Fernsehen war gestern – die Nachrichten von morgen

Wie sehen die News von morgen aus?, Foto Harald Geywitz
Veröffentlicht am 31.03.2016

Fernsehen war gestern. Zumindest für die Generation Y. Leitartikel liest auch kaum niemand, der zwischen 20 und 35 Jahren alt ist. Nachrichtenseiten muss man nicht mehr aufrufen, um die täglichen Updates zu bekommen, sondern liest direkt im Facebook-Browser oder Newsdigest. Während die etablierten Medien mit neuen Bezahl- und Distributionsmodellen für traditionelle Inhalte experimentieren, definieren junge, innovative Medien-Start-ups den Journalismus von Morgen. Neue Konzepte und Produkte für die „Millenials“ bedeuten vor allem weniger News, mehr Hintergrundjournalismus und in jedem Fall ansprechend präsentiert auf mobilen Endgeräten. Außerdem müssen die Inhalte in den sozialen Netzwerken teilbar sein. Innovationen im Nachrichtenangebot für „Millenials“ kommen vor allem aus den USA. Aber auch deutsche Medien-Start-ups wollen mit neuen Konzepten überzeugen.

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Wie sehen die News von morgen aus? Foto Harald Geywitz

Tägliche Portion Perspektive

Der neuste Coup in der Medienlandschaft kommt von „Perspektive Daily“. Über 12.000 Unterstützer sind dem Crowdfunding-Aufruf des Berliner Start-ups gefolgt und haben eine Jahresmitgliedschaft für 42 Euro erworben. Ab Ende Mai können Mitglieder täglich neue Inhalte von dem „Internetmedium für lösungsorientierten Journalismus“ erwarten. Inhaltlich will sich die Redaktion erheblich vom deutschen Crowdfunding-Pionierprojekt „Krautreporter“, einem Autorennetzwerk, unterscheiden. Statt nur gemeinsam frei zu sein, wollen „Perspective Daily“ konstruktiven Journalismus machen, nach dem Motto: „Anpacken statt Meckern“. Lösungsorientiert werden die Autoren aktuelle Fragen, wie die nach dem erfolgreichen Zusammenleben verschiedener Kulturen in der Gesellschaft, beantworten. Der Trend „Solutions Journalism“ kommt aus den USA und will die Welt ein bisschen besser machen, statt nach der Devise „only bad news are good news“ zu berichten. Die Autoren der Seite sind keine klassischen Journalisten, sondern vor allem Experten für Fachgebiete wie „Innovation, Kreativität & Fortschritt“ oder „Demokratie, Menschenrechte und Europa“. Damit orientiert sich das deutsche Start-up eher an der erfolgreichen niederländischen Journalismus-Plattform „De Correspondent“, das als „tägliche Medizin gegen den Wahn des Alltags“ agieren will und Hintergrundjournalismus zu gesellschaftlich relevanten Themen macht. Dabei werden unbeachtete Zusammenhänge beleuchtet und zukunftsorientierte Fragen gestellt. Natürlich erscheinen Formate wie „Perspective Daily“ und „De Correspondent“ nur digital, wahlweise als praktischer Newsletter für Abonnenten oder per Mitglieder-Login.

Handgepickte News

Einen anderen Journalismus-Trend setzt das Münchener Start-Up „piqd“ um: „Curated News“ – von Experten und Redakteuren gefilterte Newsfeeds zu bestimmten Themen. Auf den 13 verschiedenen Themenkanälen wie „Feminismen“, „Osteuropa“ oder „Politischer Ökonomie“ sammeln 60 ausgewählte „piqer“ relevante Artikel von externen Seiten (maximal 1 Artikel pro Tag). Journalisten, wie Osteuropakorrespondent Pavel Lokshin, aber auch Politiker wie Dorothee Bär und Konstantin von Notz, machen bei dem Projekt mit. Dazu beantworten die Experten für den Leser in wenigen Sätzen die Frage „Warum sollte ich diesen Text eigentlich Lesen?“ „Andere Angebote sagen ihren Lesern, WAS sie lesen sollen. Unsere Experten sagen ihnen, WARUM“, erklärt Frederik Fischer, Chefredakteur von „piqd“, das Konzept. Die Logik entspricht also der eines Facebook-Newsfeeds, in dem die Leser Artikelempfehlungen von Freunden, Journalisten und Organisationen folgen. „piqd“-Mitglieder erhalten ihren Feed allerdings als Newsletter, oder sie können sich auf der Website einloggen. Die einfache Mitgliedschaft ist kostenlos, wer kommentieren und posten will, zahlt extra einen Monatsbeitrag. Das schützt auch vor Trollen.

Bei piqd mit dabei: Dorothee Bär MdB, Parlamentarische Staatssekretärin
Bei piqd mit dabei: Dorothee Bär MdB, Parlamentarische Staatssekretärin, Foto: E-Plus Gruppe

Traditionsmedien ziehen nach

Auch die Traditionsmedien haben inzwischen verstanden, dass die „Millenials“ eine andere Form von Journalismus wollen. Erste Gehversuche lassen sich bei Zeit Online mit dem Ableger „ze.tt“ und bei Spiegel Online mit „bento“ beobachten. Beide Websites haben Konzepte wie „Buzzfeed“ und das von Axel Springer mitfinanzierte Portal „Mic.“ oder „Vice News“ als Vorbild – also Soft News in Form von Listen und News-Kurzhappen. Experimentiert wird auch mit WhatsApp und Snapchat als Verbreitungskanälen. „ze.tt will mit inspirierenden Geschichten für Gesprächsstoff in WhatsApp-Gruppen und WG-Küchen sorgen, mit einer Mischung aus eigenen Beiträgen und kuratierten Social News“, erklärt Sebastian Horn, Redaktionsleiter von „ze.tt“. Ein Artikel über Donald-Trump-Emojis steht in diesem Nachrichtenkonzept direkt neben einer Analyse der Sicherheitslage in Israel – in der Sprache der „Millenials“. Eine zeitgerechte Antwort auf die Bedürfnisse der medienaffinen „Millenials“, sagen die einen, Verdummung auf hohem Niveau, die anderen.

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