Standpunkt: Kupfer raus, Glasfaser rein – Wie die Bundesnetzagentur den Netzübergang begleiten will

Credit: iStock/wongmbatuloyo, Shutterstock/kanvictory
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Veröffentlicht am 16.05.2025

Am 28. April 2025 hat die Bundesnetzagentur ein Impulspapier zur Kupfer-Glas-Migration veröffentlicht und zur Kommentierung gestellt. Die Behörde stößt damit auf fachlicher Ebene eine Debatte an, die sowohl von der EU-Kommission in ihrem Whitepaper 2024 als auch im jüngst abgeschlossenen Koalitionsvertrag der neuen deutschen Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD angesprochen wird.

Mit dem Impulspapier will die Bundesnetzagentur Bewegung in die Diskussion um die Migration von alten Kupfernetzen hin zu modernen Glasfasernetzen bringen. Das Papier gibt erste Denkanstöße und stellt zentrale Fragen zur Anwendung des deutschen Rechtsrahmens in diesem Transformationsprozess. Denn klar ist: Der Umstieg betrifft den gesamten Telekommunikationsmarkt. Um den Übergang möglichst reibungslos zu gestalten, setzt die Bundesnetzagentur auf den Dialog mit den Netzbetreibern. Ziel ist es, gemeinsam praxistaugliche Lösungen zu entwickeln – und dabei möglichst viel über marktwirtschaftliche Ansätze zu regeln.

Kupfer-Glas-Migration enorme Herausforderung

Die Debatte ist für alle Unternehmen im Telekommunikationsmarkt von Relevanz, und die Branche begrüßt es einhellig, dass die Bundesnetzagentur nun einen formellen und öffentlichen Diskurs zu diesem Thema eröffnet hat. Besonders für größere Anbieter, die wie O2 Telefónica heute Millionen von Endkunden über kupferbasierte Vorleistungen versorgen, stellt die bevorstehende Migration eine enorme Herausforderung dar.

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Die komplette Netzmigration aller Kupferkunden zu FTTH ist eine immense Aufgabe. In Märkten wie Spanien, wo andere Ausgangsbedingungen herrschen – etwa durch vorhandene Leerrohre, höhere Nachfrage nach Glasfaserprodukten und fehlende VDSL-Angebote – dauerte ein vergleichbarer Übergang etwa zehn Jahre, obwohl dort nur etwa die Hälfte der deutschen Kundenmenge betroffen war. Deutschland liegt im Ausbau der Glasfasernetze noch weit zurück, und die heutige Durchdringung mit FTTH ist noch nicht für eine massive Migration ausreichend.

Umso wichtiger wird die frühzeitige Klärung von Zuständigkeiten, Prozessen und Kostentragung, um Planungssicherheit zu gewinnen. Aus Branchenkreisen wird die Initiative der Bundesnetzagentur als Schritt in die richtige Richtung gewertet. Die klare Erwartung: Der Startschuss für eine inhaltliche Diskussion muss jetzt erfolgen, um verlässliche, möglichst automatisierte Migrationsprozesse zu entwickeln – und damit für Kunden wie auch für Anbieter Planungssicherheit zu schaffen.

Komplexe Verfahren und viele offene Fragen

Das Impulspapier gliedert sich in zwei zentrale Bereiche. Im ersten Teil beschreibt die Bundesnetzagentur die komplexe Verfahrensarchitektur, die sich aus dem Telekommunikationsgesetz (§ 34 TKG) ergibt. Demnach ist für eine vollständige Abschaltung von Kupferinfrastruktur ein mehrstufiges Verfahren notwendig, das unter anderem Änderungen an bestehenden Regulierungsverfügungen und Standardangeboten erfordert. Die Behörde bietet der Telekom an, bereits im Vorfeld Anträge zu stellen, um Grundsatzentscheidungen zu zentralen Themen wie Prozessen, Kosten oder Fristen vorwegzunehmen. Das soll helfen, spätere Abschaltungsverfahren effizienter zu gestalten – ein Vorschlag, der im Markt als pragmatisch und zielführend bewertet wird.

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Im zweiten Teil skizziert das Papier die aus Sicht der Behörde offenen Fragen zur Migration: Wer trägt die Kosten? Welche Fristen gelten? Wie sollen Schnittstellen und Abläufe organisiert werden? Die Bundesnetzagentur trifft hier keine Vorfestlegungen, sondern bittet gezielt um Input aus dem Markt. Besonders das Thema der Kostentragung wird als entscheidend für den weiteren Verlauf gesehen. Während sich die Endkundenpreise für Glasfaser und VDSL inzwischen angenähert haben, sind die Vorleistungskosten für FTTH weiterhin deutlich höher. Hinzu kommen zusätzliche Aufwendungen für Hardware, Umschaltungen und Kundenservice – Kosten, für die es auf Endkundenseite oft keine zusätzliche Zahlungsbereitschaft gibt. Der Frage, wer diese Kosten letztlich trägt, wird in der Konsultation zu Recht eine hohe Priorität eingeräumt. Aus Sicht von O2 Telefónica sind die vollständigen Migrationskosten von der Telekom zu tragen, da ausschließlich diese von der Kupferabschaltung profitiert.

Ein weiterer Aspekt der Debatte ist die Frage, ob eine Abschaltverpflichtung zugunsten dritter Anbieter denkbar wäre. Konkret: Muss die Telekom ihr Kupfernetz auch in solchen Regionen abschalten, in denen sie selbst kein Glasfasernetz errichtet hat, wohl aber ein anderer Anbieter? Aus Sicht einiger Marktbeobachter wäre eine solche Verpflichtung rechtlich sehr problematisch. Weder sehe § 34 TKG eine solche Maßnahme vor, noch wäre sie – so die Einschätzung – mit geltendem EU-Recht vereinbar.

Fazit

Die Kupfermigration ist ein Mammutprojekt mit weitreichenden Konsequenzen für Netzbetreiber, Regulierung und Verbraucher. Die Bundesnetzagentur hat mit dem Impulspapier den Weg für eine strukturierte Debatte geebnet. Ob daraus ein rechtssicherer, planbarer und fairer Migrationsprozess entsteht, hängt nun auch von der Qualität der Beiträge aus dem Markt ab.

Was regelt § 34 TKG?

§ 34 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Abschaltung alter Telekommunikationsinfrastrukturen, etwa von kupferbasierten Netzen.
Kernpunkte:

  • Genehmigungspflicht: Netzbetreiber wie die Telekom müssen die Abschaltung bei der Bundesnetzagentur beantragen.
  • Schutz der Marktteilnehmer: Die Bundesnetzagentur prüft, ob betroffene Anbieter ausreichend Zeit und Informationen haben, um auf neue Netze zu migrieren.
  • Ziel: Ein fairer Übergang für alle Marktteilnehmer und die Sicherstellung der Dienste für Endkunden.
  • Keine Abschaltpflicht zugunsten Dritter: Das Gesetz sieht derzeit keine Verpflichtung vor, Kupfernetze zugunsten konkurrierender FTTH-Netze abzuschalten.

§ 34 TKG schafft somit den rechtlichen Rahmen für den Strukturwandel im Festnetz – komplex, aber zentral für den Glasfaser-Ausbau in Deutschland.

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