Regieren mit Reichweite: Wer ist der Social Media Star der neuen Bundesregierung?

Foto: Pixabay User AzamKamolov | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 19.06.2025

Social Media ist längst fester Bestandteil politischer Kommunikation – nicht nur im Wahlkampf. In einer Zeit, in der 77,6 % der deutschen Bevölkerung aktiv Social Media nutzen, ist die digitale Präsenz für die Bundesregierung nicht mehr optional, sondern essenziell für eine erfolgreiche politische Kommunikation. Deshalb lohnt sich der Blick in die Kanäle der Regierung: Wie präsentiert sich die neue Bundesregierung in den sozialen Medien? Wer kommuniziert auffällig nahbar, wer strategisch – und wer könnte zum (rising) Social Media Star werden?

Digitale Kanäle bieten Reichweite, Tempo und direkte Ansprache. Ihre Nutzung ist während des Wahlkampfs besonders wichtig, aber auch darüber hinaus von großer Bedeutung. Dabei fällt die Nutzung sehr unterschiedlich aus. Einige Politiker:innen agieren eher nüchtern und professionell, andere setzen auf einen betont persönlichen Stil mit hohem Meme-Potenzial à la Markus Söder (CSU). Neben den individuellen Auftritten spielen aber auch institutionelle Kanäle eine zentrale Rolle: Viele Ministerien betreiben bereits seit Jahren eigene Social-Media-Accounts, die kontinuierlich Inhalte zur Regierungsarbeit veröffentlichen. Diese Kanäle sind meist sachlich gehalten, stellen die Arbeit der Häuser in den Vordergrund und lassen persönliche Positionierungen der Amtsinhaber:innen weitgehend außen vor.

Nachdem X (ehemals Twitter) durch die Entwicklungen der letzten Jahre an Relevanz und Vertrauen verloren hat, liegt der Fokus politischer Kommunikation inzwischen stärker auf Instagram, TikTok und LinkedIn. Während erstere beiden vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen und auf visuelle sowie kurzformatige Inhalte setzen, bietet LinkedIn Raum für fachlichere Einordnung und strategische Positionierung in einem beruflichen Kontext. Doch wie nutzen die Minister:innen diese Plattformen konkret? Wer erreicht Reichweite – und mit welchem Content?

Instagram: Der Bundeskanzler führt das Follower-Rennen an

In Sachen Followerzahl ist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unangefochten. Mit 2,5 Millionen Followern auf Instagram liegt er klar vorn, auch wenn er einen Großteil dieser Reichweite noch von seinem Vorgänger übernommen hat. Man merkt jedoch seit seinem Amtsantritt seine eigene Note in Sachen Content. Merz zeigt sich mit direkterer Ansprache und persönlichen Einblicken aus dem Kanzleramt. Erste Resonanz zeigt sich bereits in Form positiver Kommentare und gestiegener Engagement-Raten.

Screenshot Instagram | Quelle: Instagram / @merzcdu

Ein Blick auf das relative Wachstum seit der Amtsvereidigung am 6. Mai zeigt zudem: Auch Andere legen prozentual deutlich zu. Bauministerin Verena Hubertz (SPD) (+44 %), Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) (+15%) und Chef des Bundeskanzleramts Thorsten Frei (CDU) (+14%) verzeichnen starke Follower-Zuwächse. Hubertz (SPD) und Frei (CDU) kombinieren in ihrem Content persönliche Einblicke mit informativen Formaten und greifen regelmäßig Trends auf. Ein besonders erfolgreiches Beispiel ist ein Reel von Hubertz im beliebten „Spend a day with me“-Format. Auch Frei setzt auf eine bunte Mischung – von politischen Statements bis zur Ankündigung eines Friseurbesuchs. Nina Warken hingegen fällt weniger durch Content-Vielfalt als durch ihr Followerwachstum auf. Inhaltlich dominieren bei ihr schlichte Zitatkacheln, häufig in Kooperation mit dem Bundesgesundheitsministerium. Dieser Account mit über 500.000 Followern trägt möglicherweise zur Sichtbarkeit Warkens bei.

Eine Social Media Binsenweisheit ist, dass das Momentum eine zentrale Rolle spielt. Sichtbarkeit entsteht nicht nur durch kontinuierlichen Content, sondern oft auch durch politische Zuspitzung und tagesaktuelle Dynamiken. So erzielte ein vergleichsweise unauffälliger Account wie der von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hohe Reichweite und Interaktion – ausgelöst durch sein klares Statement gegen das Manifest des SPD-Friedenskreises. Die politische Sprengkraft des Themas übersetzt sich unmittelbar in Engagement.

Nicht alle Profile der Minister:innen und Ministerien sind jedoch auf Momentum angewiesen. Das generelle Engagement auf dem Kanzler:innen-Account bleibt stabil – unter Olaf Scholz (SPD) ebenso wie seit Anfang Mai unter Friedrich Merz (CDU). Auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hält sich wacker, wie eine Datenanalyse der wichtigsten Regierungsaccounts auf Instagram von polisphere zeigt.

Instagram Engagement Race der Bundesregierung

Vergleich des Engagements auf den Instagram-Accounts der amtierenden Minister:innen der neuen Bundesregierung sowie der Ministerien inklusive des von Merz übernommenen @bundeskanzler-Accounts sowie des @merzcdu-Accounts.

Top 3 Instagram-Accounts der Kabinettsmitglieder (18.06.2025):

  1. @bundeskanzler 2.5 Mio. Follower / @merzcdu 303.3 Tsd. Follower
  2. @larsklingbeil 105.5 Tsd. Follower
  3. @aussenminister 101.9 Tsd. Follower

TikTok: Hubertz (SPD) verdoppelt ihre Follower-Zahlen

Auch auf TikTok führt die Bauministerin das relative Followerwachstum an. Seit ihrem Amtsantritt hat sich ihre Follower-Zahlen mehr als verdoppelt. Gefolgt wird sie vom Bundeskanzler (+15%) und wieder von Thorsten Frei (CDU) (+14%). Der Bundeskanzler liegt jedoch mit seinen über 555 Tsd. Followern erneut klar vorne, was die absoluten Follower-Zahlen angeht. Auch bei den Top-Beiträgen, die Reaktionen, Kommentare und Shares angeht, dominiert der Account des Kanzlers. Dabei zeigt sich aktuell vor allem sein außenpolitischer Fokus in seinem Content.

Außenpolitik scheint generell auf TikTok gut anzukommen, der Account des Auswärtigen Amts kann eine stetige Reichweite verbuchen. Insbesondere Inhalte um die aktuellen Konflikte im Nahen Osten und der Ukraine generieren eine hohe Reichweite. Im Gegensatz zur Mehrheit der offiziellen Accounts der Ministerien ist der Personalwechsel im Außenministerium auch am Stil des Contents erkennbar: Anders als seine Vorgängerin verzichtet Johann Wadephul (CDU) bis dato auf Ausschnitte von Reden und konzentriert sich auf für das Format zugeschnittene Videos in einem einheitlichen Design.

Auch wenn TikTok gerade bei jungen Menschen sehr beliebt und meist die Hauptnachrichtenquelle ist, vernachlässigen die Regierungsvertreter die Plattform bisher jedoch weitgehend. Doch spätestens seit dem Wahlkampf der Linken wird deutlich, wie demokratischer, erfolgreicher Content auf TikTok funktionieren kann.

