Nationaler IT-Gipfel 2014 mit Diskussionen zur Digitalen Agenda

Foto: BMWi/Michael Reitz
Veröffentlicht am 29.10.2014

Anlässlich des 8. Nationalen IT-Gipfels versammelten sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am Dienstag, 21. Oktober, in Hamburg, um über die Chancen der Digitalisierung zu diskutieren. Unter dem Motto „Arbeiten und Leben im digitalen Wandel – gemeinsam. innovativ. selbstbestimmt“ fanden diverse Vorträge und Paneldiskussionen mit hochrangigen Teilnehmern statt.

Begrüßungsreden zur Digitalen Agenda

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In seiner Begrüßungsrede erklärte Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg, die Hansestadt liege bundesweit auf Platz eins der IT-Gründungen und habe sich als E-Commerce-Hauptstadt etabliert. Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, begrüßte die Gäste mit einem Hinweis auf den Wert und das Geschäftsmodell des „Content“: Nicht nur die Technologie solle gewinnbringend sein, sondern Inhalte und Produkte müssten weiterhin Erlöse generieren.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel betonte noch einmal die Kernziele und die 7 Handlungsfelder der im August vorgelegten Digitalen Agenda der Bundesregierung. Diese sei kein Subventionsprogramm, sondern vor allem eine Strategie, die ständig mit allen Beteiligten weiterentwickelt werden solle. In diesem Zusammenhang forderte er alle Akteure auf, sich mit ihren Interessen und ihrer Expertise einzubringen. Mit dem Gipfel solle außerdem ein klares Signal für die Industrie 4.0 gesetzt werden, sagte der Bundesminister. Vor diesem Hintergrund äußerte er die Hoffnung, den Fachkräftemangel durch den Rationalisierungsprozess im Rahmen von Industrie 4.0 zu bewältigen. Das Prinzip der Netzneutralität verteidigte er deutlich, betonte allerdings die Notwendigkeit, flexible Spezialdienste zu ermöglichen. Es gehe jedoch nicht nur um ökonomische Chancen, sondern auch darum, den gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt zu ermöglichen. Bezüglich der digitalen Bildung äußerte der SPD-Politiker die Hoffnung, dass eine Programmiersprache als zweite Fremdsprache ganz oben auf dem Lehrplan stehen werde.

Hinsichtlich des Themas Start-ups erklärte Gabriel, im Vergleich zum Venture Capital des Silicon Valley seien die finanziellen Mittel in Deutschland eine eher „homöopathische Dosis“. Er kündigte an, 50 Millionen Euro für das Forschungs- und Entwicklungsprogamm Smart Service Welt zur Verfügung zu stellen. Ferner sollen fünf Demonstrationszentren mit Beispielen zur Industrie 4.0 als Unterstützung für den Mittelstand dienen.

Forum I zu Infrastruktur und Mobilität

Im ersten Forum diskutierten die hochrangigen Panelteilnehmer Fragen unter dem Titel „Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Ökonomie – Infrastruktur, Mobilität und Intelligente Vernetzung“. Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, wies auf die potenzielle Effektivität durch digitale Vernetzung hin. Bereits für das Jahr 2020 rechne er mit der Verbreitung von autonomem Fahren in Personen- und Güterverkehr. Doch nicht nur technische, auch rechtliche Hürden seien noch zu bewältigen. Bezüglich des Breitbandausbaus verwies der Minister auf die Ergebnisse der Netzallianz Digitales Deutschland: Unter anderem werden nächstes Jahr acht Milliarden Euro in den Breitbandausbau investiert. Jedoch werde der Staat allein den Breitbandausbau nicht bewältigen, betonte Dobrindt.

Dr. Heike Hanagarth aus dem Vorstand Technik der Deutsche Bahn AG erklärte, eine nachhaltige Energiewende benötige auch eine Verkehrswende und nannte die Maßnahmen des Unternehmens E-Ticketing sowie Touch and Travel als Beispiele. Als Vertreter von BMW sprach Dr. Elmar Frickenstein über die Vernetzung im Automobilbereich. Das Internet der Dinge biete neue Möglichkeiten, doch für den Wettbewerb brauche es Rahmenbedingungen, betonte er. Die Vorsitzende der Geschäftsführung IBM Deutschland, Martina Koederitz, sprach über die Voraussetzungen für Smart Cities, etwa für intelligente Gesundheitssysteme, Energieversorgung und intelligenten Verkehr. Die entscheidende Herausforderung von Big Data sei die Fähigkeit, relevante Daten von weniger relevanten Daten unterscheiden zu können.

