Bundestag ist Digitalisierungskatalysator

Foto: DIHK
Veröffentlicht am 05.06.2015

Nach über einem Jahr Bundestagsausschuss Digitale Agenda und fast einem Jahr Digitale Agenda der Bundesregierung möchten wir erfahren, welche Ergebnisse erreicht wurden und wo aus Sicht der politischen Entscheider noch etwas zu tun bleibt. Der Bereichsleiter Dienstleistungen, Infrastruktur, Regionalpolitik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Dr. August Ortmeyer, stellt sich heute unseren Fragen zum Bereich digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten

Der DIHK übernimmt als Dachorganisation die Interessenvertretung der gewerblichen deutschen Wirtschaft auf Bundesebene in Berlin und auf europäischer Ebene in Brüssel. 3,6 Millionen gewerbliche Unternehmen aller Größenklassen aus unterschiedlichen Branchen sind gesetzliche Mitglieder der Industrie- und Handelskammern in Deutschland.

Digitalisierungskatalysator
Interview mit Dr. August Ortmeyer, Foto: DIHK
  1. Der Bundestagsauschuss Digitale Agenda besteht seit einem Jahr, die Bundesregierung hat einen ersten Bericht zur Umsetzung ihrer in 2014 beschlossenen Digitalen Agenda vorgelegt. Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse der Digitalisierungspolitik in Deutschland? Welche Aspekte sind Ihrer Ansicht nach bisher zu kurz gekommen?

Zunächst einmal ist es richtig, dass der Bundestagsausschuss eingerichtet wurde. Die Abgeordneten haben dadurch mehr Schlagkraft, und können gezielt wichtige Fragen zur Digitalisierung in andere Ausschüsse tragen und dort neue Akzente setzen. Der Ausschuss wirkt somit als „Digitalisierungskatalysator“ im politischen Raum. Eine solche Rolle ist auch dringend nötig, denn auf politischer Ebene sowie in den Ministerien gibt es zwar eine gewisse Community für die Digitalisierungsthemen, diese stößt aber häufig an Grenzen: Nämlich dann, wenn die Themen mit den zuständigen Fachkollegen besprochen werden, die sich gedanklich noch immer in einer rein analogen Welt bewegen. Deswegen passiert es dann immer wieder, dass neue Gesetze die digitale Umsetzung in Verwaltungen und Wirtschaft nicht von Beginn an berücksichtigen. Das ist ein echter Bremsklotz, insbesondere wenn ich an unsere größte Digitalisierungsbaustelle – E-Government – denke.

  1. Wer waren für Sie im vergangenen Jahr die wichtigsten politischen Impulsgeber zur Digitalen Agenda und wessen Stimme sollte mehr Gehör finden?

Die besten Impulsgeber für mich sind Unternehmen, die die enormen technologischen Umwälzungen tagtäglich in die Praxis umsetzen. Aber gerade deren Bedürfnisse gehen im politischen Raum häufig unter: Etwa wenn es um das Thema Breitband geht: Die Politik hat vielerorts noch nicht begriffen, dass die künftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes – und damit unser aller Lebensbedingungen – davon abhängen, dass Unternehmen mit wirklich leistungsfähigen Breitbandanschlüssen versorgt werden. Ohne diese werden wir keine Vorreiterrolle in der viel beschworenen Industrie 4.0 oder anderen Spitzentechnologiebereichen einnehmen. Hier müssen die Verantwortlichen klare Prioritäten setzen.

  1. Welche drei Ziele sollten Ihrer Meinung nach bis zum Jahr 2017 auf jeden Fall erreicht sein?

An erster Stelle gilt, dass Breitband grundsätzlich für alle Unternehmen zur Verfügung stehen muss, d.h. alle Gewerbegebiete sollten mit einem leistungsfähigen Breitbandanschluss ausgestattet sein.