Top 3 TikTok-Accounts der Kabinettsmitglieder (18.06.2025):

  1. @bundeskanzler 556.5 Tsd. Follower
  2. @lars.klingbeil 28.400 Follower
  3. @reem.alabali 9.070 Follower

LinkedIn: Das Medium der Stunde

Im Gegensatz zu insbesondere TikTok wird LinkedIn zunehmend von Parteien der politischen Mitte bespielt. Hier findet politische Kommunikation in einem weniger emotionalisierten Umfeld statt, vor allem im Vergleich zu beispielsweise X. Dementsprechend überrascht es kaum, dass laut einer Analyse von MSL in Kooperation mit Martin Fuchs über 71 % der Minister:innen, Staatsminister:innen und parlamentarischen Staatssekretär:innen der neuen Bundesregierung ein eigenes LinkedIn-Profil besitzen – mehr als die Hälfte davon nutzt die Plattform aktiv. Die höchsten Followerzahlen verzeichnen erneut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)  und Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD), ebenfalls auf dem Treppchen ist Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD).

Auch das neue Digitalministerium sowie Minister Karsten Wildberger (CDU) fallen durch ihre Präsenz auf LinkedIn positiv auf. Das Ministerium zeigte nicht nur direkt nach Organisationserlass einen schnellen Start, sondern auch konstanten und professionellen Content, der aktuell und gut auf die Plattform zugeschnitten ist. Mit rund 35.000 Followern ist die Reichweite zwar noch überschaubar, etwa zum Wirtschaftsressorts, welches über 200.000 Follower zählt, aber das BMDS hat den Trend auf seiner Seite.

Top 3 LinkedIn-Accounts der Kabinettsmitglieder (18.06.2025):

  1. @Friedrich Merz 246.5 Tsd. Follower
  2. @Verena Hubertz 27.187 Follower
  3. @Reem Alabali-Radovan 21.552 Follower

Auf den anderen Plattformen bleibt es ruhig(er)

Auch wenn viele Politiker:innen X (Twitter) mittlerweile den Rücken gekehrt haben, nutzt der Bundeskanzler diese Plattform weiterhin, um seine Regierungsarbeit näherzubringen. Hierbei gewährt er vor allem Einblicke in offizielle Events wie politische Gipfel und Staatsbesuche.  Währenddessen spielt Facebook in der Regierungskommunikation eine untergeordnete Rolle. Unbeirrt hält sich aber Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) dort wacker in der Bespielung seiner Community.

Auf den Plattformen Bluesky und Mastodon passiert noch weniger. Bluesky hat zumindest einige Ministeriums-Accounts sowie einzelne private wie die von Wadephul (CDU) und Hubertz (SPD) – allerdings mit kaum Aktivität. Auch auf Mastodon sind einige Ministerien mit gelegentlichen Beiträgen präsent, doch fehlt es hier vor allem an der Interaktion mit den Nutzer:innen.

Es ist ein Anfang

Der Blick auf die Daten zeigt: Die neue Bundesregierung erkennt, welches Potenzial Social Media bietet. Bisher dominiert eine professionelle Herangehensweise mit größtenteils zielgruppen- und plattformspezifischen Content ohne typische Anfängerfehler – aber auch ohne Überraschungen. Die hohe LinkedIn-Nutzungsrate über 70 % der Regierungsmitglieder zeigt zudem, dass die Bundesregierung die Bedeutung des Business-Netzwerks für politische Kommunikation erkannt hat. Die Ausdifferenzierung der Social-Media-Plattformlandschaft zeigt sich dabei auch in der Nutzung seitens des Regierungsteams.

Mehr noch als die politischen Unterschiede zwischen den Kabinettsmitglieder zeigen sich dabei auch habituelle und kulturelle Prägungen in Art des Contents und der Zielgruppenansprache sowie persönliche Vorlieben. Ob tanzend oder trocken: Der Inhalt sollte authentisch sein und auch zum Absender oder der Absenderin passen. In dieser Hinsicht hat die neue Bundesregierung die Social-Media-Vielfalt nicht nur erkannt, sondern sie auch – mehr oder weniger – erfolgreich in ihre alltägliche Kommunikation eingebunden.

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