Forum II zu Industrie 4.0 und Startups

Das zweite Forum beschäftigte sich mit dem Thema „Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Ökonomie: Industrie 4.0 – Chancen und Herausforderungen“. Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung Accenture, merkte an, dass ein digitaler Binnenmarkt in Europa geschaffen werden müsse, woraufhin Sigmar Gabriel auf die europäische Datenschutzgrundverordnung verwies, deren Verabschiedung für nächstes Jahr geplant sei.

Catharina van Delden, Geschäftsführerin der innosabi und BITKOM-Präsidiumsmitglied, sprach über Gründungen und Startups. Sie befürwortete geringe Hürden für Gründungen und befand, dass Kooperationen mit etablierten Unternehmen in der deutschen Wirtschaft durchaus gut möglich seien. Cloud und Software seien Innovationstreiber, sagte SAP-Vorstandsmitglied Bernd Leukert zum Thema. SAP stelle Risikokapital in Höhe von einer Milliarde Euro zur Verfügung, betonte er und schlug zusätzlich auch steuerliche Anreize für Unternehmen vor. Bundesminister Gabriel fügte hinzu, die gezielte Forschungsförderung, derzeit über 500 Millionen Euro im Jahr, sei bislang der erfolgreichste Weg.

Forum III zum E-Government und Datenschutz

Das anschließende dritte Forum fand unter dem Titel „Transparenz, Sicherheit, Vertrauen – digitale Zukunft gestalten“ statt. Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im BMI und Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, sprach über die digitale Souveränität des Staates und der Verwaltung. Insbesondere letztere sei am Aufbau digitaler Angebote sehr interessiert, bekräftige sie. E-Government sei wichtig für die Wirtschaft und die Bürger. Digitale Systeme der Verwaltung müssen sicher sein und von den Bürgern genutzt werden, doch Fachpersonal sei zunehmend schwer zu rekrutieren, beklagte sie. Außerdem kündigte sie eine neue Ausweis-App an, die ab November verfügbar sein soll. Mit dem Online-Ausweis wurde eine leicht bedienbare Software zur Identifizierung entwickelt, erklärte sie. Cornelia Sasse, Leiterin Konzern-Datenschutz der Otto Group, forderte lesbare, verständliche Datenschutzerklärungen. Das Unternehmen Otto bemühe sich um viel Aufklärung und Hinweise auf der Website, betonte sie. Allerdings schließe die von Otto genutzte Verschlüsselung der Kundendaten die Verwendung dieser Daten für Marketingzwecke aus, was ein bewusster Verzicht für ein großes Handelsunternehmen sei.

Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG, wies darauf hin, dass Ende-zu-Ende-Verschlüsselung technisch längst möglich sei und nun umgesetzt werden müsse. Bundesinnenminister Thomas de Maizière rief in Erinnerung, dass man grundsätzlich über gestufte Sicherheit reden müsse, denn „absolute Sicherheit gibt es sowieso nicht“. Stattdessen plädierte er für „Sicherheit durch Umsicht“. Seiner Meinung nach könne jeder Bürger für 80 bis 90 Prozent seiner Datensicherheit selbst sorgen. Dafür verwies er auf bestehende Beratungsangebote von BKA und BSI. Auf Nachfrage des Moderators erklärte der Minister, die DE-Mail sei ein gutes Produkt und „niemand“ könne diese Mails lesen. Es müssten jedoch mehr Anwendungen geschaffen werden, damit es flächendeckend genutzt werde. Außerdem erwähnte er das geplante IT-Sicherheitsgesetz, nach dem kritische Infrastrukturen bis Ende 2017 Zeit für die Umsetzung der entsprechenden Standards hätten.

