Big Data: Wo die Software-Firma Palantir bereits überall mitmischt

Foto: Pixabay User TheDigitalArtist | Palantir | Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 12.04.2023

Im Bereich der Analyse großer Datenmengen macht seit einiger Zeit das US-Unternehmen Palantir von sich reden – besonders im Sicherheitssektor. Auch in deutschen Behörden kommt Software von Palantir zum Einsatz, was allerdings umstritten ist. Doch das börsennotierte Unternehmen ist darüber hinaus in vielen weiteren Bereichen präsent und erweitert beständig seine Anwendungsfelder.

In Deutschland sorgte Palantir erst vor kurzem für Schlagzeilen, als das Bundesverfassungsgericht die bisherige Nutzung  einer Datenanalyse-Software bei der Polizei in Hessen und Hamburg für verfassungswidrig erklärte. Die Begründung: Die Einbeziehung personenbezogener Daten speziell von Unbeteiligten verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Grundsätzlich sei eine verfassungskonforme automatisierte Datenanalyse unter einschränkenden Voraussetzungen aber möglich, so das Gericht.

Software für kritische Sektoren

Letzteres hören Big Data-Unternehmen sicherlich gern, zumal die Automatisierung der Arbeit im Sicherheitsbereich hierzulande gerade erst in den Anfängen steckt. Speziell Palantir hat sich in diesem Bereich einen mitunter mysteriösen Ruf erarbeitet und galt vor wenigen Jahren als „Superstar der US-Überwachungsindustrie“: Das Unternehmen wurde 2004 von Alex Karp und dem Trump-Unterstützer Peter Thiel im Silicon Valley gegründet und erhielt durch den US-Auslandsgeheimdienst CIA finanzielle Unterstützung. Seitdem entwickelt es für Regierungsbehörden und andere Kunden Software und Plattformen, die dabei helfen sollen, große Datenmengen auszuwerten und darauf basierende Entscheidungen zu treffen.

Das Softwareangebot von Palantir beinhaltet speziell Tools für kritischen Sektoren, in denen es etwa darum geht, Kriminalität zu bekämpfen oder Terroristen ausfindig zu machen. Den allgemeinen Ansatz des Unternehmens beschrieb Jan Hiesserich, Strategiechef Europa von Palantir, in einem YouTube-Gespräch als einen Dreiklang aus Datenintegration, Datenanalyse und Operationalisierung. Damit soll es möglich sein, komplexe Probleme zu lösen, etwa die Vorhersage und Prävention von Straftaten mittels Algorithmen, KI und Statistik. Die genaue Funktionsweise der Software ist allerdings nicht öffentlich bekannt, was mit Blick auf konkurrierende Big Data-Unternehmen verständlich ist.

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Nutzung auch in Deutschland

Dass Palantir mit seinem Ansatz im Sicherheitssektor offensichtlich recht erfolgreich ist, zeigt sich unter anderem an der Liste seiner Kunden, die z.B. Geheimdienste wie die CIA, die NSA und das FBI oder verschiedene Polizeibehörden weltweit umfasst. Auch in Deutschland arbeitet die Polizei in Hessen und Nordrhein-Westfalen mit entsprechender Software – konkret mit dem Programm „Gotham“, dass in der Lage sein soll, große Datenbestände zu katalogisieren und Zusammenhänge zwischen einzelnen Informationen herzustellen, z.B. um potenzielle Gefährder:innen und ihre Verbindungen zu ermitteln.

Die für die hessische Polizei angepasste Version „Hessendata“ kann etwa für Ermittlungen im Zuge von staatsgefährdenden Gewalttaten eingesetzt werden. Dabei greift die Software laut einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2018 auf „drei Polizeidatenbanken für Kriminalfälle und Fahndungen, Verbindungsdaten aus der Telefonüberwachung, Daten aus ausgelesenen Handys Verdächtiger und Fernschreiben sowie auf Daten aus sozialen Medien zu“.

