Nachgefragt! mit Prof. Wolfgang Krieger – Datensicherheit und Spionage: Wie ein Wettlauf zwischen Hase und Igel

Foto: Henrik Andree, Marina Grigorian, Petra Heinrich, Prof. Wolfgang Krieger, Nicole Nehaus-Laug
Foto: Henrik Andree, Marina Grigorian, Petra Heinrich, Prof. Wolfgang Krieger, Nicole Nehaus-Laug
Veröffentlicht am 21.07.2021

Digitalisierung bestimmt zunehmend unser Leben. Digitale Souveränität und Cyber-Sicherheit werden dabei immer wichtiger. Doch wie sieht es aus mit der Spionage in digitalen Zeiten? Damit befasste sich die zweite Runde in der neuen Reihe „Nachgefragt“ zum Thema „Wer bespitzelt wen?“.

„Dynamisch, schnell, informativ“, so ist die neue Reihe „Nachgefragt“ zum Start in den Tag gedacht. Und die zweite Runde war nach längerer Zeit die erste, die endlich wieder vor Publikum im „BASECAMP“  in der Berliner Mittelstraße stattfinden konnte, aber natürlich auch Online-Zuschauer*innen hatte.

Foto: Henrik Andree, Prof. Wolfgang Krieger, Nicole Nehaus-Laug

Nicole Nehaus-Laug, Senior Manager Public Relations bei Telefónica Deutschland, führte das Gespräch mit Historiker Prof. Wolfgang Krieger, der sich als Professor an der Philipps-Universität Marburg seit Jahren mit Geheimdiensten beschäftigt und ihr Wirken von den Pharaonen bis heute überblickt.

Schlapphut, Trenchcoat und Minox-Kamera, diese Klischees über Geheimdienste bringen Krieger zum Lachen, denn bei den Geheimdiensten hat sich vieles geändert. Geblieben aber ist das Ziel, das der chinesische General und Stratege Sunzi (Sun Tsi) in seiner „Kunst des Krieges“ schon vor rund 2500 Jahren beschrieb als den „Schutz vor bösen Überraschungen“. Deshalb ist das Wesentliche das Vorauswissen, das Erahnen der Absichten von ausgespähten Kreisen oder Regierungen.  Geblieben ist seit Beginn der Geheimdienste auch die wichtige persönliche Beziehung zu menschlichen Quellen, die „Human Intelligence“. Allerdings spielt die technische Seite des Ausspähens seit dem 19. Jahrhundert mit der Entwicklung von Telegraf und Telefon eine immer größere Rolle.

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Nach der technischen Aufklärung, der „Signal Intelligence“, folgt die Übermittlung des Wissens, möglichst unverändert und detailgenau in die Zentrale des Geheimdienstes, wo die Puzzleteile aller Berichte in einem dritten Schritt in einer Analyse zusammengesetzt werden müssen. Der schwierigste Schritt sei allerdings der vierte, das Briefing der Entscheidungsträger, versichert Krieger. Diese wollten oft Analysen, die ihren Vorstellungen nicht entsprechen, nicht zur Kenntnis nehmen. Als Beispiel der Nichtbeachtung korrekter Vorhersagen nennt Krieger den Arabischen Frühling oder den deutschen Angriff auf die Sowjetunion, wo Stalin über 20 korrekte Warnungen ignorierte.

Haben Spione schon einmal Kriege verhindert, fragte Nehaus-Laug. Gute Geheimdienste, die auch vom Gegner so eingeschätzt würden, machen Überraschungsangriffe auch durch ihre abschreckende Wirkung sehr schwer. Als Beispiel für verhinderte Terroranschläge nennt Krieger in 2006 geplante Flugzeugsprengungen, die rechtzeitig aufgedeckt wurden.

Foto: Henrik Andree, Prof. Wolfgang Krieger

Wie sieht es mit der Spionage „unter Freunden“ aus, wollte Nehaus-Laug vom Geheimdienst-Historiker wissen. Die habe es schon immer gegeben, so Krieger lakonisch. Überraschung über die jüngst berichtete Zusammenarbeit der Dänen mit den Briten zeige nur eine schlechte Informationslage. Bei den USA und den Briten sei das Abschöpfen „unter Freunden“ bekannt, Ergebnisse würden auch abgefragt.

Heiß diskutiert wurde nach den Enthüllungen von Edward Snowden der Zugriff von Geheimdiensten auf den großen Internetknotenpunkt in Frankfurt am Main, was Krieger aber als legal bezeichnete. Alle technologischen Entwicklungen könnten auch kriminell genutzt werden. Gesichtserkennung, die zunächst praktisch sei, könnte zur Überwachung der Bürger*innen ausgebaut werden, wie bei der Sozialkontrolle in China. Digitale Steuerung von Kraftwerken oder Krankenhäusern könne wirtschaftliche oder verwaltungsmäßige Vorteile haben, aber auch Einfallstor für Hacker sein. Hier sollte man Sicherheit und Wirtschaftlichkeit genauer gegeneinander abwägen, antwortete er auf eine Frage aus dem Publikum.

Foto: Henrik Andree, Prof. Wolfgang Krieger, Nicole Nehaus-Laug

Grundsätzlich hätten demokratische Staaten kein Interesse an kompletter Überwachung ihrer Bürger, sagte Krieger und wies darauf hin, dass Geheimdienste nur im Auftrag ihrer Länder tätig werden und durch das Parlament legitimiert werden müssen. Die Stärke anderer Geheimdienste gegenüber dem deutschen liege auch darin, dass in Deutschland weniger Geld dafür verwendet werde und viele technologische Entwicklungen bei Computer und Smartphone „verschlafen“ wurden. Auch sei im Gegensatz zu Deutschland die Industriespionage in manchen westlichen Staaten keineswegs verboten.

Wie wichtig ist heute Verschlüsselung?

Die Verschlüsselung, zwischenzeitlich fast schon vergessen, werde wieder bedeutender, sagte Krieger. Als Rennen zwischen Hase und Igel beschrieb der Geheimdienstexperte den Wettlauf zwischen Ver- und Entschlüsselung digitaler Inhalte. Er gab aber zu bedenken:

„Wenn sich der Bundestag schon nicht schützen kann vor Hackerangriffen, wie soll das dann eine Privatperson schaffen?“

„Denken Sie an ‚Pegasus‘“, spielte er an auf die gerade aufgedeckte Software zur Terrorabwehr, die nun gegen Menschenrechtler*innen, Journalist*innen und Regierungsmitglieder eingesetzt wurde. Dennoch ermunterte Krieger aber zur Aufmerksamkeit und Initiative bei der Absicherung der eigenen digitalen Daten, denn es gebe keine digitale Souveränität, „wenn du sie nicht selbst herstellst.“

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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Nachgefragt #3 – Am 17.08.2021

In der dritten Ausgabe am 17.08.2021 um 8:30 Uhr von Nachgefragt! Zum Thema „Digitaler Wahlkampf: Fair verloren oder schmutzig gewonnen?“  sind bei uns zu Gast:

Marina Weisband, Diplom-Psychologin, Autorin, Expertin für digitale Partizipation und Bildung und Co-Vorsitzende bei D64 e.V., dem Zentrum für digitalen Fortschritt

und

Benjamin Minack, Founder & CEO ressourcenmangel, Angel Investor und Autor

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