BITKOM fordert Ende der Datensparsamkeit

Am Nachmittag sprach der BITKOM-Präsident Dieter Kempf über die digitale Spaltung Deutschlands und forderte einen Brückenschlag. Die Wirtschaft müsse ihren Teil dazu beitragen. Er nannte mehrere Punkte, die seiner Meinung nach besonders bedeutsam für den erfolgreichen digitalen Wandel sind. Intelligente und leistungsfähige Netze seien die Voraussetzung. Als weiteren Punkt nannte er eine „moderne Datenpolitik“ und betrachtete Datensparsamkeit als ein „überkommenes Prinzip“, denn vorhandene Daten müssten genutzt werden. Des Weiteren forderte er ein zeitgemäßes Bildungssystem mit Informatik und Programmieren als Unterrichtsfächer. Außerdem sprach er die Notwendigkeit an, leistungsfähige, international ausgerichtete Technologie-Start-ups zu unterstützen. Schließlich forderte er einen „echten digitalen Binnenmarkt“, denn lediglich den deutschen Markt nutzen zu können sei ein „struktureller Nachteil“, betonte Kempf.

Bundeskanzlerin kündigt nächsten IT-Gipfel in Berlin an

In ihrer Rede am Nachmittag forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine stärkere Kooperation der Beteiligten von Industrie 4.0 und erklärte, die Europäer sollten die Normen und Standardisierung künftig mitbestimmen. Es müsse grundsätzlich eine Balance zwischen Regulierung und Offenheit gefunden werden. Eindringlich betonte sie, dass Normen in der digitalen Welt geändert und angepasst werden müssten, anstatt unbekannte Risiken bereits im Voraus regulieren zu wollen und dadurch Innovationen zu verhindern. Ende September habe das Bundeskabinett daher beschlossen, den INVEST-Zuschuss für Wagniskapital von den Ertragssteuern zu befreien. Dadurch sollen mehr private Investoren Start-ups finanziell unterstützen, erklärte Merkel. Die Bundesregierung sei bereit neue Wege zu gehen, sagte die Kanzlerin und forderte die Wirtschaft ebenfalls dazu auf. Auch Misserfolge und Risiken müsse die Wirtschaft zulassen, obwohl dies nicht unbedingt der deutschen Mentalität entspreche, „aber man kann das lernen“. Sie würde es begrüßen, wenn Datenschutz zu einer deutschen Marke werden könne. Abschließend kündigte Merkel an, dass der nächste IT-Gipfel in Berlin stattfinden wird.

Digitale Arbeitswelt mit neuen Lebensmodellen

Das letzte Forum am Nachmittag beschäftigte sich mit dem Thema „Arbeiten und Leben in der digitalen Welt“. Die Digitalisierung der Arbeitswelt biete zwar flexiblere Arbeitszeiten, doch man müsse dabei berücksichtigen, dass viele Arbeitnehmer einen Wertverlust der traditionellen Arbeit wahrnehmen, erklärte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Die Frage „Welche Arbeit passt zu meinem Leben?“ sei heutzutage entscheidend für viele Arbeitnehmer, wandte Marc-Sven Kopka, Vice President Corporate Communications bei XING, ein. Internetplattformen wie XING hätten zu dieser Mentalität beigetragen, schätzte er: „Lebensläufe werden bunter.“ Die Verschmelzung zwischen Arbeit und Freizeit sei allerdings nicht von allen Menschen gleichermaßen gewünscht, räumte er ein.

Gesche Joost, Digital Champion der Bundesregierung bei der EU, war überzeugt, dass viele Freelancer die Selbstbestimmung mit neuen, eigenen Lebens- und Arbeitsmodellen genießen, vor allem in der Kreativ- und Digitalwirtschaft. Die Politik müsse darauf flexibler reagieren und aufpassen, dass diese Gruppe nicht aus den sozialen Sicherungssystemen falle. Es entstünden neue Berufsbilder in der IKT-Branche. Daher wurde die europäische Initiative „Bündnis für digitale Arbeit“ verabschiedet, erklärte Joost. Europaweit werde Deutschland hinsichtlich der Start-up-Förderung und des starken Mittelstands als Vorreiter wahrgenommen. Bei der digitalen Bildung hinke Deutschland hingegen hinterher, beklagte die SPD-Politikerin.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlichen Monitoringdienstes für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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