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Zudem hat der Freistaat Bayern vor kurzem einen Rahmenvertrag mit Palantir geschlossen, der es allen anderen Landespolizeien erlaubt, ein weiteres angepasstes Programm mit dem Namen „Verfahrensübergreifendes Recherche- und Analysesystem“ (Vera) ohne zusätzliche Vergabeverfahren zu nutzen. Im Gegensatz zu „Hessendata“, dessen Einsatz der Gesetzgeber aufgrund der erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun bis Ende September neu regeln muss, scheint es bei Vera laut einem Gutachten des Fraunhofer Instituts erstmal keine datenschutzrechtlichen Bedenken zu geben.

Militär, Einwanderung und Gesundheit als weitere Anwendungsfelder  

Palantir mischt darüber hinaus ebenso im militärischen Bereich mit, wenn auch nicht in Deutschland. So entwickelt das Unternehmen etwa im Auftrag des Pentagons eine KI, die Drohnenangriffe effektiver machen soll. Und im Krieg in der Ukraine kommt die Software „Metaconstellation“ zum Einsatz, die  Satellitenbilder, Informationen von Wärmesensoren und weitere Daten sammelt, um damit Truppenbewegungen in Echtzeit zu verfolgen, Schlachtfeldkarten mithilfe von KI zu modellieren und die ukrainischen Truppen bei der militärischen Zielerkennung zu unterstützen. Laut Palantir-Geschäftsführer Alex Karp sei die Software auf diese Weise „für den Großteil des Targetings in der Ukraine verantwortlich“.

Die Einsatzmöglichkeiten der Programme von Palantir gehen aber auch über den Sicherheitsbereich hinaus. Weitere Regierungsbehörden, speziell in den USA, arbeiten mit dem Unternehmen zusammen, z.B. die Einwanderungs- und Zollbehörde ICE bei der Identifizierung und Ausweisen illegaler Immigranten oder das US-Außenministerium beim Gesundheitsmonitoring seines diplomatischen Korps durch die Softwareplattform Axiom. Und in der Corona-Pandemie hat Palantir seine Software „Foundry“ mehreren Ländern kostenlos angeboten, um Informationen über Betten, Patienten, Beatmungsgeräte und medizinische Versorgung zusammenzuführen und frühzeitig Trends sowie mögliche Engpässe zu analysieren. Eine Zusammenarbeit kam aber letztlich mit den Gesundheitsbehörden in Großbritannien und den USA zustande.

Foto: iStock / ipopba

Kooperationen mit privaten Unternehmen

Da die Analyse großer Datenmengen aber nicht nur für Regierungen und ihre Behörden von Relevanz ist und Palantir offenbar möglichst viele Branchen abdecken möchte, hat es mittlerweile auch viele private Unternehmen als Kunden. So arbeiten etwa Google und Microsoft im Cloud-Bereich mit Palantir zusammen. Auch Airbus nutzt hinsichtlich seiner Lieferkette für Flugzeugteile entsprechende Software, ebenso wie Fiat Chrysler und ca. 150 weitere Unternehmen, wobei es vornehmlich um die Visualisierung großer Datenmengen und die Steigerung der Effizienz gehen soll.

Bereits seit fast 15 Jahren kooperiert zudem die größte Bank der USA, JP Morgan Chase, mit Palantir, was 2018 allerdings zu negativen Schlagzeilen führte, weil dort ein Überwachungstool für Mitarbeiter:innen im Finanzsektor getestet wurde. Ganz aktuell wurde eine Kooperation mit dem Beratungsunternehmen FCG angekündigt, das Dienstleistungen in den Bereichen Governance, Risiko und Compliance anbietet und vor allem in Nordeuropa tätig ist.

Angesichts der weiter voranschreitenden Digitalisierung und dem wachsenden Bedarf nach Big Data-Analysen scheinen einem Unternehmen wie Palantir kaum Grenzen hinsichtlich möglicher Einsatzorte gesetzt zu sein – faktisch überall, wo sehr viele Daten anfallen und Entscheidungen getroffen werden müssen, ist entsprechende Software denkbar. Damit sollte aber auch eine adäquate gesetzliche Regulierung einhergehen, was an der Nutzung und Analyse von Daten gesellschaftlich gewünscht und sinnvoll ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland mag da ein erster Schritt sein. Erfahrungsgemäß dürfte sich das bereits jetzt breite Spektrum an Branchen und Einsatzmöglichkeiten von Big Data-Anwendungen aber sicherlich noch erweitern.

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