Regierungsbildung: Streit über Digitalministerium

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UdL Digital Regierungsgenerator, inklusiv Digitalminister!
Veröffentlicht am 26.02.2018

Die fehlende Entscheidung bei den Koalitionsverhandlungen, ein Digitalministerium zur Koordinierung der bundesweiten Digitalpolitik einzusetzen, hat Teile von Wirtschaft und Gesellschaft schwer enttäuscht. Einer vom Bundesverband Deutsche Startups initiierten Petition (öffnet in neuem Tab) mit dem Titel „Gesucht: Digitalminister (m/w)“ schlossen sich zahlreiche Verbände an.

„Wir können nicht einfach zuschauen, wie die mögliche neue Große Koalition im Bereich Digitales sehenden Auges auf Kompetenz-Wirrwarr und Stillstand zusteuert“,

sagt Florian Nöll (öffnet in neuem Tab) vom Bundesverband Deutsche Starups (öffnet in neuem Tab). In dem Appell wird von CDU, CSU und SPD gefordert, eine/n Digitalminister/in zu ernennen.

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UdL Digital Regierungsgenerator (öffnet in neuem Tab), inklusiv Digitalminister!

Vor den Koalitionsverhandlungen habe ein Konsens zwischen den drei Parteien bestanden, zumindest einen Digitalstaatsminister im Kanzleramt zu installieren. Doch nun wird im Koalitionsvertrag (öffnet in neuem Tab) lediglich die Einrichtung eines Digitalrates erwähnt, der einen engen Austausch zwischen Politik und nationalen sowie internationalen Experten ermöglichen soll. Für eine „Digitalagentur“, eine neue nachgeordnete Behörde, die die Bundesregierung unterstützten soll, gibt es lediglich einen Prüfauftrag. Grundsätzlich bleiben die Zuständigkeiten für Digitales über zahlreiche Ministerien verteilt.

„Es ist unverständlich, wie die Koalitionsparteien hinter diesen Konsens zurückfallen konnten“, heißt es in der Petition.

Initiatoren warnen vor einem Verschlafen der Digitalisierung

Die Initiatoren fürchten, dass ohne „echte Koordinierung die Digitalisierung verschlafen werde:

„Unsere Schulen und Universitäten stecken in der Kreidezeit fest, Staat und Verwaltung arbeiten analog. Beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur fehlen wirksame Impulse und die Wirtschaft findet keine international wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen vor. Darunter leidet bereits heute die Innovationskraft“,

heißt es in dem Appell. Es folgt die Warnung:

„Wir drohen endgültig den Anschluss zu verlieren, mit fatalen Folgen für Arbeit, Wohlstand und sozialen Frieden.“

Unterstützt wurde die Petition von diversen Verbänden aus der Digitalbranche, darunter Bitkom (öffnet in neuem Tab), BVDW (öffnet in neuem Tab) und eco (öffnet in neuem Tab), dem vom Bund finanzierten Deutschen Internet-Institut (öffnet in neuem Tab) sowie dem CDU-nahen C-Netz (öffnet in neuem Tab) und dem SPD-nahen Verein D64 (öffnet in neuem Tab). Weitere der insgesamt 54 Verbände, die den Appell bis jetzt unterzeichneten, sind: der Verband Deutscher Metallhändler (öffnet in neuem Tab), der Handelsverband (öffnet in neuem Tab) (HDE), der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (öffnet in neuem Tab) (bne) und der Internationale Bund (öffnet in neuem Tab) (IB), eine Organisation, die Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit betreibt.

In einem Interview mit Euractiv (öffnet in neuem Tab) sagte Dr. Joachim Jobi (öffnet in neuem Tab) vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), dass man aus der fehlenden institutionellen Verankerung der Digitalpolitik auf Bundesebene schließen könne, dass Digitalpolitik strukturell noch nicht den Stellenwert hat, den sie haben soll. „Die institutionelle Verankerung ist eine wichtige Frage“, betonte er. Zudem bemerkte er die Vorteile eines Digitalministers, auch bezogen auf die internationalen Ebene:

„Ein richtiger Digitalminister säße beispielsweise mit am Kabinettstisch und wäre daher viel besser in der Lage, auf Augenhöhe mit den anderen Ministern die Themen durchsetzen, die für die Digitalisierung wichtig sind. Diese Augenhöhe wäre auch bei den Ratssitzungen mit den europäischen Kollegen wichtig. Die anderen EU-Mitgliedsländer schicken dort größtenteils vollwertige Digitalminister zu den Treffen nach Brüssel.“

re:publica-Gründer warnt vor Scheitern

Doch die Forderung nach einem Digitalministerium stößt auch auf Kritik. Johnny Haeusler (öffnet in neuem Tab), u.a. Blogger und einer der Mitbegründer der Konferenz re:publica (öffnet in neuem Tab), sieht in der Einrichtung eines weiteren Ministeriums nur noch mehr Bürokratie.

„Ein eigenes Digitalministerium als Ansprechpartner für 14 bestehende Stellen nebst Lobbyisten stellt man sich in besonders optimistischen Momenten vielleicht als eine Art „Vollcheckeragentur für alles Digitale“ vor. Betrachtet man aber die ohnehin schon bestehenden Koordinationsprobleme zwischen den Ministerien, sind noch mehr Chaos, noch mehr Bürokratie und noch mehr Gerangel ebenso wahrscheinliche Szenarien“,

so Haeusler in einem Beitrag für Wired (öffnet in neuem Tab). Er wies darin außerdem auf die unterschiedlichen Vorstellungen hin, die Wirtschaftsverbände und Netzaktivisten von der Besetzung eines solchen Ministeriums hätten sowie darauf, dass die Schaffung des Digitalministeriums Verantwortung von den anderen Ressorts nehmen könnte.

Kritik aus der Wissenschaft

Dr. Christian Djeffal (öffnet in neuem Tab), Projektleiter IoT & eGovernment am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (öffnet in neuem Tab) warnte in einem Interview mit bento (öffnet in neuem Tab), ähnlich wie Johnny Haeusler, vor zu hohem Optimismus in Bezug auf die Funktionsfähigkeit eines Digitalministeriums. Zwar hätte es eine gewisse symbolische Wirkung, aber es könne auch sein, dass die Digitalisierung dadurch zurückgeworfen werde:

„Ein Digitalminister bedeutet, alle anderen sind keine. Das bündelt Verantwortung, wo sie eigentlich jeder übernehmen sollte und am Ende steht ein Sündenbock bereit.“

Reaktionen aus der Politik

Als Reaktion auf die Forderung nach einem Digitalministerium zitierte die CDU in einem Tweet den Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Helge Braun (öffnet in neuem Tab). Dieser sagte, dass das, was sie in der Substanz täten, wichtiger sei als Kompetenzverteilung. Die Grünen-Abgeordnete Anna Christmann (öffnet in neuem Tab) betonte bei Twitter (öffnet in neuem Tab), die Initiative des Startup-Verbands müsse ein Weckruf für Union und SPD sein, die Digitalisierung im Kabinett aufzuwerten. Das ginge ihrer Ansicht nach allerdings auch ohne ein Digitalministerium. Gleichzeitig stellte sie klar:

„Aber als Anhängsel an Verkehr wird das nichts. Brauchen Kompetenzbündelung, klare Zuständigkeiten & Digitalstrategie.“

Ob die Forderungen nach einer stärkeren Bündelung der Digitalisierungs-Themen von den möglichen Koalitionären gehört und umgesetzt werden, wird sich in den Wochen nach der Regierungsbildung herausstellen – falls die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmen.

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