Interviewserie: Digitalpolitik back at work Jeanne Dillschneider (Grüne)

Credit: Stefan Kaminski
Credit: Stefan Kaminski
Veröffentlicht am 26.09.2025

Die EU setzt den Rahmen für Digitalisierung, Datenschutz und Cybersicherheit in Deutschland. Europäische Vorhaben wie der Data Act, NIS-2 oder eine mögliche Chatkontrolle bestimmen, beeinflussen oder begrenzen viele zentrale nationale Digitalprojekte. Ob Verwaltung und Politik am Ende aber tatsächlich über genug Ressourcen, Strukturen und den notwendigen Umsetzungswillen verfügen, ist eine andere Frage. Dass der aktuelle Haushalt erstmals einen eigenen Posten für das Digitalministerium vorsieht, kann daher zwar neuen Schwung verleihen – die praktische Umsetzung europäischer und nationaler Digitalvorhaben bleibt aber eine anspruchsvolle Aufgabe.

Mit dem Ende der Sommerpause stellt sich auch die Frage nach den Prioritäten in der Digitalpolitik verstärkt. Im Spannungsfeld zwischen europäischer Regulierung und nationaler Umsetzung agiert Jeanne Dillschneider (öffnet in neuem Tab), digitalpolitische Sprecherin der Grünen und Obfrau im Bundestagsausschuss „Digitales und Staatsmodernisierung“. Im letzten Teil unserer Interviewreihe „Digitalpolitik back at work“ erläutert die Rechtsanwältin, welchen Handlungsdruck Haushalt, Ministeriumsaufbau und europäische Vorgaben erzeugen, wie digitale Bürgerrechte, Sicherheit und effiziente Verwaltung zusammengedacht werden sollten und welche praktischen Schritte für die kommenden Monate aus ihrer Sicht gesetzt werden müssen:

Was steht nach der Sommerpause ganz oben auf Ihrer digitalpolitischen Agenda?

Foto: istock / ArtemisDiana

Unmittelbar in den nächsten Wochen geht es um das Thema digitale Bürgerrechte und sichere Verschlüsselung, für die ich mich weiter einsetze. Denn am 14. Oktober wird im EU-Rat über die Chatkontrolle abgestimmt. Auf dem Spiel steht, dass unsere privaten Chats künftig ungeschützt sind und von Hackern, Unternehmen und staatlichen Stellen mitgelesen werden können. Bei der Abstimmung kommt es auf Deutschland an, weil nur so eine Sperrminorität steht.

Auch bei der NIS-2-Richtlinie werde ich mich weiter konsequent einbringen. Hier braucht es das parlamentarische Verfahren, um den Gesetzesentwurf der Bundesregierung nachzubessern. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass sich Unternehmen und sogar einige CDU-Kollegen und Kolleginnen einig sind, dass dringend Nachholbedarf besteht.

Welche Erwartungen haben Sie an das BMDS nach der Sommerpause?

Seit Kurzem ist der Data Act offiziell in Kraft. Damit dieser seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es eine rechtssichere Umsetzung und eindeutige Ansprechpartner, transparente Vorgaben und Unterstützung für KMUs. Der Data Act ist eine riesige Chance. Doch das neue Digitalministerium hat die Frist für das nationale Umsetzungsgesetz verstreichen lassen. Und das, obwohl ein Entwurf seit Februar ungenutzt in der Schublade liegt. Ich werde hier genau hinschauen. Vor allem, ob die Bundesregierung Datenschutz und Datennutzung wirklich zusammendenkt – oder ob sie nur darüber spricht und dabei den Datenschutz zu Lasten unserer Grundrechte schwächt.

Tipp der Redaktion:

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Welche langfristigen Projekte / Debatten müssen jetzt angestoßen werden, um Deutschland zukunftsfähig zu machen?

Credit: iStock/peshkov

Wir müssen als Gesellschaft verstehen, dass kritische Infrastruktur Teil unserer öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Genauso wie Wasser, Strom oder Gesundheitsversorgung. Für mich ist Cybersicherheit kein Nice-to-have, sondern muss von Anfang an mitgedacht und in allen Bereichen gestärkt werden. Vor allem unsere Kommunen und KMUs müssen das Rüstzeug in die Hand bekommen. Wir brauchen klare Meldepflichten, ein Live-Lagebild für Cyber-Angriffe und eine bessere Unterstützung der Kommunen und Länder durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Welche Bedeutung hat eine gute Digitalpolitik für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat?

Gute Digitalpolitik zeigt, ob der Staat die Lebensrealität der Menschen ernst nimmt. Wenn digitale Angebote immer wieder zu Frustration führen, entsteht Entfremdung – nicht nur zur Verwaltung, sondern schlimmstenfalls zur Demokratie. Nur wer Sicherheit und Bürgernähe auch digital zusammenbringt, kann Vertrauen stärken. Und das ganz konkret im Alltag.

Woran wird sich der Bundesdigitalminister am Ende der Legislatur messen lassen müssen?

Nachdem der Minister mit vielen Buzzwords ins Amt gestartet ist, erwarte ich, dass er diese mit Leben füllt. Es braucht ein durchsetzungsstarkes Ministerium mit Rückendeckung des Kanzleramtes. Sein Erfolg misst sich auch daran, wie sehr die Bürgerinnen und Bürger den digitalen Wandel im Alltag spüren und davon profitieren. Denn zum Schluss muss Technologie den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

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