Das Netz der Zukunft: Deutschlands Weg vom Kupfer zur Glasfaser
Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung hat ein Eckpunktpapier für den Übergang vom Kupfer- zum Glasfasernetz (öffnet in neuem Tab) vorgelegt. Der Spagat zwischen „Never change a running system” und dem Druck, endlich auf zukunftsfähige Netze umzusteigen, wird zur politischen Gretchenfrage: Wann erzwingt man die Abschaltung des Kupfernetzes – und wie überzeugt man die Verbraucher, freiwillig zu wechseln?
Die Umstellung von Kupfer- auf Glasfaserinfrastrukturen (öffnet in neuem Tab) ist eines der größten Infrastrukturprojekte der kommenden Jahre. Noch nutzen in Deutschland über 23 Millionen Haushalte (öffnet in neuem Tab) eine Kupfer-Telefonleitung, auch bekannt als Digital Subscriber Line (DSL bzw. VDSL) für Telefonie und Internet. Dieses Netz gehört der Telekom, wird aber auch von zahlreichen anderen Anbietern wie z.B. Telefónica genutzt. Kommerzielle Zugangsnachfrager kaufen den sogenannten Wholesalezugang zum Netz der Telekom ein, um anschließend selbst DSL-Anschlüsse für ihre Kunden bereitstellen zu können. Doch die massenhafte Nutzung des Kupfernetzes soll sich in der Zukunft ändern: Erst im September 2025 veröffentlichte das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) ein Eckpunktepapier (öffnet in neuem Tab), das als Blaupause für einen geordneten Übergang vom Kupfer- zum Glasfasernetz dienen soll.
Das Papier knüpft an das Impulspapier (öffnet in neuem Tab) der Bundesnetzagentur vom April 2025 an und will weitere Handlungsfelder identifizieren. Im Kern geht es darum, Planungs- und Investitionssicherheit für ausbauende Unternehmen zu schaffen, einen funktionsfähigen Wettbewerb zu erhalten und den Migrationsprozess für alle Beteiligten transparent zu gestalten. Laut Schätzungen (öffnet in neuem Tab) des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) ist unter den derzeitigen Rahmenbedingungen frühestens ab 2028 mit dem Beginn und erst im Zeitraum 2035 bis 2040 mit einer vollständigen Abschaltung des Kupfernetzes zu rechnen.
Dass die Nutzung von Glasfaser eine individuelle Entscheidung der Bürger und Bürgerinnen sei, betont Karsten Wildberger (öffnet in neuem Tab) (CDU): „Daher ist es wichtig, sie von den Vorteilen zu überzeugen und Glasfaser zu attraktiven Preisen anzubieten.“ Das Ziel: doppelte Kosten für den parallelen Betrieb alter und neuer Netze im Interesse der Verbraucher und zu Gunsten er Nachhaltigkeit zu vermeiden.
Der politisch sensible Abschied vom Kupfernetz

Der Handlungsdruck ist enorm. Die Glasfaserausbauquote (öffnet in neuem Tab) in Deutschland ist bis Ende Juni 2025 auf 52,8 Prozent gestiegen – das entspricht 24,3 Millionen Anschlüssen. Gleichzeitig liegt die tatsächliche Take-up-Rate, also der Anteil der gebuchten Glasfaseranschlüsse, bei nur 27 Prozent. Ein internationaler Vergleich zeigt: In vielen anderen EU-Ländern ist der Glasfaserausbau deutlich weiter fortgeschritten und die Kupfernetzabschaltung (öffnet in neuem Tab) teils so weit, dass sie bis 2030 abgeschlossen sein soll. Die EU-Kommission hatte in ihrem Whitepaper 2024 (öffnet in neuem Tab) sogar vorgeschlagen, bis 2028 zunächst 80 Prozent und bis 2030 alle Kupferanschlüsse europaweit abzuschalten – ein Zeitplan, der für Deutschland als unrealistisch gilt.
Ein nicht zu vernachlässigender Punkt: Glasfasernetze sind energieeffizienter als kupferbasierte Netze. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sprechen daher viele Gründe für einen frühzeitig angestoßenen Übergang. Das Eckpunktepapier betont zu Recht, was Unternehmen schon lange wie ein Mantra vor sich her tragen (müssen): Eine leistungsfähige und flächendeckend verfügbare digitale Infrastruktur ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Das BMDS-Eckpunktepapier: Der Plan für eine geordnete Migration
Wirft man einen Blick in das 30-seitige Dokument (öffnet in neuem Tab) des BMDS, werden schnell grundsätzliche Leitlinien klar: Zum einen sollen die Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden, dass eine gesamtwirtschaftlich sinnvolle, frühzeitige und effiziente Migration unterstützt wird. Zum anderen sollen Angebotsvielfalt und die ununterbrochene Versorgung für die Verbraucher zu angemessenen Preisen sichergestellt werden. Effizienter Wettbewerb und eine Angebotsvielfalt für Verbraucher an jedem Anschluss soll also auch in der Glasfaserwelt gewährleistet sein.
Ein zentrales Element in der regulatorischen Debatte: Die diskriminierungsfreie Abschaltung von Kupfernetzen – auch in Gebieten, in denen nicht die Telekom, sondern einer ihrer Wettbewerber Glasfaser ausgebaut hat. Bisher liegt das Initiativrecht für die Abschaltung allein bei der Telekom als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht. Die Befürchtung (öffnet in neuem Tab) der Wettbewerber: Die Telekom könnte ihr Kupfernetz vornehmlich dort abschalten, wo sie selbst Glasfaser ausgebaut hat, während das DSL-Netz in von Wettbewerbern ausgebauten Gebieten weiterbetrieben wird. Dem gegenüber steht unter anderem das Argument, dass nur die Telekom mit ihrem Kupfernetz ein bundesweites Netz betreibt, und damit Zugangsnachfragern im ganzen Land Anschlüsse für deren Kunden bereitstellen kann.
Das Ministerium prüft vor dem Hintergeund dieser Diskussion derzeit einen regelgebundenen Abschaltmechanismus (öffnet in neuem Tab), bei dem die Abschaltung nicht nur auf Initiative der Telekom, sondern auch durch Dritte oder die Bundesnetzagentur selbst erfolgen könnte. Zudem soll die Telekom verpflichtet werden, einen umfassenden Migrationsplan vorzulegen.
Was sagen die Verbände?
Die Reaktionen der Verbände aus der Branche fallen weitgehend positiv aus. Der Verband kommunaler Unternehmen (öffnet in neuem Tab) (VKU) begrüßt die Eckpunkte etwa als „wichtigen Schritt hin zu einer flächendeckenden Versorgung Deutschlands mit Glasfaserinternet“. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing betont: „Ein fairer und zeitnaher Wechsel zum zukunftssicheren Glasfaserinternet ist möglich.“ Besonders positiv sieht der VKU die Möglichkeit einer gebietsweisen Abschaltung des Kupfernetzes auch dort, wo Wettbewerber bereits Glasfaser ausgebaut haben.

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (öffnet in neuem Tab) (VATM) sieht in dem Papier „die entscheidende Chance für mehr Wettbewerb, Transparenz und Planungssicherheit im deutschen Glasfasermarkt”. VATM-Geschäftsführer (öffnet in neuem Tab) Dr. Frederic Ufer mahnt jedoch: „Die BNetzA muss gestalten, nicht nur moderieren.” Über 60 Prozent der am Netz befindlichen Glasfaseranschlüsse seien basierend auf dem Wholesalezugang zum Kupfernetz der Telekom von Wettbewerbern errichtet worden – ein alleiniges Initiativrecht der Telekom für die Abschaltung greife daher zu kurz.
Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (öffnet in neuem Tab) (BREKO) fordert seit langem einen verbindlichen Fahrplan für einen wettbewerbs- und verbraucherfreundlichen Übergang. Die Forderung: Die im BREKO organisierten mehr als 250 Netzbetreiber, die bereits für knapp 60 Prozent des Glasfaserausbaus verantwortlich sind, benötigten verlässliche, langfristig orientierte Rahmenbedingungen.
Zurückhaltender äußert sich die Telekom (öffnet in neuem Tab) selbst: Es gebe keinen DSL-Abschalttermin, „weder regional noch bundesweit“. Der Kunde habe die Wahl – niemand wolle ihn zu etwas zwingen. Die Telekom investiere weiter Milliarden in Glasfaser und wolle Kunden vom „hervorragenden Produkt Glasfaser“ überzeugen.
Wann kommt die Transition?
Die freiwillige Migration ist nach Einschätzung des BMDS die entscheidende Phase. Sie hat überall dort bereits begonnen, wo Endkunden auf einen Glasfaseranschluss gewechselt sind. Je stärker die Kupfernetze „leergeräumt“ (öffnet in neuem Tab) werden, desto weniger lohnt sich ihr Weiterbetrieb – und desto wahrscheinlicher wird eine Abschaltung aus betriebswirtschaftlichen Gründen.
Das Ministerium erwägt zudem eine Drei-Jahres-Regel: Die Abschaltung eines Gebiets soll nicht später als drei Jahre nach der dort flächendeckenden Verfügbarkeit von Glasfasernetzen erfolgen, sofern die wettbewerblichen Voraussetzungen gegeben sind.
Begleitet wird der Prozess durch eine seit September 2025 laufende Informationskampagne (öffnet in neuem Tab)des BMDS, die Bürgerinnen und Bürgern den Mehrwert von Glasfaseranschlüssen näherbringen soll. Auch der Einsatz von Gutscheinen (Vouchern) zur Steigerung der Nachfrage wird diskutiert.
Am 28. Oktober 2025 hat Bundesminister Wildberger einen großen Stakeholderdialog (öffnet in neuem Tab) zum Ausbau digitaler Infrastrukturen gestartet. Bund, Länder, Kommunen und Wirtschaft verhandeln nun über ein Memorandum of Understanding, das konkret messbare Ziele für den Infrastrukturausbau festlegen soll. Die Ergebnisse werden für das erste Quartal 2026 erwartet.
Die Kupfer-Glas-Migration bleibt ein Mammutprojekt mit weitreichenden Konsequenzen für Netzbetreiber, Regulierung und Verbraucher. Inwiefern daraus ein rechtssicherer, planbarer und fairer Migrationsprozess entsteht, hängt maßgeblich davon ab, wie gut die verschiedenen Interessen in diesem Dialog austariert werden.
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