BASECAMP_Debate: „Wer rettet Berlin?“ –
Ein neuer Anlauf zur „Mammutaufgabe“

v.l.n.r.: Franziska Giffey, Sebastian Czaja, Bettina Jarasch, Kai Wegner, Anne Helm, Sascha Lobo | Foto: Henrik Andree
Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 06.02.2023

Vorherrschendes Thema im BASECAMP von Telefónica Deutschland in Berlin Mitte ist eigentlich die Digitalisierung in all ihren Facetten. Doch eine Woche vor der Wahlwiederholung stand die Politik des Stadtstaats im Mittelpunkt und das Interesse an der Diskussion der Berliner Spitzenkandidaten war außerordentlich groß, im Saal wie beim Livestream.

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Gibt es in Berlin eine Wechselstimmung wollte Moderator Sascha Lobo vom CDU-Kandidaten Kai Wegner wissen. Davon zeigte sich Wegner überzeugt und räumte ein, dass die Wiederholungswahl für ihn eine neue Chance sei. Auf die er allerdings gerne verzichtet hätte, weil die gescheiterte erste Wahl eine „weltweite Schmach“ für Berlin gewesen sei.

v.l.n.r.: Franziska Giffey, Sebastian Czaja, Bettina Jarasch | Foto: Henrik Andree

Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von der SPD, wollte die Umfragen, die derzeit die CDU vorne sehen, nicht kommentieren. Sie wies energisch Gerüchte zurück, dass sie bei Misserfolg ins Kabinett von Olaf Scholz wechseln könnte, das seien „Nebelkerzen“ aus der CDU. Auch zu der von ihrer bevorzugten Koalition, möglicherweise einer Ampel, äußerte sie sich nicht. Die Hauptsache seien stabile Mehrheiten nach der Wahl. Gegen eine Ampel und für die rot-grün-rote Koalition in Berlin führte Anne Helm, Fraktionsvorsitzende der Linken, das Beispiel der FDP im  Bund an: Dort blockierten die Liberalen Klimaschutz und soziale Verbesserungen. 

„Warum ist Berlin so kaputt“, wollte Lobo von der Grünen Kandidatin Bettina Jarasch wissen, was diese
Sascha Lobo | Foto: Henrik Andree

umgehend zurückwies. Berlin sei keine „failed City“. Ungeklärte Zuständigkeiten seien das Problem, eine Verwaltungsreform sei dringend nötig. Man solle die Stadt auch nicht kaputt reden. Sebastian Czaja, FDP-Fraktionsvorsitzender, forderte mehr digitale Dienstleistungen in der Verwaltung, es gebe ungefähr 200.000 Meldevorgänge im Jahr in Berlin. Die An- und Ummeldung werde noch in diesem Jahr digital möglich, erklärte Giffey dazu. Berlin sei auch das erste Bundesland, in dem Wohngeld digital beantragt werden könne. Berlin leide noch heute unter den Folgen des Bankenskandals und dem anschließenden Heruntersparen der Verwaltung, meinte Helm.

Warum es in Berlin nur 650 kostenlose Hotspots gebe und nicht 600,000, wie beispielsweise in Seoul, wollte Lobo wissen. Das frage sie sich auch, sagte Giffey, aber wenigstens habe sie in den 13 Monaten ihrer Amtszeit einen Chief Digital Officer eingesetzt, der auch genügend Handlungsmöglichkeiten habe. 236 Dienstleistungen der Verwaltung seien bereits online. Dass die Digitalisierung lange Zeit verschlafen wurde, räumte auch Wegner ein, und nahm seine Partei dabei nicht aus. Für Helm ist die Verwaltungsdigitalisierung eine „Mammutaufgabe“, die immer wieder angefangen, aber ebenso wieder liegengelassen wurde.

Foto: Henrik Andree

Zum Thema Wohnungsnot verwies Giffey auf die Moratorien für Mieterhöhungen und Wohnungskündigungen sowie 700 Millionen Euro für die soziale Wohnungsbauförderung in diesem und dem letzten Jahr. Wegner forderte die Randbebauung des Tempelhofer Felds, Czaja die Bauordnung zu vereinfachen. Helm meinte, das Land Berlin sollte selbst bauen, da private Bauherren nicht genug investierten, und Jarasch mahnte die Sozialpflichtigkeit von Eigentum an. Auch private Wohnungsunternehmen hätten Pflichten, aber oft trotz Baurecht nicht gebaut oder eher luxussaniert. Der Staat müsse hier einen klaren Rahmen setzen.

v.l.n.r.: Philippe Gröschel, Franziska Giffey, Sebastian Czaja, Bettina Jarasch, Kai Wegner, Anne Helm, Sascha Lobo | Foto: Henrik Andree

Haben wir in Berlin ein Integrationsproblem, fragte Lobo zum Schluss Bettina Jarasch, die sich in ihrer Fraktion auch mit Integrationspolitik beschäftigt hat. Sie verwies darauf, dass die Mehrheit der Grundschulkinder bereits einen Migrationshintergrund habe. Das Thema werde immer wieder diskutiert, jeweils aus besonderen Anlässen, wie zuletzt der Silvesternacht, aber nicht systematisch und umfassend. Wegner, dem in dieser Diskussion Rassismus vorgeworfen wurde, weil er die Vornamen der Beteiligten mit deutschem Pass abfragen wollte, erklärte, dass die Integration ebenso wie andere unangenehme Themen, etwa Bildung, in Berlin lieber mit dem „Mantel des Schweigens“ bedeckt würden als offen diskutiert. Auch Giffey habe die Diskussion einfach für beendet erklärt. Man müsse aber auch sehen, „dass wir in Berlin unfassbar viele positive Integrationsgeschichten haben“. Helm betonte die langfristige Entwicklung in Problembezirken, wo jahrelange Duldungen ohne Arbeitserlaubnis zu den heutigen Problemen beigetragen hätten.

Vorwürfe an Wegner und Giffey beziehungsweise ihre Parteien gab es dazu aus dem Publikum: Es wurde und werde zu wenig für die Jugendlichen in den Problemvierteln wie in Neukölln getan, zu wenig Jugendclubs, zu wenig Sozialarbeiter, zu wenig positive Perspektiven. Giffey verwies darauf, dass ein Arbeitskreis zur Jugendgewalt im Senat eingerichtet wurde, der die Probleme ganz konkret angehen und auch die nötigen finanziellen Mittel erhalten solle. Aber soziale Probleme rechtfertigten keinesfalls Angriffe auf Feuerwehr und Rettungskräfte. Hier stehe sie für eine „klare Kante“.

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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