Standpunkt: Keine Technik ohne Erfindungen – die Diskussion um standardessentielle Patente

Credit: iStock/Khafizh Amrullah und Shutterstock/kanvictory
Credit: iStock/Khafizh Amrullah und Shutterstock/kanvictory
Veröffentlicht am 28.07.2025

Die Diskussion rund um standardessentielle Patente (SEP) wird seit längerem kontrovers geführt. Zuletzt scheiterte eine Initiative der Europäischen Union für eine Regulierung, die u.a. zum Ziel hatte, mehr Transparenz und „Fairness“ für die SEP-Inhaber und SEP-Nutzer zu gewährleisten. Doch worum geht es bei diesem Thema konkret? Darauf wollen wir im Folgenden möglichst kurz und verständlich eingehen.

Standardessentielle Patente (SEP) sind Patente, ohne die bestimmte Industriestandards nicht nutzbar sind, beispielsweise der 5G-Mobilfunkstandard oder WLAN-Anwendungen. Zugespitzt kann man sagen, dass ohne die Nutzung bestimmter SEP kein Smartphone, kein WLAN-Router, aber auch kein modernes Auto und keine smarte Fabrik oder Produktionsstraße funktioniert.

Rechtssicherheit und der Schutz geistigen Eigentums sind hohe Güter und grundlegende Elemente eines Rechtsstaats, von dessen Existenz und Unantastbarkeit Menschen und Unternehmen zweifellos profitieren. Patentinhaber haben zu Recht den Anspruch und das Recht, an der Nutzung ihrer Erfindungen und Patente monetär zu partizipieren. Dies geschieht in der Regel durch die Vergabe von Lizenzen an den jeweiligen Nutzer.

Credit: iStock/Mongkol Onnuan

Die Lizenzhöhe für SEP soll dabei nach bestimmten, gleichen Bedingungen ermittelt werden. Hierbei handelt es sich um die sog. „FRAND“-Bedingungen. FRAND steht für: Fair, Reasonable And Non-Discriminatory, übersetzt: fair, angemessen und diskriminierungsfrei. Grundsätzlich werden die FRAND-Bedingungen von den Standardisierungsorganisationen (sog. SDOs), wie beispielsweise der ETSI, definiert.

Wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt, sollen die FRAND-Bedingungen Patentnutzern vor unfairen und insbesondere extrem hohen Patentnutzungsgebühren schützen. Doch genau hier hapert es in der Praxis vielfach. Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen – dies sind insbesondere die in Deutschland wichtigen Industrien Automobil und Maschinenbau, aber eben auch Mobilfunk – beklagen die unangemessen hohen und intransparenten Gebühren für die Nutzung von SEP sowie daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten, die immense interne Aufwände und (teilweise nicht abschätzbare) Gerichts-, Rechts- und Patentanwaltskosten mit sich bringen.

Fehlende Transparenz führt zu fehlender Rechtssicherheit

Zurückzuführen ist das Problem insbesondere darauf, dass es (1) an einer zentralen Datenbank der für einen bestimmten Standard relevanten SEP mangelt. Ferner fehlt (2) ein umfassendes Register mit aktuellen Informationen zu angemeldeten SEP, (3) eine materiell-rechtliche Prüfung der Wesentlichkeit eines als SEP angemeldeten Patents sowie (4) die Offenlegung der verschiedenen Lizenzverträge, um daraus die Lizenzhöhe für ein SEP für einen bestimmten Standard ableiten zu können.

Wer der zentrale und neutrale Akteur sein könnte, um ein umfassendes SEP-Register inklusive transparenter und fairer Gebührentabelle zu verwalten, bliebe im europäischen Kontext zu diskutieren und zu entscheiden. Eine geeignete Behörde für diese Aufgabe könnte, so hat es der Entwurf der EU-Richtlinie vorgeschlagen, das European Union Intellectual Property Office (EUIPO) in Alicante sein.

Rechtsprechung in Deutschland ist zusätzliche Belastung für SEP-Nutzer

Zu den vier oben genannten Problemen kommen Unwägbarkeiten in der deutschen Rechtsprechung hinzu. Kläger (Patentinhaber und -verwerter) erhalten vor den deutschen Patentstreitkammern vergleichsweise schnell und einfach Unterlassungstitel gegen den SEP-Nutzer. Dies steht im Widerspruch zur Handhabung auf internationaler Ebene.

