Digital Kitchen Talk: 5G-Ausbau – „Verantwortung nicht an Netzbetreiber allein abgeben“

Veröffentlicht am 11.05.2021

oben: Joachim Bühler, Carmen Hentschel, Marco Junk; unten: Kristina Sinemus, Valentina Daiber
Am 6. Mai fand im BASECAMP ON AIR, dem digitalen Debattenraum von Telefónica Deutschland, eine weitere Ausgabe des „Kitchen Talk“ statt. Im Rahmen der Veranstaltung diskutierten Valentina Daiber, Vorständin Recht und Corporate Affairs von Telefónica Deutschland, die hessische Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, Prof. Dr. Kristina Sinemus, Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands sowie Marco Junk, Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW). Die Expert:innen debattierten rund um das Thema „5G in Deutschland – Nutzen, Geschäftsmodelle, Sicherheit und Rahmenbedingungen“. Mehr fördern, weniger Bürokratie, hieß es übereinstimmend – und der Ruf nach einem Digitalministerium war Konsens der Debatte.

Zugeschaltet aus dem Bundestag eröffnete zunächst Steffen Bilger, Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (CDU), mit einem kurzen Vortrag. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag von 2018, erinnerte er an das damals gesteckte Ziel, fünf Modellregionen für den 5G-Ausbau in Deutschland einzurichten. „Damals fanden wir das noch innovativ. Mittlerweile sind wir bei 5G jedoch weiter. Wir haben erkannt, dass fünf Modellregionen viel zu wenig wären. Es gibt ein enormes Interesse in allen Regionen in Deutschland, etwas mit 5G zu entwickeln.“ Projekte müssten dabei stets einen konkreten Nutzen für die Menschen vor Ort mit sich bringen, so der CDU-Politiker. An guten Ideen, etwa aus den Bereichen Mobilität, Landwirtschaft und Gesundheit, mangele es nicht, dennoch „müssen wir weiterhin viel tun“, so Steffen Bilger.

Steffen Bilger, Foto: Screenshot aus dem Livestream

„Auch wir Netzbetreiber können den Euro nur einmal ausgeben“

Allein in diesem Jahr investiert Telefónica Deutschland / O2 etwa 1,3 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau des Mobilfunks. Bis 2025, skizzierte Valentina Daiber, Vorständin Recht und Corporate Affairs von Telefónica Deutschland, sollen alle Haushalte mit 5G versorgt sein. Wie wichtig Investitionen in eine zuverlässige Netzinfrastruktur sind, habe die Corona-Pandemie vor Augen geführt. „Wir waren diejenigen, die soziale und wirtschaftliche Kontakte stabil gehalten haben“, erklärte sie.

Für den aktuellen Ausbau von 5G, gab Valentina Daiber zu bedenken, mussten die Netzbetreiber bei der letzten Auktion für die Frequenznutzungsrechte rund 6,5 Milliarden Euro in die Staatskasse einzahlen. „Wenn man die letzten zwanzig Jahre zurückschaut, musste die gesamte Branche etwa 66 Milliarden Euro nur für Nutzungsrechte zahlen. Hätte man das gesamte Geld in die Netzinfrastruktur stecken können, würde heute wahrscheinlich keiner mehr über weiße Flecken oder Gesprächsabbrüche sprechen“, zeigte sie sich überzeugt. „Auch wir Netzbetreiber können den Euro nur einmal ausgeben“, so die Vorständin weiter.

Mit Blick in die Zukunft sei es deshalb wichtig, mit dem neuen Telekommunikationsgesetz den Weg für alternative Frequenzvergaben frei zu machen und sich nicht auf Auktionen als präferiertes Mittel zu konzentrieren. Valentina Daiber hat „erfreut zur Kenntnis genommen, dass sich der Bundesrat für eine Veränderung des Telekommunikationsgesetzes ausgesprochen hat.“ Nun gelte es, die Kräfte zwischen Politik und Wirtschaft zu bündeln, um insgesamt die besten Rahmenbedingungen für den weiteren Infrastrukturausbau zu definieren.

