Glasfaser: Darum geht’s in der Diskussion zum Überbau

Foto: iStock / tiero
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Veröffentlicht am 25.04.2023

Der Glasfaserausbau in Deutschland soll in den nächsten Jahren massiv vorangetrieben werden – darüber herrscht Einigkeit zwischen Politik und Telekommunikationsbranche. Umstritten ist jedoch das Thema Überbau. Worum geht es dabei und was sind die Positionen von Parteien und Verbänden?

Das Ziel beim Glasfaserausbau hat die Bundesregierung in ihrer Gigabitstrategie klar formuliert: Bis 2030 sollen alle Haushalte in Deutschland flächendeckend mit Glasfaseranschlüssen versorgt sein. Den Übergang von Kupfer- auf Glasfasernetze möchte die Regierung dabei „zügig, wettbewerbskonform und verbraucherfreundlich gestalten“, wie es in dem Papier heißt. Der sogenannte Überbau bereits bestehender oder geplanter Glasfasernetze könnte dieses Ziel allerdings gefährden – und sorgt für Streit in der Branche.

Wenn Konkurrenz zu mehreren Glasfaser­anschlüssen führt

Überbau bedeutet in diesem Zusammenhang, dass an Orten, wo ein Netzbetreiber bereits Glasfaserleitungen verlegt hat oder dies plant, ein zweites Unternehmen ebenfalls ausbaut und die Haushalte so parallel mit einem zweiten oder dritten Glasfaser­anschluss versorgt. Dies lässt besonders häufig in Großstädten und Ballungsgebieten beobachten, wo es viele potentielle Kunden für die ausbauenden Unternehmen gibt.

Gegen den doppelten Ausbau wird dabei aus mehreren Gründen argumentiert: Zum einen bindet er Ressourcen, die an anderen, nicht ausgebauten Stellen dann womöglich fehlen. Zum anderen gibt es mit Open Access-Regelungen grundsätzlich die Option, zwischen konkurrierenden Anbietern für einen diskriminierungsfreien Zugang zu bestehenden Netzen zu sorgen.

Foto: Flickr Christoph Scholz | CC BY-SA 2.0 | Ausschnitt bearbeitet

Im Zentrum der öffentlichen Kritik an Überbau-Aktivitäten steht besonders die Telekom, die durch „strategische Manöver“ die Pläne der Wettbewerber ausbremse. Diesen Vorwurf haben vor kurzem die Provider-Verbände Anga, Breko, Buglas und VATM sowie der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) in einem gemeinsamen Brief an Digitalminister Volker Wissing (FDP) erhoben. Laut den Verbänden sei bereits mehr als die Hälfte der Postleitzahlen-Regionen in Deutschland von Überbau betroffen. Das Kalkül dahinter: Wenn ein großes Unternehmen wie die Telekom einen Überbau nur ankündige, würde dies die Bauvorhaben alternativer Glasfaseranbieter wegen Konkurrenz und Zweifeln an der Wirtschaftlichkeit oft bereits torpedieren. In einem Positionspapier zum Thema vom Februar 2023 hebt der VATM zudem hervor:

„Die Erfahrung vieler Bürgermeister ist zudem, dass im Fall eines Rückzugs des Erstinvestors ein Ausbau der Telekom nicht mehr erfolgt – oder nur ein kleiner Teilausbau davon, da das Ziel, keine DSL-Kunden an das FTTH-Netz eines Wettbewerbers zu verlieren, auf diese Weise erreicht werden kann.“

Forderungen an die Politik

In der Konsequenz drohe ein ausgebremster Glasfaserausbau, weshalb die Branchenverbände eine politische Lösung fordern, z.B. temporäre Regelungen, um wettbewerbswidriges Verhalten einzudämmen. Aus Sicht der Telekom ist der Überbau aber bloß eine Entscheidung, die unter anderem auf wirtschaftliche Kriterien im Infrastrukturwettbewerb zurückgehe, weil man die Kunden im Glasfasermarkt nicht an andere Anbieter verlieren möchte. Zugleich plädiert die Telekom für „offene Netze statt Zugangsregulierung“ und gibt die Kritik an die anderen Unternehmen zurück:

„Wettbewerber fordern vehement den Wettbewerb zu verhindern, um neue Monopolgewinne auf abgeschotteten Netzen zu verteidigen und von der mangelnden langfristigen Tragfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle abzulenken. Ordnungspolitisch ist das eine Abkehr von Marktwirtschaft und Wettbewerb.“ (Wolfgang Kopf, Leiter Zentralbereich Politik und Regulierung Deutsche Telekom AG)

Stimmen aus den Parteien

Im Bundestag ist der Streit um den Überbau ebenfalls bereits thematisiert worden, wobei die Parteien vor allem die Kritik am parallelen Ausbau teilen und stark zu neuen Vorgaben durch den Gesetzgeber tendieren. So hat sich etwa Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, deutlich positioniert:

Maximilian Funke-Kaiser MdB, Digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion | Foto: Christian von Polentz für meko factory

„Der strategische Überbau insbesondere der Telekom schadet wegen der knappen Ressourcen nicht nur den Zielen der Gigabitstrategie. Oft zerstört allein die Ankündigung eines Überbaus die Ausbaupläne eines Glasfaseranbieters, da die überbauten Teile eines Netzes ausschlaggebend für die Gesamtrentabilität eines Ausbauplans sind.“

Die gleiche Position der Ampel-Fraktionen hat zudem Maik Außendorf (Grüne) in seiner Bundestagsrede zum Thema deutlich gemacht und darauf hingewiesen, dass der doppelte Glasfaserausbau nicht nur mehrfach Ressourcen verbraucht, sondern auch klimaschädlich ist. Sollten tatsächlich signifikante Überbauaktivtäten stattfinden, könnten sowohl Bundesnetzagentur und Kartellamt als auch der Bundestag tätig werden, so der digitalpolitische Sprecher der Grünen.

Noch klarer fiel bisher die Reaktion der Opposition aus. So fordert die Unionsfraktion in einem Antrag, der Mitte März an mehrere Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen wurde, den Glasfaserüberbau gesetzlich einzuschränken. Dazu Reinhard Brandl, digitalpolitische Sprecher von CDU/CSU:

„Wir sollten das Telekommunikationsgesetz dahingehend ergänzen, dass den Kommunen ermöglicht wird, den Überbau eines bestehenden Glasfasernetzes so lange nicht zu genehmigen, bis die gesamte Kommune nicht mindestens einmal mit Glasfaser erschlossen ist.“

Und auch Anke Domscheit-Berg von der Linkspartei sieht hier die Politik in der Pflicht, eine rechtliche Grundlage zu schaffen:

Anke Domscheit- Berg MdB Netzpolitische Sprecherin Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag | Foto: Henrik Andree

„Ein Überbau von Glasfasern dort, wo bereits ein Glasfasernetz mit Open-Access-Zugang für alle Wettbewerber besteht, sollte verboten werden, mindestens bis zum Erreichen des Gigabitzieles für alle Haushalte in Deutschland.“

Die Parteien sind sich also grundsätzlich einig, dass der Überbau ein Problem darstellt, finden aber noch keinen gemeinsamen Lösungsansatz. Bevor die Ampel-Koalition weitere Schritte einleite, brauche es zunächst eine bessere Datenlage, wie Maik Außendorf in der Debatte betonte. Zudem habe das Bundesministerium für Digitales und Verkehr angekündigt, „einen Workshop mit beteiligten Stakeholdern abzuhalten, um das Thema Überbau anzugehen, einschließlich Definition, Erhebung und dem Erarbeiten weiterer Maßnahmen“.

Hinweis: Der Überbau und die Suche nach dem richtigen Glasfaserausbau werden zudem Thema des „TeleTreff Berlin“ morgen im BASECAMP sein.

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