Mobilfunk einfach erklärt: Was ist National Roaming?

Veröffentlicht am 08.09.2023

Aus Teilen der deutschen Landespolitik kommt gelegentlich die Idee, hierzulande National Roaming einzuführen, um die Mobilfunkabdeckung zu verbessern. Worum es sich dabei genau handelt und warum National Roaming letztlich nicht zielführend ist, erläutern wir in diesem Artikel.

Das „International Roaming“ dürfte den meisten Menschen, die Mobilfunk nutzen, ein Begriff sein: Auf Reisen im Ausland, beispielsweise im Urlaub, wählt sich das Handy nach dem Passieren einer Landesgrenze in eines der vor Ort verfügbaren ausländischen Netze ein. Als Gast im ausländischen Netz erhält man anschließend eine Information per SMS über im Land gültige Notfallnummern und mögliche Gebühren. Der Fachbegriff „Roaming“ bedeutet also, dass das eigene Mobilgerät ein fremdes Funknetz nutzen kann, weil das Netz des eigenen Anbieters, mit dem man einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hat, dort nicht verfügbar ist.

So funktioniert internationales Roaming aus Sicht des Kunden

Foto: iStock / NicoEINino

Das Mobilgerät verbleibt in der Regel beim automatisch ausgewählten ausländischen Anbieter, solange man als Kunde mit seinem Mobilgerät im Gastnetz aktiv keine manuelle Netzwahl anstößt. Grundsätzlich ist beim internationalen Roaming aber der Zugriff auf mehrere Netze möglich – falls der Anbieter in der Heimat mit den Netzanbietern im Gastland entsprechende Verträge geschlossen hat. Die Nutzung von Telefonie und Internet im Gastland ist somit in den meisten Fällen ohne Einschränkungen möglich. Aufgrund möglicher Kosten durch die Nutzung fremder Netze (dies gilt insbesondere außerhalb von Europa) muss Roaming in den Mobilgeräten jedoch aktiv eingeschaltet werden.

Der Roaming-Vorgang selbst funktioniert folgendermaßen: Das Handy wählt sich in das Netz eines ausländischen Betreibers sein und sendet ihm seine IMSIdie International Mobile Subscriber Identity. Die IMSI ist eine Zahlenfolge, die aus Codes für das eigene Heimatland, dem heimischen Mobilfunkbetreiber und der persönlichen SIM-Kartennummer besteht. Das Netz des Gastanbieters schickt daraufhin eine Anfrage an das zentrale Mobilfunkregister (HLR) des heimischen Anbieters, das wiederum alle Vertragsdaten des Kunden kennt. Diese werden für die Dauer des Roamings an das Netz des Gastanbieters im Ausland weitergeleitet, womit das Handy dort eingebucht ist.

National Roaming als Lösung für graue und weiße Versorgungsflecken?

Foto: CC0 1.0, Pixabay User kaboompics| Auschnitt angepasst

Neben dem internationalen Roaming gibt es aber auch lokales und nationales Roaming, das in Deutschland zuletzt vonseiten der Politik als mögliche Option für Gebiete diskutiert wurde, die bisher gar nicht oder nur von einem Anbieter versorgt werden. Beim nationalen Roaming befindet sich ein Mobilgerät im eigenen Land und in seinem Heimatnetz, es könnte aber auch auf andere nationale Mobilfunknetze ausweichen, sofern das eigene Netz nicht verfügbar ist. Demgegenüber bekäme das Mobilgerät beim lokalen Roaming im eigenen Land lediglich Zugriff auf einzelne Mobilfunkanlagen oder ein lokal begrenztes Gebiet (sog. „Cluster“ aus mehreren Mobilfunkanlagen), das vom jeweiligen Anbieter definiert wird.

Disclaimer

Wenn wir in diesem Zusammenhang von National Roaming sprechen, meinen wir Roaming in weißen oder grauen Flecken (eigentlich müsste man sagen, aktives Teilen der aktiven Netzinfrastruktur an Mobilfunkmasten oder passiver Infrastruktur). Wir sprechen nicht von einem National Roaming Vertrag zwischen einem Mobilfunknetzbetreiber und einem Serviceprovider.