Valentina Daiber

Länder als Beispiel für den Bund

Wie eine engere und bessere Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Ministerien und Netzbetreibern aussehen könnte, skizzierte die hessische Digitalstaatsministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus. Denn, so stellte sie klar, „eine Zielrichtung haben wir alle: dieses Land 5G-ready zu machen.“ Dazu müsse man schnellstmöglich in die Umsetzung gehen, mit weniger bürokratischen Hindernissen als bisher. In Hessen habe man deshalb zum Beispiel das Landesbaurecht geändert, um den Netzausbau schneller und unkomplizierter zu gestalten. Fördern stehe dabei an oberster Stelle. Zudem sprach sie sich explizit für eine Bündelung der Kompetenzen und Projekte in einem Digitalministerium auf Bundeseben aus. Die eigene Erfahrung mit einem solchen Ministerium in Hessen habe gezeigt, „dass Digitalisierung einen ganz anderen Schub bekommen hat.“ Denn eines betonte Kristina Sinemus immer wieder: „Wir haben nicht so viel Zeit, wir müssen umsetzen!“

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Weg vom Sicherheitsfetisch

Zügiges Umsetzen, das forderte ebenfalls Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, VdTÜV. Zwar verlaufe der 5G-Ausbau so schnell wie noch kein Netzausbau zuvor, betonte er, merkte aber auch grobe Fehler in der Ausgestaltung des Ausbaus an. Man müsse aufhören, „den Netzbetreibern bei Auktionen das Geld aus den Taschen zu ziehen“. Gute Beispiele wie in Hessen müssten hingegen ein Vorbild für die bundespolitische Herangehensweise werden. „Da brauchen wir Ministerkonferenzen am laufenden Band, wie man so etwas zusammen organisieren kann“, schlug Joachim Bühler vor. „Die Lösungen liegen auf dem Tisch.“ Mehr staatliche Förderung, weniger Bürokratie – und erneut der Ruf nach einem Digitalministerium, das „ganz oben auf die Agenda“ gehöre. Einige Lösungen könne man dabei aber auch sofort umsetzen. Wichtig sei jedoch, dass Vorhaben zum Netzausbau unbürokratisch unterstützt werden „Sicherheit ist ein wichtiger Punkt, aber das darf nicht zum Fetisch werden. Das sage ich als TÜV!“, betonte Joachim Bühler.

Rein in die Fläche

Dass der Ausbau von 5G nicht nur für Bürger:innen viele Vorteile mit sich bringt, sondern dass er schon jetzt einen entscheidenden Standortvorteil insbesondere für Unternehmen bedeutet, hob Marco Junk, Geschäftsführer des BVDW hervor. Produktionsanlagen seien in Zukunft übers Internet miteinander vernetzt. Es gäbe bereits sehr viele Anwendungen wie Campus-Netze, Smart City oder die Vernetzung in einzelnen medizinischen Sektoren, „aber eben noch nicht in der Fläche“. Die Verantwortung in der Umsetzung „darf dabei aber nicht an die Netzbetreiber allein abgegeben werden“, so Marco Junk. „Hier muss der Staat tätig werden“, forderte er. Eine vernetzte Industrie, die auf einem stabilen 5G-Netz aufbaut, müsse ein Aushängeschild ‚Made in Germany‘ werden. „Es wäre toll, wenn wir es schaffen, aus Deutschland Impulse für diese Technologie zu setzen, wie es mit dem Begriff ‚Industrie 4.0‘ gelungen ist“, so der BVDW-Geschäftsführer. Er stellte aber auch fest, dass dieses Ziel kein Selbstläufer ist. Im Gegenteil zeige der Status Quo vielmehr, dass „ohne Koordinierung, ohne ausreichend politischen Willen die Dinge so sind, wie wir sie heute vorfinden“. Und daran müsse sich schnell etwas ändern, forderte Marco Junk. „Das beste Argument für ein Digitalministerium ist der Zustand, in dem sich Deutschland befindet.“

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