Von der Kohle zu KI in Nordrhein-Westfalen: Interview mit Mona Neubaur

Credit: ©MWIKE NRW/Nils Leon Brauer
Credit: ©MWIKE NRW/Nils Leon Brauer
Veröffentlicht am 14.11.2025

Über Jahrzehnte haben Fördertürme und riesige Braunkohle-Schaufelradbagger das Landschaftsbild in Nordrhein-Westfalen (NRW) geprägt, oder prägen sie teils noch, wie in Garzweiler, Hambach und Inden/Jülich. Rhein & Ruhr standen stets für Kohle, Stahl und Kumpel. Doch wo früher unter und über Tage gefördert wurde (oder noch wird), muss sich NRW nun zügig wandeln – und hat sich für den Weg von der Kohle zur Künstlichen Intelligenz (KI) entschieden. Offenbar mit Erfolg: Große Hyperscaler wie Microsoft planen bereits Milliardeninvestitionen in NRW.

Der Weg von der Kohle zu KI (öffnet in neuem Tab) scheint demzufolge eine enorme Chance zu sein. Doch die KI benötigt, ebenso wie die frühere Stahlproduktion, große Mengen Energie. Die erfolgreiche Etablierung von KI im großen Stil setzt daher voraus, dass diese benötigte Energie für Unternehmen planbar und bezahlbar bleibt. Ist diese Hürde genommen, kann NRW durchaus Europas Leitregion für nachhaltige KI werden: Mit grüner Energie, starken Hochschulen und einem innovativen Mittelstand bringt NRW ideale Voraussetzungen mit, um Innovationskraft und Klimaschutz zu verbinden.

Wichtig ist dabei: Transformation schafft man nur gemeinsam – die Politik gibt die Richtung vor, die Unternehmen bringen den Mut auf, zu investieren und die Bürger gehen den Weg mit und erkennen darin ihre Chancen. Ist NRW diesbezüglich auf Kurs? Darüber sprechen wir mit Mona Neubaur, der nordrhein-westfälischen Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie:

Frau Ministerin, NRW befindet sich mitten im Strukturwandel vom Kohleland hin zu einem Innovationsstandort für KI. Welche konkreten Pläne verfolgt Ihr Ministerium, um die Infrastruktur für energieintensive Rechenzentren in ehemaligen Kohleregionen aufzubauen?

Der Weg von der Kohle zu KI ist mehr als einfach nur ein Slogan – er ist längst Realität. Nordrhein-Westfalen ist schon heute führender Standort für Künstliche Intelligenz. Ob Unternehmerin, Wissenschaftler oder Gründerin: Sie alle finden ideale Bedingungen in NRW. Besonders im Rheinischen Revier ist die Dynamik spürbar: Hier kreuzen sich zwei bedeutende Datentrassen – optimale Voraussetzungen für leistungsstarke Rechenzentren, die für die digitale Transformation unverzichtbar sind. Microsoft hat das erkannt und mit Milliardeninvestitionen ein starkes Signal gesetzt, das weitere Unternehmen anzieht und neue Arbeitsplätze in der Region schafft.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User torstensimon | Ausschnitt angepasst

Entscheidend ist aber: Digitale Wirtschaft braucht zuverlässigen, sauberen und bezahlbaren Strom. Deshalb setzen wir konsequent auf Erneuerbare Energien. Wir sind bundesweit Spitzenreiter und haben den Ausbau von Wind- und Solarenergie in den vergangenen Jahren verdoppelt. Und wir machen genau so weiter – ambitioniert, akzeptanzgesichert und im Schulterschluss aller politischen Ebenen. Um die auslaufende Stromerzeugung aus der Braunkohle zu ersetzen, brauchen wir außerdem in großem Stil Offshore-Windenergie. Also sorgen wir parallel für leistungsfähige Netze, damit grüner, günstiger Strom direkt bei den Unternehmen und Rechenzentren ankommt. Das stärkt NRW als Industriestandort und schafft echte Wettbewerbsvorteile – darauf sind wir dringend angewiesen, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen.

Die Ansiedlung großer KI-Rechenzentren erfordert enorme Mengen an Energie und Kühlung. Wie will NRW sicherstellen, dass diese neuen Infrastrukturen nachhaltig und klimaneutral betrieben werden – besonders vor dem Hintergrund der eigenen Klimaziele?

Effizienz und Nachhaltigkeit sind für uns keine Option, sondern Voraussetzung. Ab 2027 müssen Rechenzentren in Deutschland ihren Betrieb bilanziell zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien decken. Dafür brauchen wir moderne, leistungsstarke Stromverteilnetze – hier arbeiten wir eng mit den Netzbetreibern in NRW zusammen.

Es geht aber noch mehr! Wir wollen die enorme entstehende Abwärme nutzen: Rechenzentren können ganze Bürogebäude, Fabriken oder Labore in der Umgebung mit Wärme versorgen. Zusammen mit unserer Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate arbeiten wir aktuell an Konzepten, wie sich solche nachhaltigen Wärme-Lösungen wirtschaftlich und ökologisch umsetzen lassen.

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Welche Rolle spielt die wirtschaftliche Transformation für die Menschen vor Ort – insbesondere für ehemalige Beschäftigte im Kohlesektor? Wie wird der Übergang zu KI-getriebenen Arbeitsfeldern aktiv gestaltet?

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier ist eine Jahrhundertaufgabe – wir gestalten die Zukunft einer ganzen Region neu. Und das tun wir zusammen mit den Menschen vor Ort, denn sie wissen am besten, was ihre Heimat stark macht. Mit dem Bürgerrat Rheinisches Reviers schaffen wir ab 2026 ein neues Format direkter Mitgestaltung. Unser gemeinsames Ziel: ein zukunftsfähiges, nachhaltiges und lebenswertes Rheinisches Revier für alle.

Das Rheinische Revier wird zunehmend zu einem Symbol, dass Strukturwandel gelingen kann. Über Jahrzehnte hat der Braunkohleabbau tiefe Spuren hinterlassen – wirtschaftlich, ökologisch und sozial. Die Unsicherheit, was nach dem Ende der Braunkohle kommt, prägt ganze Generationen. Gemeinsam geben wir den Menschen in der Region Sicherheit und Perspektive. Mit Projekten wie den Digitalparks in Bergheim und Grevenbroich oder dem AI Village im Rhein-Erft-Kreis entstehen neue Arbeitsplätze und Zukunftschancen. Mit Förderprogrammen schaffen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Trotz des Rückgangs im Bergbau wächst die Beschäftigung in der Region – das ist doch ein klarer Beleg dafür, dass Strukturwandel funktionieren kann, wenn Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam anpacken.

Internationale Tech-Konzerne investieren massiv in KI-Rechenzentren. Wie will NRW sicherstellen, dass nicht nur die Infrastruktur entsteht, sondern auch Wertschöpfung, Innovation und Datenhoheit im Land bleiben?

Credits: Pixabay/tungnguyen0905

Rechenkapazitäten allein schaffen noch keine Wertschöpfung – entscheidend ist, dass sie klug genutzt werden. In NRW bringen wir Ideen, Fachkräfte und Infrastruktur zusammen. Hier können Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Start-ups digitale Geschäftsmodelle erproben und umsetzen. So entstehen Hightech-Lösungen, die Antworten auf zentrale Fragen unserer Zeit geben – mit Künstlicher Intelligenz, aber auch in den Bereichen Blockchain, Internet der Dinge oder Cloud Computing. Das ist ein optimales Umfeld für neue Wertschöpfungsnetzwerke und zukünftiges Wachstum.

Auch die Frage der Datensouveränität haben wir im Blick. Wir setzen uns entschlossen dafür eine, dass eine von der EU-Kommission ausgeschriebene KI-Gigafabrik im Rheinischen Revier realisiert wird. Das ist der nächste logische Schritt für uns als Technologieregion und trägt dazu bei, die Datenhoheit bei uns zu sichern und sensible Informationen nach strengen europäischen Standards zu schützen. So stärken wir das Vertrauen in NRW als herausragenden Standort für die Zukunft der Künstlichen Intelligenz in Europa.

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