11. Deutsches Wirtschaftsforum: Digitalisierung muss nun angepackt werden

Foto: Telefónica/Fiene Oswald
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Veröffentlicht am 04.11.2019

Foto: Telefónica/Fiene Oswald
Die Frankfurter Paulskirche ist ein Ort großer und wichtiger Entscheidungen und Veränderungen. Jahrzehntelang evangelische Hauptkirche von Frankfurt/Main, aber auch der Tagungsort von 1848 bis 1849 der Delegierten der Frankfurter Nationalversammlung, der ersten Volksvertretung für ganz Deutschland. Auch heute ist die Paulskirche ein besonderer Ort der Debatte über die großen Themen der Zeit. Hierher hat die „Zeit“ zu ihrem 11. Deutschen Wirtschaftsforum eingeladen. Zentrale Frage ist die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in der globalisierten Welt und der Umbruch durch die Digitalisierung.

Zeit-Geschäftsführer Dr. Rainer Esser schlägt in seiner Eröffnung den Bogen von sinistren Kräften, die nicht weltoffen, liberal und modern sind, über den zunehmenden Mangel von Respekt im Netz bis hin zur wachsenden EU-Skepsis. Dabei bleibe Deutschland nur als Mitglied in der Europäischen Union international handlungsfähig. Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hält ein leidenschaftliches Plädoyer für ein gemeinsames Europa. Die gemeinsamen Werte machen Europa stark und international wettbewerbsfähig; sie müssen gelebt werden.

Europäische Werte nach außen tragen

Hier stellt die Datenschutzgrundverordnung einen Vorteil dar, erklärt Valentina Daiber von Telefónica Deutschland, und zwar auf zwei Ebenen. Der Datenschutz ist zum einen wichtig, damit alle Menschen die Digitalisierung positiv erleben. Zum anderen manifestieren sich in der DSGVO unsere Werte in Europa. So grenzt sich Europa deutlich von anderen Märkten mit anderen Werten und einen anderen Umgang mit persönlichen Daten ab. Unsere Europäische Werte sind es, die für Menschen weltweit Europa attraktiv machen.

Das 11. Deutsche Wirtschaftsforum in der geschichtsträchtigen Paulskirche | Foto: Telefónica/Fiene Oswald

Deswegen ist eine couragiertere Investitionskultur in Europa notwendig, sagt Johannes Reck, Gründer und CEO von GetYourGuide. „Wir können unser kulturell geprägtes Miteinander nicht weiterführen, wenn wir nur ausländische Gelder für Start-ups nutzen.“ Er fordert mehr Mut beim Risikokapital.

Susanna Schneeberger, Mitglied des Vorstands und Chief Digital Officer der Frankfurter Kion Group, berichtet aus ihrem Heimatland Schweden. Dort gibt es mit der Geburt eine Identifikationsnummer, die lebenslang gültig ist. Darüber können – im Vergleich zu Deutschland – ziemlich viele Daten zum Beispiel von Nachbarn abgefragt werden. Diese Offenheit gehört zur schwedischen Gesellschaft dazu. Trotzdem ist der Datenschutz auch in Skandinavien ein großes Thema. Hohe Ansprüche an Datenschutz sind keine Bremse bei der Digitalisierung.

Der vertrauensvolle Umgang mit Daten ist wichtig, denn für erfolgreiche KI-Anwendungen braucht die Industrie möglichst viele Daten. „Wir haben eine Datenanonymisierungsplattform entwickelt, die auf die Daten unserer Kunden zugreift. Die Ergebnisse werden z.B. von Städten für die Verkehrsplanung und -lenkung genutzt. Das hat entscheidend positive Auswirkungen auf den CO2-Footprint.“ erklärt Valentina Daiber. Dabei werden keine Daten verarbeitet, die einen Rückschluss auf den Einzelnen erlauben.

Netze als Basis für zukünftige Innovationen

Basis für den Wettlauf, um bei der Digitalisierung und Innovation nicht nur den Anschluss zu halten, sondern vorne mit dabei zu sein, sind die Netze.

„Wir haben beste Chancen, die vierte Industrielle Revolution als Gewinner anzuführen!“, ist sich Valentina Daiber sicher. Politik und Wirtschaft müssen dafür an einem Strang ziehen. Hier erntet sie Zustimmung von den rund 450 Zuhörern des „Zeit Wirtschaftsforums“ im Publikum der Paulskirche und auf dem Podium. Es gibt dafür in Europa gute Beispiele, berichtet Daiber. In Frankreich wurden die richtigen Weichen für die Infrastruktur gestellt, in Spanien ist die Glasfasertechnik sehr weit und in Österreich steht es gut um den Verbraucherschutz im Internet.

Valentina Daiber mit Moderator Jens Tönnesmann | Foto: Telefónica/Fiene Oswald

Valentina Daiber verweist auf eigene Pilotprojekte mit dem modernen 5G-Netz. Hier gibt es sogenannte Campus-Lösungen, bei dem ein lokales 5G-Netz in einer definierten Fläche zum Einsatz kommt. Telefónica hat gemeinsam mit Daimler die Factory 56 in Sindelfingen für die Automobilproduktion errichtet, wo 5G in der Industrie real wird. Dort wird mit dem neuen Mobilfunkstandard die Vernetzung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ermöglicht.

Die Digitalisierung muss dem Menschen dienen

In Deutschland habe die Politik verstanden, dass es in Schüsselbereichen wie der Künstlichen Intelligenz mehr Unterstützung gebraucht wird.

Christoph Loos, Chef beim liechtensteinischer Werkzeughersteller Hilti kritisiert, dass häufig noch viel geredet, aber wenig gemacht würde. Die Baubranche hinke bei der Digitalisierung aber insgesamt hinterher.

Als Investor soll die Politik jedoch nicht auftreten, sagt Johannes Reck. Vielmehr müsse die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Er berichtet aus seiner Praxis, wie schwierig es im Vergleich zu den USA ist, Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Doch genau dies sei wichtig im Wettbewerb um die besten Köpfe. In seinem Unternehmen sind weniger als ein Viertel der Mitarbeiter aus Deutschland; für das internationale Angebote rekrutieren GetYourGuide Mitarbeiter aus der ganzen Welt.

Unternehmen, die sich in einem Digitalisierungsprozess befinden, stehen noch vor weiteren Herausforderungen. „Natürlich gibt es dabei Unsicherheiten. Doch genau an dieser Stelle ist Transparenz besonders wichtig, um alle Mitarbeiter im Prozess mitzunehmen“, sagt Valentina Daiber. Es sind jedoch nicht nur die Mitarbeiter. Es sind alle Menschen, die bei der Digitalisierung mitgenommen werden müssen. Und nur, wenn die Digitalisierung den Menschen dient und sie die Hoheit über ihre Daten behalten, wird der nächste Schritt gelingen.

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