Der Breitbandausbau soll weiße Flecken eliminieren
Der Breitbandausbau soll weiße Flecken eliminieren

Dann müssen wir in Deutschland gemeinsam an einer Gesamtarchitektur für mehr Daten- und Informationssicherheit arbeiten. Das IT-Sicherheitsgesetz ist ein erster Ansatz für den Bereich der Kritischen Infrastrukturen. Wir müssen uns aber ebenso darüber unterhalten, wie wir die Wirtschaft als Ganzes, aber auch die Arbeitnehmer mitnehmen können. Denn gerade wenn letztere sorglos mit ihren eigenen Daten umgehen, sind schnell auch Firmengeheimnisse in Gefahr. Die jüngsten Enthüllungen über eine Zusammenarbeit der Geheimdienste hat bei den Unternehmen weiteres Misstrauen geschürt. Wir müssen hier zu einer neuen Kommunikationskultur und zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft finden.

Und ein drittes ganz wesentliches Ziel muss sein, die Mitarbeiter in den Unternehmen für den Umgang mit digitalen Medien fit zu machen. Nur entsprechend qualifizierte Mitarbeiter können die Potenziale der Digitalisierung voll ausschöpfen und darüber hinaus Innovationen auf Basis der neuen Technologien hervorbringen.

  1. Die Bundesregierung hat ihre Aktivitäten der Digitalisierung der Wirtschaft mit den beiden Plattformen „Industrie 4.0“ und „Innovative Digitalisierung der Wirtschaft“ auf eine neue Basis gestellt. Welche konkreten Fortschritte erhofft sich der DIHK von diesen beiden Plattformen und wie beteiligen Sie sich daran?

Der Staat kann seinen Beitrag leisten, indem er eine koordinierende Rolle übernimmt, etwa wenn es um Standardisierung oder um Bildungsfragen geht. Wir wirken in diesem Prozess in erster Linie als Multiplikatoren, um die Themen und Ergebnisse in die Regionen und damit zu den mittelständischen Unternehmen zu tragen.

  1. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen behindern aktuell am meisten die Digitalisierung der Wirtschaft?

Die Digitalisierung führt zu neuen Anwendungen und Geschäftsmodellen, die in Echtzeit, mobil, global und multimedial entstehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der analogen Welt passen teilweise nicht mehr zu dieser rasanten technologischen Entwicklung. Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen für den Schutz geltender Rechte wie z. B. für das geistige Eigentum und für die rechtliche Durchsetzbarkeit bestehender Regelungen in der digitalen Welt. Besondere Unsicherheiten registrieren wir in den Bereichen Haftungsfragen, Urheberrecht, Arbeitsschutz und insbesondere Datenschutz. Und: Digitale Plattformen stellen auch das Wettbewerbsrecht, das lediglich auf die analoge Welt ausgerichtet ist, auf den Prüfstand. Neujustierungen in diesen Bereichen müssen vorgenommen werden.

Wir benötigen einen Rechtsrahmen, der die digitale Transformation in den Unternehmen ermöglicht und unterstützt, denn hiervon ist unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich abhängig. An erster Stelle steht deshalb meiner Ansicht nach die Verabschiedung einer Europäischen Datenschutzgrundverordnung, die die Fragen der digitalen Welt adäquat aufgreift. Ich befürchte aber, dass der mühsam errungene Kompromiss schon wieder überholt sein wird, wenn er dann gefunden ist.

  1. Die Digitalisierung der Unternehmen kann nur mit entsprechend geschultem Personal gelingen. Wie zufrieden sind Sie mit den Bemühungen der Politik, Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten mit dem Fokus Digitalisierung zu stärken?

Gut ausgebildete Fachkräfte erwerben durch eine duale Ausbildung verbunden mit lebensbegleitendem Lernen die erforderlichen Kompetenzen, um für die künftigen Anforderungen von Wirtschaft 4.0 gewappnet zu sein. Beim Thema Aus- und Weiterbildung sehen wir uns selber in der Pflicht: Die Industrie- und Handelskammern tragen dafür Sorge, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung auf die Anforderungen einer Wirtschaft 4.0 ausgerichtet wird. So haben wir beispielsweise Empfehlungen für die Qualifizierung von Fachkräften für den Glasfaserausbau erarbeitet und helfen so den Unternehmen, die den Breitband-Glasfaserausbau in unserem Land vorantreiben. Und auch die Unternehmen selber können beitragen, indem sie z. B. ihren Mitarbeitern Möglichkeiten einräumen, entsprechende Weiterbildungsangebote zu nutzen.

 

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