Zu nennen sind hier insbesondere die USA, aber auch andere europäische Staaten. Die EU-Kommission hat diese Rechtsanwendung bereits in einem Amicus Curiae Schreiben – also in einer unaufgeforderten schriftlichen Stellungnahme – gegenüber dem Oberlandesgericht München deutlich kritisiert. Geändert hat sich an der Handhabung der deutschen Gerichte bisher jedoch nichts.

Rechtliche und wirtschaftliche Risiken für Technologiefirmen

Foto: iStock / SeventyFour

Ein Anwendungsbeispiel: Ein Telekommunikationsunternehmen kauft Router einer bestimmten Baureihe von einem Hersteller ein und verkauft sie anschließend an seine Festnetzkunden weiter. Dabei weiß der Hersteller des Routers aufgrund der fehlenden Transparenz nicht, dass in diesen Routern Bauteile oder Module eingesetzt werden, bei denen ein standardessentielles Patent genutzt wird und entrichtet angesichts dieser Unkenntnis auch keine Nutzungsgebühr an den SEP-Inhaber. Das Telekommunikationsunternehmen, das den Router einkauft, weiß weder, welche Bauteile oder Module vom Hersteller verbaut wurden noch weiß es aufgrund der fehlenden Transparenz in Folge der Nicht-Existenz eines SEP-Registers, dass der Router (konkret die Bauteile oder Module) SEP benutzen. Darüber hinaus geht es davon aus, dass der Hersteller dafür gesorgt hat, dass sämtliche Lizenzen an mögliche SEP-Inhaber gezahlt wurden, so dass es ebenfalls keine Nutzungsgebühren entrichtet. In der Folge wird das Telekommunikationsunternehmen, das keine Kenntnis von der Nutzung des SEP haben kann, von einem SEP-Inhaber/-Verwerter verklagt – mit Fairness hat dies kaum etwas zu tun.

In den allermeisten Fällen sind Inhaber von SEP Personen oder Firmen, die neue Techniken für sich aktiv entwickeln und vermarkten, in der Absicht, sich so einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, und die sich ihre Erfindungen aus diesen Gründen (zu Recht) als Patent haben schützen lassen. Aktuell werden die SEP aber primär von so genannten Patentverwertern, auch „Patent Trolls“ genannt, monetarisiert. Das sind Firmen, die Patentportfolios aufkaufen, nicht aber um die geschützte Technik selbst zu nutzen, sondern ausschließlich mit dem Ziel, mit den möglicherweise in den Portfolio’s enthaltenen SEP-Geld zu verdienen und hierbei bereit sind jedwedes rechtliche Mittel zu wählen. Dies schließt außergerichtliche, aber selbstverständlich auch gerichtliche Auseinandersetzungen ein. Beide Wege sind insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die SEP (teilweise unwissentlich) nutzen, häufig sehr aufwändig in der Handhabung und auch finanziell kostspielig, so kostspielig, dass sie lieber eine (zu teure und teils unnötige) Lizenz erwerben als sich der finanziellen Belastung eines mitunter jahrelang dauernden Gerichtsverfahrens auszusetzen.

Die europäische Politik steht in der Verantwortung Klarheit und Fairness zu schaffen

Die dringend gebotene Initiative der EU-Kommission, mehr Transparenz und Fairness im Zusammenhang mit SEP zu schaffen, scheiterte in jüngerer Vergangenheit an der Blockadehaltung einzelner Mitgliedsstaaten.

Credit: iStock/Fahroni

Zum Schutze der deutschen Wirtschaft und insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die zur Erbringung Ihrer Leistungen und bei der Entwicklung neuer Technologien und Produkte auf Standards angewiesen sind, wäre es wichtig, wenn die EU-Gesetzesinitiative schnellstmöglich wieder aufgegriffen und bestenfalls zum Abschluss gebracht werden würde. Die Schaffung von Transparenz und Fairness im Bereich der SEP auf europäischer Ebene ist auch für den Telekommunikationsmarkt entscheidend, um sicherzustellen, dass ein Mobilfunknetz betrieben und Smartphones, Tablets, Router und andere Devices auf den Markt gebracht werden können, ohne dass die Unternehmen dabei das Risiko einer unbewussten Verletzung von SEP und damit von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen ausgeliefert sind.

Weiter Informationen zu diesem Thema sind auch auf dem Blog der Telefónica Gruppe zu finden:

What’s Next for Standard Essential Patents (SEPs) in Europe? – Telefónica

 

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion