Soziale Mobilität: Ungleichheit ist nicht in Stein gemeißelt

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Veröffentlicht am 28.01.2020

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Von der Förderung sozialer Mobilität profitieren Menschen, Staaten aber auch Unternehmen. Ein neuer Bericht des Weltwirtschaftsforums zeigt, wo es anzusetzen gilt, um Ungleichheiten zu verringern und Lebenschancen zu eröffnen.

Mit einem neuen Bericht zur sozialen Mobilität setzte das Weltwirtschaftsforum (WEF) ein Schwerpunktthema zum diesjährigen Jahrestreffen in Davos. Das Forum und sein Gründer, Klaus Schwab, nahmen damit die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen für 2030 auf. Der Global Social Mobility Report 2020 wirft einen Blick auf die Situation in 82 Staaten der Welt – darunter Deutschland. Die Globalisierung und die vierte industrielle Revolution lieferten eine Menge Vorteile und hätten den Lebensstandard von Millionen Menschen erhöht, schreiben die WEF-Experten. Aber gleichzeitig verschärften sie Ungleichheiten – auch in Ländern mit hohem Wirtschaftswachstum. Vor diesem Hintergrund plädiert Klaus Schwab für mehr Engagement von Regierungen und Unternehmen, um die soziale Mobilität zu steigern und allen Menschen faire Chancen im Leben zu bieten. Der WEF-Report soll Ansatzpunkte liefern, historisch gewachsene Ungleichheiten zu verringern.

In soziale Mobilität zu investieren lohnt sich

Der WEF bewertet die soziale Mobilität in den untersuchten Staaten auf Basis ihres Abschneidens in fünf Bereichen: Gesundheit, Bildung, Technologie, Arbeit sowie soziale Sicherheit und Institutionen. Dänemark schneidet im Index mit 85,2 von 100 Punkten am besten ab. Die Plätze zwei bis fünf belegen dessen nordische Nachbarn Norwegen, Finnland, Schweden und Island. Das bestplatzierte außereuropäische Land ist Kanada auf Platz 14, gefolgt von Japan. Die USA belegen den 27. Platz. Schlusslicht des Index ist die Elfenbeinküste mit 34,5 Punkten. Deutschland ist mit 78,8 Punkten vor Frankreich auf Platz 11 gelandet. Besonders gut schneidet die Bundesrepublik im Vergleich mit den anderen Ländern beim Zugang zu schulischer und universitärer Bildung, bei den Arbeitsmöglichkeiten und der sozialen Sicherung ab. Nachholbedarf gibt es aber bei der Qualität der Bildung und bei der Einkommensverteilung. Gleiches gilt für die Entwicklung von Angeboten zum lebenslangen Lernen – hier haben aber alle Länder noch Hausaufgaben vor sich.

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Nur wenige Länder bieten bisher die richtigen Rahmenbedingungen, um die soziale Mobilität zu verbessern und Einkommensunterschiede zu verringern, unterstreichen die WEF-Autoren. Weltweit identifizieren sie geringe Löhne, eine mangelnde soziale Absicherung und fehlende Angebote für lebenslanges Lernen als die größten Herausforderungen. Sie machen aber auch deutlich, dass es sich gesellschaftlich und wirtschaftlich lohnt, in soziale Mobilität zu investieren. Eine hohe soziale Mobilität stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt und fördere das Wirtschaftswachstum, schreiben die Experten vom WEF.

Ungleichheit ist nicht in Stein gemeißelt

Und sie betonen: die aktuellen Verhältnisse sind nicht in Stein gemeißelt. Der WEF-Report bietet zwar keine maßgeschneiderten Lösungen für jedes einzelne Land – er gibt jedoch Hinweise auf zentrale Hebel zur Verbesserung der Situation. Und dabei spielen Regierungen und Unternehmen eine wichtige Rolle. Eine dieser Hebel ist die Gesundheitspolitik. So steigern eine allgemeine Krankenversicherung und eine gute Gesundheitsversorgung die soziale Mobilität. In Fällen schwerer Krankheit könne eine Versicherung beispielsweise helfen, die Kosten zu schultern, erläutern die Autoren des Berichts. Um möglichst gezielt zu helfen, sollten Kinder sowie Haushalte mit wenig Einkommen bei der Entwicklung von Lösungsansätzen besonders in den Blick genommen werden. Zudem seien Vorsorgeprogramme und Ansätze zur möglichst frühzeitigen Entdeckung gesundheitlicher Probleme wichtig, um schnell zu helfen und schlussendlich auch Kosten zu sparen.

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Foto: Unsplash User Alexander Dummer | Ausschnitt bearbeitet

Als zweiter wichtiger Hebel zur Bekämpfung von Ungleichheit und zur Verbesserung der Lebenschancen eines jeden einzelnen Menschen wird die Bildung hervorgehoben. Mehr in die Bildung vor allem benachteiligter Kinder und Jugendlicher zu investieren, habe einen positiven Effekt auf deren ganzes Leben, schreiben die WEF-Experten. Eine frühe Förderung helfe ihnen, gute Bildungsabschlüsse zu erlangen, einen Beruf zu finden und ein höheres Einkommen zu erzielen. Aber genau wie bei der Gesundheitsversorgung spiele die Qualität der Bildung eine zentrale Rolle. Die Autoren heben zudem Berufsausbildungen, wie es sie in Deutschland gibt, als positives Beispiel hervor, wie jungen Menschen die benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt werden können. Um Arbeitnehmer*innen die Kenntnisse zu vermitteln, die durch die Veränderungen der Arbeitswelt gebraucht werden, plädiert der Bericht dafür, lebenslanges Lernen zu fördern. Hier seien sowohl die Regierungen als auch die Unternehmen aufgerufen, zu handeln. Die Unternehmen sollten gute Weiterbildungsangebote schaffen und dabei von den Regierungen unterstützt werden.

Ähnlich wie bei der Bildung sollte der Fokus bei der sozialen Sicherung in Zukunft darauf liegen, welche Unterstützung Menschen im Laufe ihres Arbeitslebens benötigen, schreiben die WEF-Experten. Gemeint ist, dass viele Formen der sozialen Absicherung heutzutage an bestimmte Formen der Arbeit gekoppelt sind. In Deutschland zum Beispiel an sozialversicherungspflichtige Arbeit. Die Arbeitsverhältnisse ändern sich jedoch: Und so habe der Trend zu anderen Beschäftigungsmodellen dazu geführt, dass viele Menschen nicht mehr in dem Maße abgesichert sind, wie dies bisher der Fall war. Die Rechte von Arbeitnehmer*innen zu erhalten, während die Arbeitswelt sich weiter verändert, sei daher eine zentrale Herausforderung für die Politik. Daneben stehe die Aufgabe, Menschen beim Übergang in ein neues Berufsfeld zu unterstützen, deren Arbeitsplätze durch die Digitalisierung bedroht sind.

Auch Unternehmen habe eine Rolle zu spielen

Als Teil der jeweiligen Gesellschaften haben Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Förderung sozialer Mobilität. Aus Sicht des WEF ist das nicht nur moralisch geboten, sondern auch im wirtschaftlichen Interesse jedes Unternehmens. Firmen, die auf Diversität setzen, profitieren von gut ausgebildeten Arbeitnehmer*innen mit einer höheren Kreativität und verstehen die Bedürfnisse ihrer Kunden besser – weil diese besser durch die eigenen Mitarbeiter*innen repräsentiert werden. Neben dem Engagement für Aus- und Weiterbildung können Unternehmen durch ihre Kultur soziale Mobilität fördern, wenn sie Leistung, Fähigkeiten und Interesse honorieren und jedwede Form der Diskriminierung verhindern. Dies gilt insbesondere bei der Einstellung von neuen Mitarbeiter*innen. Am Ende des Tages seien es aber auch faire Löhne, mit denen die Unternehmen einen Unterschied machen können, unterstreicht der WEF-Bericht. Dazu gehöre auch, die Lücke in der Bezahlung zwischen Männern und Frauen in den gleichen Berufen zu schließen.

Wie sich Unternehmen für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, untersucht seit drei Jahren der Bloomberg Gender-Equality Index (GEI). In diesem Jahr führt der Index 325 Unternehmen aus der ganzen Welt auf, die sich die Förderung von Frauen auf die Fahnen geschrieben haben und ihr Engagement belegen und transparent machen. Telefónica Deutschland ist eines der zehn deutschen Unternehmen im Index. Das Unternehmen hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, den Frauenanteil auf der Führungsebene unterhalb des Vorstands bis Mitte 2022 auf 30 Prozent zu erhöhen. Ende 2018 lag der Anteil bei 21 Prozent und im Vorstand selbst bei 25 Prozent.

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