Hessischer Koalitionsvertrag: Eine Milliarde Euro für „Digital-Offensive“

Veröffentlicht am 17.01.2019

Am 23. Dezember haben Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und sein Stellvertreter Tarek al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen) den neuen Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Hessen unterzeichnet. Tags zuvor hatten ein „Kleiner Parteitag“ der CDU einstimmig und die Landesmitgliederversammlung der Grünen mit 91,4 Prozent dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Der Koalitionsvertrag mit dem Titel „Aufbruch im Wandel durch Haltung, Orientierung und Zusammenhalt“ umfasst 196 Seiten. Der am 28. Oktober 2018 neu gewählte hessische Landtag konstituiert sich am 18. Januar.

Die neue und alte Regierungskoalition in Hessen beschäftigt sich in ihrem Koalitionsvertrag intensiv mit dem Thema Digitalisierung. Wie schon in ihren jeweiligen Wahlprogrammen betonen CDU und Grüne die Chancen und Herausforderungen. In der neuen Legislaturperiode will die Regierung eine Milliarde Euro in eine „Digitalisierungs-Offensive“ stecken. Zudem soll die 2016 formulierte „Strategie Digitales Hessen“ weiter umgesetzt und fortentwickelt werden. Ein Vorbild soll dabei auch das Projekt „Digitale Stadt“ Darmstadt sein. Die Digitalisierung wird im Koalitionsvertrag auch im Zusammenhang mit den Themen Bildung, öffentliche Verwaltung, Sicherheit, Gesundheit, Energie und Mobilität thematisiert.

Die Digitalisierung soll aber nicht nur finanzielle sondern auch personell vorangetrieben werden. So wird in der CDU-geführten Staatskanzlei ein neuer Ministerposten für Digitale Strategie und Entwicklung geschaffen. Den neuen Posten wird Kristina Sinemus, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Darmstadt, übernehmen.

Digitalisierung in Hessen

Foto: CC0 1.0, Pixabay User kreatikar | Ausschnitt bearbeitet

Die neue hessische Regierung möchte die Digitalisierungsprozesse mit einem passenden gesetzlichen Rahmen begleiten. So möchte man die Chancen für die Wirtschaft nutzen und gleichzeitig im „Dialog mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern“ die Risiken der Digitalisierung berücksichtigen. Zur „Digitalisierungsunterstützung“ möchte die Koalition bereits etablierte Maßnahmen weiterführen. Dazu gehören der „DigiZuschuss“ für kleinere und mittlere Unternehmen sowie die „DigiGuides“ für das Handwerk und andere Mittel der Digitalisierungsberatung.

Um Hessen bis 2025 „flächendeckend mit gigabitfähigen Infrastrukturen“ zu versorgen, will die neue Regierung die 2018 beschlossene „Gigabitstrategie“ weiterführen. Langfristig soll es ein „möglichst flächendeckendes 5G-Netz“ geben. Zusätzlich plant die Koalition, den mit Mobilfunkanbietern geschlossenen „Mobilfunkpakt“ umzusetzen sowie das Programm „Digitale Dorflinde“ zu verdoppeln und damit 2.000 Hotspots im Bundesland zu errichten. Mit dem an einem EU-Programm angelehnten Projekt „Wifi4Hessen“ soll die Einrichtung öffentlichen WLANs gefördert werden.

Start-ups und junge Unternehmen mit Fokus auf „Künstliche Intelligenz“, „FinTech“ oder „Green IT“ sollen einfacheren Zugang zu Finanzmitteln bekommen. Die neue hessische Regierung will zusätzlich die Weiterbildung im Bereich der Digitalisierung innerhalb von Unternehmen aber auch für Senioren und Seniorinnen fördern.

Um das „exzellente Potential“ von Künstlicher Intelligenz zu nutzen, soll ein „TechCampus“ mit 20 neuen Professuren entstehen. Gleichzeitig soll sich der „Rat für Digitalethik“ mit Fragen zur KI beschäftigen und ein Forschungsinstitut „Verantwortungsbasierte Digitalisierung“ eingerichtet werden.

Digitalisierung und Bildung

Im Koalitionsvertrag betonen CDU und Grüne die Bedeutung von „Digitalisierung in der Bildung und Bildung in der Digitalisierung“. Deshalb bekennt sich die Regierungskoalition auch zur Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“. Mit einem „Hessischen Digitalpakt Schule“ sollen die Themen „Digitalisierung und Medienbildung“ durch Aufbau der benötigten Infrastruktur, die Fortbildung von Lehrkräften und dem Verfassen „pädagogischer Leitlinien“ in die Schulbildung integrieren. Hierfür soll das Programm „Schule@Zukunft“ und die Ausbildung von Schülern zu „digitalen Schülerlotsen“ bzw. „Medien-Scouts“ weitergeführt werden. Finanzielle Mittel zur Umsetzung sollen unter anderem aus einem weiteren Kommunalen Investitionsprogramm (KIP III) kommen. Zusätzlich soll ein neues Konzept der koordinierten Medienbildung „für die Gefahren von Demagogie und Populismus sensibilisier[en]“.

Ein „Hessischer Digitalpakt Hochschule“ soll die Digitalisierung besser in die Hochschullehre und Forschung integrieren. Dabei sollen Lehrangebote verstärkt digitalisiert, neue Studiengänge eingerichtet und „neue digitale Forschungsgebiete“ wie die Digitalmedizin in den Fokus gerückt werden.

Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung

Das Potential der Digitalisierung soll auch in der öffentlichen Verwaltung genutzt werden. Die zukünftige hessische Regierungskoalition will die Effizienz der Administration und die Akzeptanz und Nutzung von IT-Wendung verbessern. Dafür sollen Maßnahmen der 2015 beschlossenen Initiative „Digitale Verwaltung 2020“ (Teil I und Teil II) umgesetzt und verbessert werden. Dienstleistungen und Angebote der Verwaltung sollen digitalisiert werden, um sie „rund um die Uhr online, barrierefrei und auch mobil“ verfügbar zu machen. In diesem Zusammenhang will die neue Regierung sich im Bund für ein gemeinsames Bürgerportal einsetzen und plant Geobasisdaten für Kommunen zugänglich zu machen sowie elektronische Baugenehmigungsverfahren zu ermöglichen.

Zur Umsetzung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Hessen ist im Koalitionsvertrag die Schaffung eines „ressortübergreifende[n] Programms“ vorgesehen, welches mit einem „entsprechenden Digitalisierungsbudget“ ausgestattet werden soll. Die Koalition will außerdem die in Frankfurt sitzende Bund-Länder Behörde „Föderale IT-Kooperation“ (FITKO) weiter unterstützen.

IT-Sicherheit und Datenschutz

Um eine „effiziente Cybersicherheit“ zu ermöglichen, plant die neue Regierung ein „Hessisches IT-Sicherheitsgesetz“. Zudem soll das IT-Zentrum „Hessen3C“ (Hessen Cyber Competence Center) weiterentwickelt und um eine Notfall-Eingreifgruppe, einem „Computer Emergency Response Team“, ergänzt werden. Allgemein soll das Thema Cybersecurity „in einem Ressort federführend“ zusammenlaufen. Außerdem werde man sich für die Etablierung von „smart contracts“ einsetzen.

Bezüglich des Datenschutzes wird im Koalitionsvertrag auf die Neufassung des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz verwiesen. Dieses habe den Datenschutz erheblich verbessert und den Zugang zu Informationen erleichtert. Auch bei der Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte werde man Aspekte der IT-Sicherheit und des Datenschutzes mit einbeziehen.

Digitales in Gesundheit, Energie und Mobilität

Mit dem Ziel die medizinische Versorgung zu verbessern, wollen CDU und Grüne die Förderung von telemedizinischen Angeboten und digitale Anwendungen intensivieren. Dabei solle „aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten“ gedacht und der Datenschutz mitberücksichtigt werden.

Im Zusammenhang mit der „Abkehr von zentral organisierten und fossilen Energieträger“ im Zuge der Energiewende sollen hessische Unternehmen und Forschungseinrichtungen die „intelligente Energiewende“ vorantreiben. Um diese Entwicklung zu unterstützen, sollen „Smart Grids“ – intelligente Netze – auf regionaler und kommunaler Ebene erprobt werden. Außerdem soll das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft IEE in Kassel verstärkt eingebunden werden.

Durch digitale Vernetzung soll ein „vorausschauendes, dynamisches, verkehrsträgerübergreifendes Verkehrsmanagement“ ermöglicht werden. Der Koalitionsvertrag von CDU und Grünen sieht weiter vor, die Elektromobilität vor allem für den ländlichen Raum zu fördern. In diesem Zusammenhang wird E-Carsharing genannt. Zusätzlich soll ein digitales Buchungssystem für Kraftfahrzeuge der Landesverwaltung und den anhängenden Behörden eingeführt werden. Die Ausstattung mit WLAN soll bei zukünftigen Ausschreibungen bei regionalen Bussen und Bahnen berücksichtigt werden. Auf Bundesebene wolle sich die hessische Landesregierung für die rechtliche Rahmensetzung für „autonome Mobilitätsangebote“ einsetzen. Für den „Autonomen Schienenverkehr“ sollen Pilotprojekte und Studien durchgeführt werden.

Weitere Bereiche der Digitalisierung

Der Koalitionsvertrag enthält noch weitere Themenbereiche, welche im Zusammenhang mit der Digitalisierung thematisiert werden. So soll eine „gesonderte Innovationsberatung“ sowie Investitionsförderung und ein Innovationsfonds die Digitalisierung in der Landwirtschaft antreiben. Mit „Landwirtschaft 4.0“ sollen Wirtschaftlichkeit und Effizienz in der Produktion gesteigert und die Umweltbelastung gemindert werden.

Bei der Stadtentwicklung sollen digitale Lösungen vermehrt eingesetzt werden, um Innenentwicklungsflächen der Kommunen zu erfassen. Dies soll dem Grundsatz „Innen- vor Außenentwicklung“ dienen.

Im Zivil-, Straf- und Prozessrecht soll es laut Koalitionsvertrag im Zuge der Digitalisierung auch Anpassungen geben. Dazu plane man Bundesratsinitiativen zu der Unzulässigkeit von „Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten zu Zwecken der Tarifgestaltung in der Krankenversicherung“, Änderungen im Straftatbestand von online geäußerten Beleidigungen und die Einführung eines Straftatbestands des „digitalen Hausfriedensbruchs“.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Christian Krug schreibt als Redakteur zur Digitalpolitik.

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