Vonseiten der Politik wird National Roaming hin und wieder als Lösungsansatz zum Schließen von Funklöchern oder die Beseitigung von „grauen Flecken“ in der Netzabdeckung gesehen, zuletzt etwa in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Mit letzteren sind Gegenden gemeint, in denen die Bewohner von mindestens einem Mobilfunkanbieter, aber nicht von allen, versorgt werden. Von weißen Flecken spricht man, wenn in einem Gebiet gar kein Mobilfunkanbieter verfügbar ist. Die Befürworter des nationalen oder lokalen Roamings haben im Zuge Ihrer Forderung die positiven Erfahrungen aus dem Auslandsaufenthalt vor Augen. Vom National Roaming versprechen sie sich, dass Mobilfunkkunden automatisch beliebig zwischen allen Inlandsnetzen wechseln können, selbst wenn ihr eigener Anbieter im entspre­chenden Bereich keine eigene Mobilfunkanlage betreibt.

„Active Sharing“ als bessere Lösung

Credits: Henning Koepke/o2 Telefónica

Dieser Wunsch der Politik nach Kooperation zwischen den Netzbetreibern ist verständlich, blendet aber aus, dass eine Zusammenarbeit zur Vermeidung grauer Flecken bereits längst stattfindet – und zwar in Form des „Active Sharing“ bzw. „Access Network Sharing“. Dabei gewähren sich die Anbieter räumlich begrenzt auf einzelne Standorte den Zugang zur Netztechnik des dort bislang allein aktiven Betreibers. In gering besiedelten oder frequentierten Gebieten müssen auf diese Weise keine zweite separate Funktechnik oder zusätzliche Antennen am Mobilfunkmast installiert werden.

Im Vergleich zum National Roaming ergeben sich dabei mehrere Vorteile: Während bei einer bundesweiten vollständigen Netzöffnung für alle Kunden eine millionenfache zusätzliche Netzauslastung denkbar ist, bleibt sie beim Active Sharing in ohnehin kaum besiedelten Gebieten sehr überschaubar. Zudem wäre das Roaming nicht auf eine lokale Differenzierung angelegt und könnte somit zu Qualitätseinbußen der Netze, niedrigere Geschwindigkeiten oder Gesprächsabbrüchen bei ständigen Netzwechseln führen. Demgegenüber zieht das Active Sharing nur einen überschaubaren technischen Aufwand nach sich und beeinflusst nicht die grundsätzliche Entscheidung der Kunden für Tarife und Netze – eben, weil es lokal begrenzt ist.

Darüber hinaus würde National Roaming nicht zu einem fairen Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern beitragen ­– und damit auch nicht den aktiven Ausbau von Mobilfunkstationen in den weißen und grauen Flecken der Bundesrepublik fördern.

Anbieter kooperieren auch auf anderen Wegen

Neben dem „Active Sharing“ in sogenannten grauen Flecken ist auch die Mitnutzung passiver Infrastruktur ein sehr gutes Beispiel für die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den etablierten Mobilfunkanbietern: Nahezu alle neuen Mobilfunkstandorte im ländlichen Raum oder an Verkehrswegen (sogenannte „Greenfield“-Standorte) werden grundsätzlich für die Nutzung durch weitere Anbieter geplant. Dank der Mitnutzung wird die Zahl der Standorte im Gegensatz zu früheren Zeiten deutlich reduziert.

Damit die Anbieter nicht Masten „nebeneinander“ bauen und damit das Landschaftsbild unnötig belasten, sind diese vor mehr als 20 Jahren eine Selbstverpflichtung eingegangen: Die Suche nach einem neuen Standort startet stets mit einer Information an die Gemeinde. Diese hat dann das Recht, innerhalb einer Frist eigene Vorschläge einzureichen – oder auf andere Anbieter hinzuweisen, die ebenfalls Standorte in der jeweiligen Gemeinde errichten wollen. Das spart Zeit, Kosten und unnötige Diskussionen.

Es gibt also durchaus bereits andere Wege, um die Mobilfunkabdeckung zu verbessern, statt auf National Roaming zu setzen, das insgesamt mehr Nach- als Vorteile bietet. Weshalb es übrigens auch  im internationalen Vergleich kaum ein Thema ist.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion