gehören zentrale Plattformen wie das geplante Bürgerkonto (öffnet in neuem Tab), die digitale Identitäts-Wallet (EUDI Wallet) und interoperable Systeme für die öffentliche Verwaltung.
Diese Neuausrichtung spiegelt sich auch in den Investitionsschwerpunkten wider: Während der klassische Netzausbau nach wie vor den größten Posten darstellt, gewinnen Projekte zur Staatsmodernisierung deutlich an Gewicht. Die Registermodernisierung (öffnet in neuem Tab) mit 263 Millionen Euro und das Bürgerkonto mit 243 Millionen Euro sind Beispiele für diese strategische Neuausrichtung.
Reaktionen: Zwischen Euphorie und Skepsis

Die Reaktionen (öffnet in neuem Tab) auf den Haushaltsbeschluss fallen erwartungsgemäß gemischt aus. Die Koalitionsfraktionen sprechen von einem “neuen Kapitel in der Digitalpolitik” und einem “guten Fundament”. CDU-Digitalexpertin Franziska Hoppermann (öffnet in neuem Tab) betonte die “Mammutaufgabe” der Ressortbündelung, während SPD-Haushälter Martin Gerster die Bedeutung des Sondervermögens für eine “maximal effiziente” Mittelverwendung hervorhob.
Die Opposition zeigt sich deutlich kritischer. Sascha Wagner kritisierte vor allem das Tempo: “Wir bewegen uns in Deutschland maximal im digitalen Schneckentempo”. Dies hätte zur Konsequenz, dass Bürgerinnen Zeit, Geduld und Vertrauen verlieren. Besonders kontrovers wird die Finanzierung über Sondervermögen diskutiert (öffnet in neuem Tab). Während Finanzminister Klingbeil seine Pläne mit folgenden Worten: „Wir investieren, wie reformieren und wir konsolidieren (öffnet in neuem Tab)“ verteidigt, warnt die Opposition vor Verschleierung der tatsächlichen Neuverschuldung.
Herausforderungen und Perspektiven
Der erste Haushalt des BMDS markiert einen Wendepunkt in der deutschen Digitalpolitik, offenbart aber auch strukturelle Herausforderungen. Wie es die Opposition klar benennt, birgt die starke Abhängigkeit vom Sondervermögen immense Risiken für die langfristige Finanzierungssicherheit digitaler Projekte. Gleichzeitig ermöglicht sie kurzfristig Investitionen in einer Größenordnung, die im regulären Haushalt nicht darstellbar wären.
Die Bewährungsprobe für das neue Ministerium bleibt allgegenwärtig. Ob es gelingt, die verschiedenen Digitalisierungsvorhaben erfolgreich zu koordinieren und die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Der Haushalt 2025/26 bietet dafür die finanziellen Grundlagen, die Umsetzung liegt nun in den Händen von Minister Wildberger und seiner Digitalcrew – die er derzeit noch eher unmodern (öffnet in neuem Tab) rekrutieren muss.
Die nächsten Meilensteine sind bereits definiert: Die angekündigte “Modernisierungsagenda” für die Verwaltung soll noch 2025 vorgestellt werden, während der europäische Gipfel zur digitalen Souveränität (öffnet in neuem Tab) im November 2025 internationale Impulse setzen soll. Ob diese Initiativen ausreichen, um Deutschland in der Digitalisierung voranzubringen, wird eine der zentralen Fragen der kommenden Jahre sein.
Mehr Informationen:
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