Constanze Osei-Becker (BITKOM) zur Digitalen Agenda

Veröffentlicht am 30.10.2014

In Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst haben wir vor kurzem auf UdL Digital eine neue Reihe zur Digitalen Agenda gestartet. Ziel ist es, die verschiedenen Positionen, Meinungen und Thesen zu den Inhalten der am 20. August im Bundeskabinett beschlossenen Digitalen Agenda transparent zu machen und die offene Diskussion zu ermöglichen.

Nach den Vertretern der Parteien kommt nun die Zivilgesellschaft zu Wort. Heute mit Constanze Osei-Becker, Bereichsleiterin Wirtschafts- und Innovationspolitik beim BITKOM, die die Digitale Agenda aus der Sicht des großen Branchenverbandes kommentiert.

Welcher der sieben Maßnahmenbereiche der Digitalen Agenda ist aus Ihrer Sicht der wichtigste?
Digitale Infrastrukturen, Vertrauen und Sicherheit sowie die Entwicklung einer Digitalen Wirtschaft mit ihren Säulen Start-ups und Industrie 4.0.

Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten in der Umsetzung der Digitalen Agenda?
Ganz klar im Haushalt. Die erfolgreiche Umsetzung der Digitalen Agenda gibt es nicht zum Nulltarif. Nur ein Beispiel: der Haushaltsentwurf für 2015 für das Bundeswirtschaftsministerium sieht derzeit Ausgaben von rund sieben Milliarden Euro vor, für den Titel Informations- und Kommunikationstechnologien sind aber gerade einmal 73 Millionen Euro vorgesehen. Das Top Thema Digitalisierung muss sich auch im Haushalt 2015 widerspiegeln.

Woran messen Sie den Erfolg der gesamten Digitalen Agenda? An den Ergebnissen bis 2017. Welche Maßnahme fehlt Ihnen in der Digitalen Agenda?
Die Digitale Agenda hat es versäumt, ein klares Bekenntnis zu Deutschland als Standort für Rechenzentren abzugeben. Dabei sind Rechenzentren die Herzkammern der Digitalen Wirtschaft, stehen aber wegen der hohen Energiepreise in Deutschland unter starkem Druck. In den Niederlanden wächst der Markt drei Mal so schnell.

Was ist aus Ihrer Sicht das Ziel der Digitalen Agenda?
Das Ziel der Bundesregierung war es, Leitlinien ihrer Digitalpolitik zu formulieren. Aber ambitionierte Ziele zu formulieren, reicht nicht aus. Jetzt muss es darum gehen, aus der Agenda einen Masterplan mit klaren Prioritäten, einem Fahrplan und Budget zu machen.

Inwiefern war die Vorlage einer Digitalen Agenda durch die Bundesregierung ein notwendiger Schritt für die Digitalwirtschaft?
Die Digitale Agenda ist ein Meilenstein in der Digitalpolitik Deutschlands. Sie beleuchtet die enormen Chancen der Digitalisierung für unsere Wirtschaft und unsere gesamte Gesellschaft. Um zu einem echten Masterplan zu werden, muss die Digitale Agenda im zweiten Schritt mit sehr konkreten Maßnahmen, Mitteln und einem Zeitplan für die Umsetzung hinterlegt werden.

Welche Auswirkungen erwarten Sie für die traditionelle Industrie?
Traditionelle Industrien und Wertschöpfungsketten werden durch digitale Technologien grundlegend verändert – sei es im produzierenden Gewerbe, im Handel, in der Logistik oder in der Gesundheits- und Finanzwirtschaft. Unternehmen müssen auf die weitreichenden Entwicklungen einer digitalisierten Welt reagieren, wenn sie den Anschluss an die internationalen Wettbewerber und neue Kundenbedürfnisse nicht verpassen wollen.

Wurden Sie an der Ausarbeitung der Digitalen Agenda beteiligt?
BITKOM hat im März 2014 eine eigene IT-Strategie vorgelegt und die Vorschläge der Wirtschaft für die Digitale Agenda dort gebündelt. Wir haben über 90 konkrete Empfehlungen erarbeitet, die aus unserer Sicht notwendig sind, um Deutschland zum Digitalen Wachstumsland Nr. 1 in Europa zu machen und die Chancen neuer Technologien wie beispielsweise Cloud oder Big Data optimal zu nutzen. Die Umsetzung der Digitalen Agenda der Bundesregierung muss nun gemeinsam mit der Wirtschaft und weiteren Partnern erfolgen.

Welche Maßnahmen der Digitalen Agenda sind Ihrer Meinung nach zu unkonkret formuliert?
Es gibt viele Absichtserklärungen, aber kaum konkrete Maßnahmen in der Agenda.

Welche wichtigen Aspekte der Digitalwirtschaft sind zu kurz gekommen?
Mangels Zuständigkeit des Bundes klafft in der Digitalen Agenda an der vielleicht wichtigsten Stelle eine Lücke: in der Bildungspolitik. Die Länder sind aufgefordert, diesen bedeutenden Teil der Digitalen Agenda in einer gemeinsamen Aktion schnellstmöglich zu ergänzen. Auch der Bereich Start-up Förderung bleibt vage. Die Digitale Agenda hat verpasst, einen der wichtigsten Hebel zu forcieren, nämlich die Deregulierung der Rahmenbedingungen im Hinblick auf institutionelle Anleger. Hier sollte die Bundesregierung unbedingt nachsteuern.

Alle Interviews zur Digitalen Agenda im Überblick gibt es hier.

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