Startup-Beauftragte der Bundesregierung: Interview mit Anna Christmann

Dr. Anna Christmann | Foto: Deutscher Bundestag/ Inga Haar
Dr. Anna Christmann | Foto: Deutscher Bundestag/ Inga Haar
Veröffentlicht am 20.04.2022

Die Ampelkoalition möchte Deutschland zu einem zukunftsfähigen Gründungsstandort für innovative und digitale Startups machen. Dazu möchte auch Dr. Anna Christmann beitragen, die seit 2017 für die Grünen im Bundestag sitzt und in der neuen Bundesregierung zur Beauftragten für die Digitale Wirtschaft und Startups ernannt wurde. Wir haben mit ihr über ihre Pläne und Schwerpunkte in der neuen Rolle gesprochen.

Frau Christmann, bisher waren Sie als Bundestagsabgeordnete die Sprecherin Ihrer Fraktion für Innovationen und Technologie und sind seit Januar – neben Ihrer Funktion als Luft- und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung – die Startup-Beauftragte des Bundeswirtschaftsministeriums. Wie blicken Sie auf ihre neue Rolle?

Ich freue mich vor allem sehr darüber, all die guten Ideen, die wir schon als Opposition in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen haben, jetzt in Regierungsverantwortung auch hoffentlich umsetzen zu können. Als Startup-Beauftragte freue ich mich besonders auf den engen Austausch mit den Akteuren der Startup-Szene und darauf, viele innovationspolitische Punkte vorantreiben zu können – die auch dringend notwendig sind, weil da zuletzt nicht genug passiert ist.

Wie beurteilen Sie die bisherige Politik für Startups und die Digitalwirtschaft in Deutschland?

Ein Mangel der letzten Jahre, den ich beobachtet habe, war der Entwurf vieler Strategien, die in ihrer Umsetzung dann stark gestockt haben. Hier möchte ich gern eine neue Dynamik reinbringen, damit wir in der aktuellen Wahlperiode konkrete Schritte vorankommen. Denn nur so können wir auch die von Startups selbst erzeugte Dynamik ins gesamte Ökosystem hineintragen.

Foto: CC0 1.0, geralt | Ausschnitt angepasst

Unser Anliegen ist es deshalb, sehr schnell die im Koalitionsvertrag angekündigte Startup-Strategie aufzusetzen und darin all die Themen zusammenzutragen, die für Startups und Gründer:innen von Bedeutung sind. Die Strategie soll bis zum Sommer stehen, damit wir dann auch wirklich in die Umsetzung kommen können. Erste Beteiligungsphasen dafür haben wir jetzt bereits hinter uns.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte der Strategie bzw. worauf werden Sie Ihren Fokus legen?

Wir müssen auf jeden Fall beim Thema Finanzierung von Startups einen großen Schritt weiterkommen. Da sind zwar bereits erste Finanzierungsinstrumente etabliert worden, z.B. der Zukunftsfonds oder der Hightech-Gründer-Fonds. Aber wir haben immer noch die Herausforderung der „Later Stages“-Finanzierung, wo bisher vor allem nicht-europäische Investoren aktiv sind. Da wollen wir schauen, wie wir bessere staatliche Anreize für mehr Finanzierung durch europäisches Venture-Kapital geben können.

Hinzu kommt das Thema Talente und Fachkräfte: Wie kann man einfacher ausländische Mitarbeiter:innen gewinnen und halten, z.B. mit einer attraktiven Mitarbeiterbeteiligung oder einfacheren Visaverfahren. Und was mir persönlich immer ein Anliegen ist: Mehr „female founders“ also mehr Gründerinnen zu gewinnen, etwa durch das Gründerinnen-Stipendium oder Projekte für mehr Unterstützung von Frauen auf der Investorenseite.

Foto: Foto: Pixabay User Free-Photos | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet

Die Bekämpfung des Klimawandels und die Dekarbonisierung der Gesellschaft sind ja ebenfalls ein großes Technologiethema. Inwieweit werden da Startups eine Rolle für die Agenda der Bundesregierung spielen?

Startups sind per se ein ganz wichtiger Faktor für Transformationen und mehr Dynamik im Wirtschaftssystem. Deswegen sind sie am ehesten die Akteure, die Fragen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes angehen. Das merken wir auch bei den Gründungen im Greentech-Bereich, wo unglaublich viel Dynamik vorhanden ist. Insofern ist aus meiner Sicht eine allgemeine Strategie für Startups zugleich auch eine Strategie für die Transformationen, die wir meistern müssen.

Wichtig ist zudem, dass wir sowohl technische Innovationen als auch Social Entrepreneurship von Startups im Blick haben. Denn diese zahlen oft ebenfalls auf Nachhaltigkeitsfragen und andere gesellschaftliche Herausforderungen ein – z.B. im Bereich der Gesundheit oder dort, wo viele Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen. Diese Aspekte sind deshalb auch alle Teil einer gemeinsamen Startup-Strategie.

Wie ist Ihr Austausch bisher mit Startups? Hat er sich durch die neue Rolle als Beauftragte nochmal verändert?

Mir ist ein enger Austausch mit der Startup-Community sehr wichtig. Den habe ich auch schon in meiner früheren Funktion als Fraktionssprecherin und Mitglied im Forschungsausschuss des Bundestages gepflegt – gerade bei Themen wie Künstlicher Intelligenz, sinnvoller Datennutzung oder Unternehmensausgründungen aus Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, die mich in meiner Arbeit umgetrieben haben.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User StartupStockPhotos | Ausschnitt angepasst

Jetzt in meiner neuen Funktion hat der Austausch nochmal eine strukturiertere Form angenommen, etwa durch mehrere Termine mit dem Startup-Verband oder mit dem Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“, den wir im Ministerium weiterführen. Und ganz wichtig: Es gab schon eine intensive Workshop-Phase zur Startup-Strategie mit sechs Workshops zu unterschiedlichen Schwerpunkten, an denen Vertreter:innen von Startups maßgeblich beteiligt waren. Diese Beteiligung und ein transparenter Prozess bei der Erarbeitung der Strategie sind mir ganz wichtig.

Sie sind momentan ja sehr erfolgreich in der Politik unterwegs. Können Sie sich vorstellen, selbst mal Gründerin zu werden oder in ein Startup zu gehen, so nah wie Sie an den Themen dran sind?

Also ich komme ja aus einer Unternehmensfamilie, insofern ist mir das Gründen von Unternehmen nicht fremd und ich finde es auf jeden Fall ein unglaublich spannendes Unterfangen. Man ist da sehr eigenständig und kann sehr kreativ unterwegs sein. Man soll ja nie Nie sagen, aber für die nähere Zukunft habe ich das bisher nicht geplant. Erstmal möchte ich zu guten Rahmenbedingungen für bestehende und künftige Startups beitragen.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion