Neue Macht für die Digitalisierung: Wildbergers Ministerium im Überblick

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Veröffentlicht am 07.05.2025

Deutschland bekommt ein Digitalministerium. Mit dem Organisationserlass ist nun auch klar, welche Zuständigkeiten das neue Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) erhält. Der frisch vereidigte Minister Dr. Karsten Wildberger übernimmt ein breit gefächertes Aufgabenpaket – inklusive digitaler Infrastruktur.

Was lange vorbereitet und politisch umkämpft war, nimmt jetzt konkrete Formen an: Der gestern ergangene Organisationserlass für die neue Bundesregierung regelt erstmal verbindlich die Zuständigkeiten des neuen Digitalministeriums und damit seine politische Schlagkraft. Insgesamt sechs Bundesministerien geben Kompetenzen ab, ein bemerkenswerter Schritt in Richtung zentralisierter Digitalpolitik. Für den parteilosen Digitalminister Dr. Karsten Wildberger, zuvor CEO Ceconomy AG und ohne politische Vorerfahrung, beginnt damit ein anspruchsvolles Amt mit hohen Erwartungen.

Das neue Haus und sein Zuschnitt

Ein erster Blick auf den druckfrischen Organisationserlass zeigt klar die Richtung: Das neue Digitalministerium macht seinem Namen alle Ehre. Die dort gebündelten Zuständigkeiten übertreffen viele Erwartungen.

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Besonders hervorzuheben ist der zentrale Zustimmungsvorbehalt für sämtliche wesentlichen IT-Ausgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung: Ohne grünes Licht des neuen Bundesministeriums fließt kein Geld. Dieses Modell orientiert sich am hessischen Vorbild. Ausnahmen gelten für das Bundesverteidigungsministerium und den Bundesnachrichtendienst. Auch das Bundesinnenministerium ist ausgenommen – allerdings nur bei Vorhaben mit Sicherheits- oder Polizeibezug.

Der Organisationserlass zeigt deutlich, dass sich die Befürworter des neuen Hauses in vielen Punkten durchsetzen konnten. Selbst bei zuvor umstrittenen Aspekten wurden zentrale Anliegen erfolgreich durchgebracht. Auch wenn noch viele Details nicht abschließend geklärt sind, macht der neue Zuschnitt Hoffnung auf ein Haus mit weitreichenden Kompetenzen und tatsächlichen Durchsetzungsrechten. Der Durchsetzungs-Spirit des BMDS wird bereits im ersten LinkedIn Post deutlich, dort heißt es „Null Zeit zu verlieren“.

Kompetenzwanderung

Aus dem Kanzleramt kommen zentrale Zuständigkeiten in das neue Digitalministerium: Die strategische Vorausschau, die Verhaltenswissenschaften und bürgerzentrierte Politik sowie die Grundsatzfragen der Digitalpolitik wandern in die Verantwortung des neuen Hauses.

Ein zentrales Element des BMDS ist die gebündelte Verantwortung für die digitale Infrastruktur.Die bisherigen Zuständigkeiten aus dem Verkehrsministerium für digitale Infrastrukturen und den Ausbau und aus dem Innenministerium für Netze des Bundes, die Steuerung der IT-Infrastruktur sowie die Cybersicherheit der Bundesverwaltung werden im neuen Ministerium zusammengeführt. Damit wird die gesamte digitale Grundausstattung des Staates – von Netzausbau über IT-Beschaffung bis zur Verwaltungssicherheit – in einer Hand gebündelt. Zusätzlich wandert vom Verkehrsministerium die Zuständigkeit des Geschäftsbereichs der Datenpolitik zum neuen Ministerium.

Das BMDS übernimmt federführend die Gestaltung der digitalen Wirtschaft. Dazu zählen Kompetenzen aus dem Wirtschaftsministerium wie Digitalpolitik, digitale Souveränität, Datenverfügbarkeit und Investitionsprüfungen. Auch die Umsetzung des Digitalgipfels und der Geschäftsbereich europäische und nationale bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau fallen in den Kompetenzbereich des BMDS. Katherina Reiche behält jedoch im Bereich der Digitalpolitik die Zuständigkeit für die Post.

Ein besonders umfangreicher Transfer erfolgt aus dem Innenministerium: Die Abteilungen für digitale Verwaltung, digitale Gesellschaft und allgemeine IT-Beschaffung gehen ins BMDS über. Damit wird das Ministerium zur zentralen Anlaufstelle für die Modernisierung der Verwaltung, einschließlich der Steuerung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Auch die Fachaufsicht über die Netze des Bundes und die Cybersicherheit in der Bundesverwaltung werden – teils mit geteilter Fachaufsicht – übertragen, was in der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) möglicherweise noch Abstimmungsbedarf erzeugen könnte. Dagegen verbleiben weiterhin die Themen Datenschutz und Datensicherheit in der Wirtschaft beim BMI. Ob und ich welcher Form Pass- und Ausweiswesen sowie das Identitätsmanagement in den Händen des Innenministeriums bleiben, oder in das neue Digitalministerium übergehen, bleibt noch zu klären. Das gilt auch für die EU-Wallet, eines der Leuchtturmprojekte der Verwaltungsdigitalisierung. Auf jeden Fall wird hier eine gute Abstimmung erforderlich, weswegen es bestimmt von Vorteil ist, dass sich das BMDS erstmal örtlich in den Gebäuden des BMI wiederfindet.

Das BDMS wird auch die Federführung für die nationale Umsetzung des EU-AI-Acts erhalten. Die operativen KI-Projekte verbleiben wohl eher allerdings im „High Tech“-Ministerium von Dorothee Bär, folglich verantwortet das BMDS dieregulatorische Umsetzung. Zudem übernimmt das BMDS die Geschäftsstelle für Bürokratieabbau, bessere Rechtssetzung und den Nationalen Normenkontrollrat aus dem Justizministerium. Das hartumkämpfte Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) und die Steuerung der souveränen Cloud für die Verwaltung aus dem Finanzministerium wechseln ebenfalls die Zuständigkeit des BMDS

Die Auswirkungen des Organisationserlasses auf die nachgeordneten Behörden – insbesondere BNetzA, BSI und BDBOS – sind potenziell weitreichend, auch wenn ihre konkrete Umsetzung und Wirkung noch abzuwarten bleibt. Beim BSI ist eine geteilte Fachaufsicht zwischen BMI und BMDS bereits vorgesehen, was neue Fragen zur Kompetenzabgrenzung und zur praktischen Steuerung aufwirft. Wie weit der Zugriff des BMDS im Rahmen dieser Konstruktion tatsächlich reicht und welche Dynamiken sich daraus für die Cybersicherheitsarchitektur ergeben, wird sich erst im Laufe der Legislatur zeigen.

Der Polit-Neuling soll es richten

Der neue Minister Karsten Wildberger hat also ein enormes Pflichtenheft zu erfüllen: Dazu wird die Weiterentwicklung der nationalen KI-Strategie und die Neuausrichtung der Datenpolitik zählen sowie die Förderung der vielbeschworenen Digitale Souveränität. Zudem muss der Ausbau der digitalen Infrastruktur entschieden vorangetrieben werden, Digital Governance sollte endlich vom Buzzword zur Bürgerrealität werden und dabei nicht zuletzt die strikte Ressortlogik in einem Querschnittsthema überwunden werden.

Wildberger hat die Bedeutung von KI erkannt, sich kritisch gegenüber der Konkurrenz aus Übersee positioniert und auch die nachhaltige Dimension der Digitalisierung ist ihm nicht fremd, wie er zuletzt beispielsweise beim Thema Refurbished IT und Kreislaufwirtschaft verdeutlicht. Die hinkende Verwaltungsdigitalisierung wird eines seiner Großprojekte werden (müssen).

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Der frisch ernannte Digitalminister wird den (Erfolgs-)Druck von mehreren Seiten zu spüren bekommen: Von den Unternehmen, von denen laut einer bitkom-Umfrage 85 % fordern, dass die neue Bundesregierung Digitalpolitik zu einem Schwerpunkt macht und von seinem Chef Friedrich Merz, der klarmacht: „Die Bevölkerung muss merken, dass eine neue Regierung einen Unterschied macht“.

Wildberger, einer von gleich drei Quereinsteigern bzw. Rückkehrern aus der Wirtschaft, bringt für diesen Erfolgsdruck nicht nur umfangreiche Erfahrung in der digitalen Transformation mit, sondern auch bewiesene Führungskompetenz aus seiner Zeit in verschiedenen Branchen, wie zum Beispiel der Telekommunikation bei T-Mobile und Telstra, der Energiebranche bei E.ON und dem Elektronikhandel bei Ceconomy AG (MediaMarkt und Saturn). Ohne politische Vorerfahrung muss er nun jedoch seine politische Handwerkskunst und das nötige Fingerspitzengefühl, gepaart mit Durchsetzungskraft, unter Beweis stellen. Gelingt ihm das, wird er vielleicht ein Positivbeispiel für einen Politikstil, wie ihn eine Studie des ifo-Instituts bei Politiker mit Manager-Vorerfahrung festgestellt hat: Diese setzen häufiger auf eine „marktorientiertere Politik“, die sich in der Praxis bewährt.

Unterstützt wird Wildberger dabei von den Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek und Philipp Amthor, die ihm als Parlamentarische Staatssekretäre zur Seite stehen sollen. Der 52-Jährige Jarzombek ist einer der profiliertesten und erfahrensten CDU Digitalpolitiker und gründete das cnetz mit. Vor seiner politischen Laufbahn war er IT-Unternehmer, von 2018 bis 2021 Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums für Digitale Wirtschaft und Start-ups. Amthor bringt neben seiner politischen Prominenz, Verwaltungs- und Rechtsexpertise mit in das neue Haus. Der 32-Jährige war in der letzten Legislatur Fachsprecher für Staatsmodernisierung der Unionsfraktion. In den Koalitionsverhandlungen leitete Amthor die Arbeitsgruppe „Bürokratierückbau und Staatsmodernisierung“, in der Grundsatzthemen für das neu geschaffene Digitalministerium verhandelt wurden. Als beamteter Staatssekretär wechselt außerdem der erfahrene Verwaltungsdigitalisierer und der aktuelle Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik  Dr. Markus Richter aus dem BMI ins BMDS.

Wildberger hat nun ein eigenes Ministerium – mit klaren Zuständigkeiten und dem nötigen Gestaltungsspielraum. Damit bringt er nicht nur praktisches Know-how, sondern auch institutionelle Rückendeckung mit, um die Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung voranzutreiben. Ob der, sich selbst als “ungeduldig” bezeichnende, diese Kompetenz auch gegen Widerstände, etwa aus anderen Ressorts oder einer beharrlichen Verwaltung, durchsetzen kann, bleibt offen. Die kommenden vier Jahre werden zeigen, ob er auf seine treffenden Analysen auch die richtigen Antworten folgen lässt. Seine Überzeugung, “Man kann extrem viel Veränderung kraftvoll erreichen, ohne besonders laut zu sein”, muss sich nun im politischen Alltag bewähren.

 

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